DGB argumentiert gegen Lang-LKW

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Die Bundesregierung hatte sich im Bereich Straßenverkehr viel vorgenommen: ÖPNV und Schienenverkehr sollten gefördert werden. Das neue Vorhaben aus dem Verkehrsministerium zur Zulassung von sogenannten „Lang-Lkw“ weist aber genau ins Gegenteil, so der Deutsche Gewerkschaftsbund DBG.

„Verkehrsminister Scheuer stand in den letzten Monaten mehrfach in der öffentlichen Kritik. Sein Agieren im Dieselskandal oder in der Debatte um vermeintlich fehlerhafte Grenzwerte oder die Aufstellung von Messstationen für Schadstoffe war wenig überzeugend. Aber „bad news are good news“. Die konzeptionelle Leerstelle des Verkehrsministeriums (BMVI) wird überdeckt.

Selbst erste Überlegungen der Plattform „Zukunft der Mobilität“ zu einem Tempolimit auf Autobahnen fegte Scheuer vom Tisch, derartige Vorschläge seien „gegen jeden Menschenverstand“. Dabei ist es Aufgabe des von ihm eingerichteten Gremiums, Instrumente für eine klimagerechtere Mobilität vorzuschlagen. Denn auch die Mobilitätspolitik ist laut Koalitionsvertrag den Pariser Klimazielen verpflichtet und die Kommission soll noch in diesem Jahr eine „Strategie für bezahlbare und nachhaltige Mobilität“ erarbeiten. Immerhin müssen im Verkehrssektor nach Jahrzehnten Stillstand bis 2030 noch 42% der CO2-Emissionen eingespart werden.

Der Koalitionsvertrag kündigt dafür ein Bündel von Maßnahmen an – „Förderung von Elektromobilität, des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und des Schienenverkehrs“ (S. 75), um die notwendige Verkehrswende einzuleiten. Auf S.77 heißt es weiter: „Mit einem Schienenpakt von Politik und Wirtschaft wollen wir bis 2030 doppelt so viele Bahnkundinnen und Bahnkunden gewinnen und dabei u. a. mehr Güterverkehr auf die umweltfreundliche Schiene verlagern. Wir wollen die Maßnahmen des Masterplans Schienengüterverkehr dauerhaft umsetzen.“

Zu diesen Ankündigungen passt der am 7. Februar 2019 vorgelegte „Entwurf der Neunten Verordnung zur Änderung der Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften für Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen mit Überlänge“ nicht. Der Einsatz von verlängerten Sattelaufliegern (Lang-Lkw Typ 1) soll ausgeweitet und der Preisvorteil des Lkw gegenüber dem Schienengüterverkehr damit weiter erhöht werden.

Für die Konkurrenz im internationalen Gütertransport ist gerade die Freigabe zusätzlicher Strecken für Lang-Lkw bis an die Bundesgrenze zu Belgien und den Niederlanden relevant. Dabei haben Europäisches Parlament und EU-Ministerrat 2015 entschieden, keine grenzüberschreitenden Fahrten von übergroßen Lkw zu erlauben. Mit der Freigabe öffnet das BMVI nun weitere Türen für Riesen-Lkw mit einem Gewicht von 60 Tonnen, die in den Nachbarländern eingesetzt werden. Das lehnt der DGB entschieden ab. Die Infrastruktur in Deutschland wäre angesichts des hiesigen hohen Verkehrsaufkommens schnell überfordert. Die Einführung solcher „Monster-Trucks“ mit Längen von mehr als 25 Metern verursachen erhebliche Kosten für den Umbau von Straßen und Brücken.

Für die Verlagerung von Gütern auf die Schiene ist die Einsetzbarkeit im Kombinierten Verkehr elementar. Das BMVI will diese Anforderung an Lang-Lkw zukünftig streichen, weil Untersuchungen der Bundesanstalt für Straßenwesen ergeben haben, dass durch Lang-Lkw keine Verlagerung von Verkehren von der Schiene auf die Straße stattfindet. Absurd ist diese Argumentation vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag ja das entgegengesetzte Ziel hat: „mehr Güterverkehr auf die umweltfreundliche Schiene verlagern“(S.77). Die Einsetzbarkeit im Kombinierten Verkehr als Anforderung an Lang-Lkw zu streichen, würde dieses Ziel des „Schienenpaktes von Politik und Wirtschaft“ (S. 77) konterkarieren.

Der DGB fordert seit zehn Jahren einen ökologisch sinnvollen Güterverkehr. In nachhaltigen Logistikketten werden Güter auf langen Strecken auf der Schiene befördert und die Straßen damit entlastet. Auch die Bundesregierung hatte im Rahmen des „Aktionsprogramms Klimaschutz 2020“ und des „Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz“ Ende 2014 Maßnahmen beschlossen, die zur Minderung des Endenergieverbrauchs im Verkehr beitragen sollen. „Diese beinhalten unter anderem die Stärkung der Verkehrsträger Wasserstraße und Schiene (inkl. einer zunehmenden Verlagerung von Güterverkehren auf die Schiene)“ (Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland, S. 165). Hintergrund war, dass der Endenergieverbrauch in der Güterbeförderung im Jahr 2014 gegenüber 2005 um 7,2 Prozent angestiegen war.

Dieser starke Anstieg ist dem Straßengüterverkehr (+ 8,8 Prozent) zuzuschreiben, während bei der Bahn und der Binnenschifffahrt der Verbrauch deutlich reduziert wurde (-5,9 Prozent bzw. -12,7 Prozent). (S. 163). Die Nachhaltigkeits-Prüfung im Entwurf– namentlich an der Managementregel 5 „Strukturwandel verträglich gestalten“ sowie den Indikatoren 7 „Wirtschaftliche Zukunftsvorsorge“ und 8 „Innovation“ ist selektiv und spart den Indikator Endenergieproduktivität aus. Diese würde ergeben, dass der Entwurf im Widerspruch zum Ziel der Bundesregierung steht, den Endenergieverbrauch im inländischen Güterverkehr bis zum Jahr 2030 um 15 bis 20 % zu senken. Dazu ist die Verlagerung von wesentlich mehr Verkehr auf Schiene und Wasserstraßen erforderlich.

Stattdessen will das BMVI die Lang-Lkw durch die Aufhebung des Überholverbotes weiter stärken. Dabei geht es nur um sehr geringe Geschwindigkeitsunterschiede bzw. Zeitgewinne. Folglich dauern die Überholvorgänge dieser verlängerten Sattelauflieger sehr lange, was nicht zuletzt aufgrund der großen Geschwindigkeitsunterschiede auf deutschen Autobahnen das Unfallrisiko erhöhen kann. Auch müssen die oft schlechten Arbeits- und Erholungsbedingungen für die Fahrer berücksichtigt werden. Solange es hier keine Verbesserungen gibt – derzeit lassen die Brüsseler Verhandlungen über der Sozialvorschriften im Rahmen des Straßenverkehrspakets dies nicht erwarten – hält der DGB jede Einschränkung von Sicherheitsvorschriften für falsch. Keinesfalls dürfen sie gegen minimalste wirtschaftliche Vorteile abgewogen werden.

Der Entwurf konterkariert eine zukunftsfähige Mobilitätspolitik also in mehrfacher Hinsicht.“

Quelle: DGB, Foto: DGB/Karel Joseph Noppe Brooks/123RF.com

 

 

 

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