Krise beschleunigt Neuorientierung

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Die maritimen Zulieferer in Deutschland sind zufrieden mit dem Geschäftsjahr 2019 und erwarten, trotz aller kurzfristigen Unwägbarkeiten, gute Geschäftsentwicklungen in der weiteren Zukunft. „Aufgrund der guten Auftragslage haben wir im vergangenen Jahr unsere Belegschaft verstärkt. Wir sind insgesamt in der Branche gut aufgestellt“, sagt Martin Johannsmann, Vorstandsvorsitzender der VDMA Marine Equipment and Systems und Vorsitzender der Geschäftsführung der SKF GmbH.

„In der Corona-Krise hat sich das ausgezahlt. Wir haben sehr schnell gelernt, mit der Pandemie umzugehen“, ergänzt er. Die Produktion in der Branche ist fast ohne Unterbrechungen weitergelaufen, trotz zeitweiliger Engpässe bei den Lieferanten. Die Aufträge konnten abgearbeitet werden und inzwischen funktioniert auch wieder die internationale Logistik.

Probleme melden die Unternehmen bei den derzeit geltenden internationalen Reisebeschränkungen, denn Service-Mitarbeiter können nicht vor Ort bei den Kunden sein. „Aber auch hier bieten sich teilweise neue Lösungsansätze. Wer frühzeitig in die digitalen Möglichkeiten des Teleservice investiert hat, ist jetzt im Vorteil“, sagt Johannsmann. „Sorgen macht uns aktuell eine zunehmende Kaufzurückhaltung der Kunden. Wir können hier aber keine verlässlichen Voraussagen machen und müssen weiter auf Sicht fahren. Die zügig eingeleiteten Maßnahmen der Bundesregierung wie degressive Abschreibung, Verlustrücktrag und die Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung sind wichtige Schritte, um diese Zeit gut zu überstehen und am Weltmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben.“

Die deutsche Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie mit ihren 64.500 hochqualifizierten Beschäftigten (plus 3 Prozent im Vergleich zu 2018) hat 2019 den Umsatz auf 11,1 Milliarden Euro (plus 3,9 Prozent) gesteigert. Die Bestellungen legten im gleichen Zeitraum um 3,4 Prozent zu. Nach Abarbeitung dieses Auftragspolsters sind die weiteren Aussichten für 2020 nur schwer abschätzbar. Rund 40 Prozent der Unternehmen erwarten einen rückläufigen Auftragseingang im Inland, für das Auslandsgeschäft erwarten dies derzeit 25 Prozent der Unternehmen.

„Auf längere Sicht erwarten wir die zügige technische Modernisierung der weltweit oft veralteten Flotte in Hinblick auf Effizienz und Umweltschutz, denn nur so sind die gesetzten Klimaziele zu erreichen“, sagt Klaus Deleroi, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der VDMA Marine Equipment and Systems und Geschäftsführer der REINTJES GmbH. Insgesamt liefern die deutschen Schiffbau- und Offshore-Zulieferer ihre Komponenten und Systeme auf fast alle zu bauenden Schiffstypen. Natürlich gibt es Unternehmen, die sich auf bestimmte Schiffstypen spezialisiert haben und jetzt zum Teil sehr deutliche Auftragsrückgänge verkraften müssen. Hier gilt es, Neu- und Weiterentwicklungen für andere Kundenkreise interessant zu machen und sich möglichst breiter aufzustellen.

Technologietreiber sind dabei neben den Kreuzfahrtschiffen und Yachten gerade auch die Fähren, die Gas-Tanker, Arbeitsschiffe und Schiffe für die Marinen, die weltweit gebaut und nachgefragt werden. „Auf allen Schiffstypen wollen wir unsere High-Tech-Produkte und – Systeme über die gesamte Lebenszeit technisch betreuen und für einen ökologisch und ökonomisch optimalen Betrieb sorgen können. In der derzeitigen Situation wird immer deutlicher, dass vor allem die Digitalisierung ein wichtiger Treiber der maritimen Wirtschaft ist“, erläutert Deleroi. „Genauso wichtig ist aber auch insgesamt eine gesunde und wettbewerbsfähige europäische und deutsche maritime Industrie, um im Weltmarkt erfolgreich zu bleiben. In der derzeitigen Situation helfen deshalb die angekündigten Zukunftsunterstützungen der Bundesregierung, wie zum Beispiel das vorgezogene Flottenerneuerungsprogramm, das hoffentlich den deutschen Werften und der Zulieferindustrie zu Gute kommen wird“, sagt Deleroi.

Gleichzeitig gilt es für die Branche, genügend geeignete Nachwuchskräfte für die weitere Digitalisierung von Produkten und Prozessen durch attraktive Arbeitsbedingungen und interessante Tätigkeitsfelder zu gewinnen. Zukunftsthemen, wie zum Beispiel die Standardisierungen offener Schnittstellen nach dem Universal Machine Technology Interface (UMATI), sind ein wichtiger Baustein für die Entwicklung eigener neuer Produkte und Services. Nur wer die übergreifenden digitalen Systementwicklungen kennt und umsetzt, kann am Markt bestehen. Die gemeinsamen Anstrengungen der deutschen maritimen Industrie bei der Erstellung des VDMA Einheitsblatts zu MTP (Module Type Package) geben der Branche hierbei einen internationalen Wettbewerbsvorsprung.

Über 90 Prozent der Transporte werden weiterhin weltweit auf dem Seeweg durchgeführt. Klimaneutrale Antriebe in neuen Schiffen oder als Nachrüstung sind ein sehr großer Hebel zu Erreichung der weltweiten Klimaziele. Grüner Wasserstoff und daraus folgende Power2X-Energieträger sind die Lösung, insbesondere auch für den interkontinentalen Warenverkehr. Ein Ziel der jetzt von der Bundesregierung vorgestellten Nationalen Wasserstoffstrategie ist es, konventionelle Energieträger mit Hilfe erneuerbarer Energien zu dekarbonisieren. Die heimische Offshore-Windindustrie ist hier gefordert, genügend grünen Strom zu erzeugen. Gleichzeitig sieht der VDMA große Chancen in außenwirtschaftlichen Partnerschaften mit  Ländern, die dank ihrer geographischen Lage Wasserstoff effizient produzieren können. Dort sollen große Produktionsanlagen „made in Germany“ entstehen, von deren Betrieb beide Partner gleichermaßen profitieren können.

„Die derzeitige Situation in der Wirtschaft insgesamt und in unserer Branche speziell ist angespannt, da wir wenig verlässliche Zukunftsindikatoren haben. Wir sind überzeugt, nach der Corona-Krise mit unseren Innovationen in der Digitalisierung zusammen mit der Umsetzung der grünen Antriebskonzepte am gesamten weltweiten maritimen Markt erfolgreich zu sein und unseren Beitrag zur klimaneutralen Logistik zu leisten“, fasst Martin Johannsmann zusammen.

  • Beschäftigte: 64.500 Mitarbeiter
  • Umsatz (2019): 11,1 Milliarden Euro (2018: 10,7 Mrd. Euro)
  • Exportquote: 75 Prozent
  • Auftragseingänge gestiegen: Für 2019 im Durchschnitt ein Plus von 3,4 Prozent

Exportmärkte mit unterschiedlichen Entwicklungen: Das europäische Ausland bestätigte seine stabile Rolle als wichtiger Exportmarkt der deutschen Zulieferer (31 Prozent der Exporte). Hintergrund war die im Jahr 2019 gute Auftragslage führender europäischer Schiffbaubetriebe in ihren jeweiligen Spezialsegmenten, aber auch ein großes Liefervolumen europäischer Hersteller untereinander zur Bildung größerer Systeme für den weltweiten Schiffbau. Der gesamte asiatische Raum nahm in diese Zeit knapp 34 Prozent der deutschen Zulieferexporte ab. Bei den wichtigsten asiatischen Ländern konnte China im vergangenen Jahr mit 22,8 Prozent Anteile am Export deutscher Zulieferer gewinnen, wohingegen Korea mit 7 Prozent leicht sank. Das restliche Asien konnte 2019 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 2,4 Prozent auf 4,1 Prozent wieder zulegen. Der Handel mit Nordamerika jedoch sank auf 11,4.

Im ersten Quartal 2020 wurden weltweit 186 Seeschiffe mit 7,0 Mio. BRZ bestellt (I. Quartal 2019: 302 mit 11,1 Mio. BRZ), davon 21 in Südkorea (102), 67 in der VR China (51), 31 in Japan (63) und 21 in der EU-28 (28). Der weltweite Auftragsbestand an Schiffen liegt zum I. Quartal 2019 bei 4.433 (4.706) Einheiten.

Der VDMA vertritt rund 3300 deutsche und europäische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus. Die Industrie steht für Innovation, Exportorientierung, Mittelstand und beschäftigt rund vier Millionen Menschen in Europa, davon mehr als eine Million allein in Deutschland. Die VDMA Marine Equipment and Systems ist die Vertretung der exportstarken maritimen Industrie, die in die weltweiten Märkte der Schifffahrt, des Schiffbaus und der Offshore-Öl- & Gas-Industrie liefert.

Quelle: VDMA AG Marine Equipment and Systems, Foto: © www.mediaserver.hamburg.de / St.Wallocha

 

 

 

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