BMVI-Programm: Logistikkonzept für die Zukunft

Bei der Vorstellung des Innovationsprogramms Logistik 2030 des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat Prof. Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML, ein wegweisendes Logistikkonzept präsentiert: Es soll Deutschland zur Marktführerschaft in einer Plattformökonomie verhelfen.

Die Digitalisierung und künstliche Intelligenz werden bisherige Geschäftsmodelle völlig auf den Kopf stellen. Aus dem Zusammenspiel von Plattformen, künstlicher Intelligenz und interagierenden Systemen entsteht eine Welt, in der Daten über alle Grenzen hinweg kommuniziert werden müssen. Damit deutsche Unternehmen in dieser entstehenden Plattformökonomie konkurrenzfähig sind, müssen die Weichen jetzt gestellt werden – und die Logistik wird dabei zur Schlüsselbranche. Das betonte ten Hompel am 4. September in Berlin. »Die Potenziale für den Einsatz künstlicher Intelligenz in der Logistik sind enorm und die Logistik wird die erste Branche sein, in der sich KI-Verfahren massenhaft durchsetzen werden. Wer die Logistikketten der Welt steuert, der steuert die Wirtschaft der Welt«, so ten Hompel.

»Im Privatkundenbereich (B2C) ist die Chance vertan. Plattformen wie Amazon, Uber oder Alibaba haben als Monopolisten längst gesamtwirtschaftliche Geschäfts- und Logistikprozesse übernommen. Die logistische Marktführerschaft im Bereich der B2B-Plattformen wird gerade erst entschieden. Gewinnen werden digitale Plattformen und KI-Algorithmen, die die gesamte Logistik und damit wesentliche Teile der Wirtschaft durchdringen. Es entsteht ein Silicon Valley des B2B-Wettbewerbs, die Silicon Economy«, erklärt ten Hompel weiter. Wie diese Silicon Economy konkret aussehen kann und welche Schritte jetzt nötig sind, um sie umzusetzen, hat ten Hompel in einem Impulsvortrag im Rahmen der Vorstellung des Innovationsprogramms durch Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, am 4. September im BMVI in Berlin präsentiert. Dazu gehörten auch konkrete Entwicklungen des Fraunhofer IML, in denen verschiedene Schlüsseltechnologien bereits umgesetzt sind.

Den gesamten Vortrag und die Vorstellung des Innovationsprogramms Logisitk 2030 gibt es als Video hier 

Bundesminister Andreas Scheuer und der Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik, Steffen Bilger, hatten auf einer Fachkonferenz das gemeinsam mit der Branche erarbeitete Innovationsprogramm Logistik 2030 vorgestellt.

Bundesminister Andreas Scheuer: Die Logistik boomt – weltweit, und vor allem bei uns. Aber: Wir können uns auf den Erfolgen nicht ausruhen. Aktuell steht die Logistikbranche vor großen Herausforderungen, etwa vor der gemeinsamen Aufgabe, mehr Transporte und mehr Mobilität bei weniger Verkehr zu ermöglichen. Wir wollen eine intelligente Infrastruktur vorantreiben, die Verkehrsträger noch effizienter vernetzen, mehr Güter von der Straße auf Schiene und Wasserwege verlagern – und mit alledem auch die Emissionen im Güterverkehr reduzieren. Es geht weiter darum, die Berufe weiterzuentwickeln. Nur wenn logistische Prozesse auch in Zukunft mit neuesten Technologien gut gemanagt werden, ist es möglich, an der zunehmend global orientierten Wirtschaft teilzuhaben und Arbeitsplätze zu erhalten oder neue zu schaffen.

Steffen Bilger, Parlamentarischer Staatssekretär und Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik: Die digitale Transformation der Transport- und Logistikwirtschaft ist in vollem Gange. Mit dem Innovationsprogramm legen wir den Fokus auf die Zukunft. Viele Experten aus unterschiedlichen Bereichen der Wirtschaft und der Wissenschaft haben sich in den Prozess eingebracht und engagiert. Allen Beteiligten möchte ich danken für das Engagement, die konstruktiven Diskussionen und die Beiträge, die uns dabei unterstützt haben, das Innovationsprogramm so auszugestalten, wie es heute vorliegt. Dieses Innovationsprogramm ist ein lebendes Werk, das uns für Güterverkehr und Logistik ein Leitbild für die Zukunft sein soll. Aktuelle Entwicklungen will ich aktiv in das Innovationsprogramm einbringen. Daher werde ich eine Innovationskommission unter meiner Leitung berufen, in der ich gemeinsam mit Experten aus Unternehmen und Wissenschaft das Innovationsprogramm weiterentwickeln will.

Das BMVI hat damit einen weiteren Auftrag aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Mit dem Programm werden in 10 Themenfeldern Ziele und Umsetzungsschritte dargestellt, mit denen Deutschland als Logistikstandort zukunftsfähig gemacht werden soll.

1: Digitale Infrastrukturen, Datenverarbeitung und Plattformlösungen
Maßnahmen u.a.:

  • Schaffung einer zukunftssicheren und flexibel erweiterbaren Datenaustauschinfrastruktur, über die innovative neue Informationsangebote im Bereich der Mobilität und Logistik einfach mit den verfügbaren Datenangeboten versorgt werden können.
  • Der Einsatz Künstlicher Intelligenz soll im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprogrammen des BMVI gefördert werden.

2: Verkehrsträgerübergreifendes digitales Transportmanagement – Supply Chain digital
Maßnahmen u.a.:

  • Schaffung von geeigneten Datenschnittstellen, um die Kommunikation und den datenschutzkonformen Informationsaustausch zwischen Behörden und Unternehmen auf elektronischem Weg zu ermöglichen.
  • Förderung von neutralen Plattformen und Blockchain-Lösungen, die transparente und sichere Informationsflüsse über eine globale Lieferkette ermöglichen.

3: Berufswelt der Zukunft
Maßnahmen u.a.:

  • Nachwuchssicherung durch konsequente Umsetzung der Maßnahmen in den Masterplänen Schienengüterverkehr und Binnenschifffahrt
  • Das BMVI setzt sich für die Weiterentwicklung des Förderprogramms für die Weiterbildung in Unternehmen des Straßengüterverkehrs mit schweren Nutzfahrzeugen mit Fokus auf digitale Instrumente und Informationstechnologie ein.

4: Mit innovativem Güterverkehr auf Klimaschutzkurs
Maßnahmen u.a.:

  • Das BMVI will die Fördermaßnahmen für alternative Antriebe und Kraftstoffe im Verkehrssektor ausweiten und verstetigen.
  • Das Förderprogramm für energieeffiziente und/oder CO2-arme Lkw wird verstetigt und bei Bedarf aufgestockt. Die Mautgestaltung soll deutliche Anreize für umweltfreundliche und emissionsarme Lkw setzen. Daher setzt sich das BMVI auf EU-Ebene für eine CO2-gespreizte Lkw-Maut ein.

5: Vernetzte Transportwelt
Maßnahmen u.a.:

  • KV-Umschlaganlagen in ausreichender Menge errichten bzw. ausbauen, so dass der bis 2030 prognostizierte Zuwachs des KV bewältigt werden kann. Zur schnellstmöglichen Abwicklung der Umschläge und Reduzierung der Aufenthaltszeiten aller Transport- mittel KV-Terminals digitalisieren und den Betrieb vermehrt automatisieren.
  • Errichtung bzw. Ausbau von multimodalen Zugangspunkten zur Schiene in Kundennähe und in unmittelbarer Nähe von Verkehrsknotenpunkten.

6: Schlaue Schiene, Intelligente Bahn
Maßnahmen u.a.:

  • Das BMVI unterstützt aktiv Innovationen im Schienengüterverkehr. Wichtige Maßnahmen dazu sind die Digitalisierung und Automatisierung der Zugbildung, die europaweite Einführung einer Digitalen Automatischen Kupplung, das Projekt Innovativer Güterwagen II, in dem u.a.auch Lösungsansätze für eine sichere, genaue und hochverfügbare Ortung von Einzelwagen entwickelt werden.
  • Es soll ein Testfeld für Digitalisierung und Automatisierung der Zugbildung im Schienengüterverkehr aufgebaut werden.
  • Das Projekt intelligenter Güterzug soll auf vorhandenen Erkenntnissen aus dem Innovativer-Güterwagen-Projekt aufbauen und neben der modularen Bauweise zukünftiger Güterwagen auch die technischen und rechtlichen Grundlagen für die Digitalisierung und Automatisierung des Schienengüterverkehrs schaffen.

7: Intelligente Häfen und Wasserstraßen
Maßnahmen u.a.:

  • Das BMVI erarbeitet eine neue Förderrichtlinie Innovative Hafentechnologien (Ihatec II) sowie Förderrichtlinien u.a. für Digitale Testfelder und umweltfreundliche Antriebe von Binnenschiffen und lässt Maßnahmen zu Innovationen der Logistik 4.0 unter Realbedingungen erproben.
  • Die Wirtschaft führt Machbarkeitsuntersuchungen und Einsatztests von neuen Transportsystemen wie Hyperloop und Schwerlastdrohnen durch.

8: Innovative Luftfracht
Maßnahmen u.a.:

  • Das BMVI prüft die Einrichtung eines digitalen Testfelds Flughafen nach dem Vorbild des digitalen Testfelds „Seehafen Hamburg“. Damit sollen Beteiligte in der Luftfracht-Logistikkette die Möglichkeit erhalten, neue und innovative Prozessansätze unter realen Bedingungen umfassend zu testen.
  • Das BMVI erarbeitet einen „Aktionsplan Unbemannte Luftfahrtsysteme und innovative Luftfahrtkonzepte“, um den Einsatz von automatisierten und ferngesteuerten UAS zu ermöglichen.
  • Das BMVI wird gemeinsam mit den Stakeholdern zeitnah die Voraussetzungen für die Anwendung der neuen EU-Drohnenverordnungen schaffen, die einen flexiblen Rechtsrahmen für den Betrieb der meisten Unbemannten Fluggeräte schaffen. Das Genehmigungsverfahren für kommerzielle Drohnenflüge in Deutschland wird vereinheitlicht und beschleunigt.

9: Straße der Zukunft
Maßnahmen u.a.:

  • Das BMVI schreibt den Intelligente-Verkehrs-Systeme- Aktionsplan „Straße“ fort und entwickelt erste Intelligente Verkehrsdienste auf Bundesautobahnen.
  • Das BMVI sorgt für eine Verknüpfung von meteorologischen Analysen, Modellvorhersagen sowie Daten zu Verkehrsbeeinträchtigungen und logistischer Planung mit Hilfe Künstlicher Intelligenz.
  • Auf Bundesautobahnen sollen ab 2022 auf ausgewählten Parkplätzen telematische Lkw-Parkleitsysteme sukzessive mit der Technik für intelligente Verkehrssysteme ausgestattet werden.

10: Wege auf der letzten Meile
Maßnahmen u.a.:

  • Mit einer neuen Förderrichtlinie des BMVI zur Städtischen Logistik werden Kommunen und Landkreise unterstützt bei der Erstellung von Logistikkonzepten, Machbarkeitsstudien und konkreten Einzelvorhaben im Bereich der städtischen Logistik wie zum Beispiel Mikrohubs, bei denen auch Lastenräder in der Auslieferung zum Einsatz kommen. Damit unterstützen wir auch den Einsatz von alternativen Fahrzeugen wie Lastenrädern auf der letzten Meile.
  • Das BMVI prüft, wie die Bahn und das Binnenschiff stärker miteinbezogen werden können und neue Logistikmöglichkeiten, z. B. die Nachtbelieferung von Geschäften oder den Transport von Gütern aus dem Vor- in die Innenstädte durch Röhren, unterstützen.
  • Das BMVI unterstützt die Evaluierung von lokal zu genehmigenden Pilotvorhaben zum Einsatz teleoperierter Lieferroboter im öffentlichen Straßenverkehr, um auf Basis der Ergebnisse die Schaffung des rechtlichen Rahmens für den Regelbetrieb voranzutreiben.
  • Das BMVI setzt sich dafür ein, dass Instrumente der Raumordnung und Flächennutzungsplanung mit Blick auf Bedarfe der letzten Meile angepasst werden.
  • Das BMVI setzt sich dafür ein, dass die Länder und Kommunen innovative Modellvorhaben umsetzen, z. B. zur Nutzung des ÖPNV, zur Nachtlogistik oder zur Nutzung unterirdischer Rohrwege zum Transport von Gütern.

Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe e.V. ZDS begrüßt das Innovationsprogramm Logistik 2030 und unterstützt die darin vom BMVI genannten Ziele. Aus Sicht des ZDS enthält das Programm viele Maßnahmen, die zu der Erhaltung der hohen Leistungsfähigkeit der Häfen und damit auch zur Sicherung des Logistikstandortes Deutschland beitragen werden. Wichtig ist nun eine zügige Umsetzung der Pläne, damit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen mit Blick auf die internationale Konkurrenz gestärkt wird. In diesem Zusammenhang begrüßt der ZDS auch den Kommentar von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zur EEG-Umlage. Bei der Präsentation des Innovationsprogramms Logistik 2030 sprach er sich für eine Absenkung der EEG-Umlage, die nur in Deutschland erhoben wird, auf Landstrom aus.

Für den Ausbau der Spitzenposition der deutschen Seehäfen im internationalen Wettbewerb bietet das Innovationsprogramm eine gute Grundlage. Notwendig sind aber aus Sicht des ZDS vor allem auch die Optimierung des Erhebungsverfahrens der Einfuhrumsatzsteuer sowie eine Verkürzung von Planungs- und Bauprozessen für Infrastrukturvorhaben. Deutsche Häfen sichern bundesweit über 520.000 Arbeitsplätze und generieren Umsätze in Höhe von 62 Mrd. Euro jährlich. Sie sind systemrelevant für die deutsche Wirtschaft und ihr weiterer Erfolg muss auch durch die Beseitigung von Standortnachteilen wie dem Erhebungsverfahren der Einfuhrumsatzsteuer gesichert werden.

Bezüglich der Weiterentwicklung des Innovationsprogramms Logistik 2030 hat das BMVI angekündigt, dass eine Innovationskommission unter der Leitung von Steffen Bilger MdB, parlamentarischer Staatssekretär beim BMVI und Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik, einberufen wird. Die Kommission soll aus Experten von Unternehmen und Wissenschaft bestehen.Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe e.V.

Quelle: Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, BMVI, ZDS, Foto: wuermser.communications, Diskussionsrunde (von l. nach r.): Prof. Michael ten Hompel (Geschäftsführender Institutsleiter, Fraunhofer IML), Dominik Fürste (Chief Information Officer, TX Logistik AG), Moderatorin Dr. Antje Grobe (Unternehmensleitung, Dialog Basis), Steffen Bilger MdB (Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik), Dr. Rainer Wend (Executive Vice President, Politik und Regulierungsmanagement, Deutsche Post DHL Group)