Maritime Future Summit: Evolution statt Revolution

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Wie schnell und wie stark werden Digitalisierung und Automatisierung die Schifffahrtsindustrie künftig verändern? Das Tempo bestimmt die Branche selbst.

Beim Maritime Future Summit, der im Rahmen der Weltleitmesse SMM in Kooperation mit dem Hansa International Maritime Journal durchgeführt wurde, brachten Experten die Teilnehmer auf den aktuellen Stand – und skizzierten die weitere Entwicklung.

Das Thema ist ein Dauerbrenner: Sobald es um die maritime Zukunft geht, fällt immer wieder das Stichwort „unbemannte Schifffahrt“. Doch bis dahin hat die Branche noch einen weiten Weg vor sich. Beim diesjährigen Maritime Future Summit am Vortag der SMM-Eröffnung, ging es folglich nicht nur um innovative und visionäre Technologien von morgen. Auch die notwendigen organisatorischen Maßnahmen und zahlreichen Bremsklötze im aktuellen maritimen Tagesgeschäft wurden unter dem Motto „Mind the gap – bridging disruptive technologies“ thematisiert. Keynote-Speaker Hubert Hoffmann, CIO & CDO von MSC Germany, gab in seiner Einführungsrede „New Thinking in Shipping – a liner company’s perspective“ die Richtung vor. „Nicht die Technologie an sich ist die Herausforderung, sondern das Umdenken im Kopf.“ Hoffmann veranschaulichte in seinem Vortrag, dass die wirtschaftlichen und bürokratischen Abläufe im Seefrachtverkehr seit 80 Jahren nahezu unverändert geblieben sind. Gleiches gelte für die noch immer weltweit uneinheitlichen Hafen-Anmeldeprozeduren. Seine Forderung: Veraltete, analoge Abläufe müssen digitalisiert und zu standardisiert werden.

Dieser Auffassung ist auch Referent Mark O’ Neil, CEO der Columbia Marlow Holding. „Digitalisierung wird vor allem zu einer Optimierung der Arbeitsprozesse führen.“ Sie würden sich eher als „Evolution“ und nicht – wie in den Medien vielfach suggeriert – als „Revolution“ vollziehen. Um die gewaltigen Kosten der Digitalisierung zu stemmen, riet O’ Neil in seinem Vortrag „Digitization in fleet operations – a ship manager’s perspective“ zu einer strategischen Vorgehensweise. „Ship Manager sollten dabei vor allem auf die technischen Bedürfnisse ihrer Kunden fokussiert sein.“ Dennoch dürften Entscheidungen nicht auf die lange Bank geschoben werden. Sein Credo: „Besser den richtigen Schritt zur falschen Zeit als den falschen Schritt zur richtigen Zeit.“

Wie man mit den richtigen Schritten zur richtigen Zeit zu einem echten Vorreiter wird, zeigte Ulf SiweManager von der Swedish Maritime Administration. Das staatlich geförderte Projekt Sea Traffic Management (STM) steht für einen standardisierten und automatisierten Kommunikationsstandard zwischen Schiffen und Häfen. Die Vorteile: administrative Entlastung der Crew insbesondere beim Reporting, niedrigerer Kraftstoffverbrauch durch optimierte Routenführung und synchronisierte Hafenanläufe sowie erhöhte Sicherheit (weniger Kollisionen und Grundberührungen). Außerdem: geringere Schadstoff-Emissionen. STM ist bereits auf 300 Schiffen implementiert.

Auch bei ABB Marine and Ports Business setzt man auf Performancesteigerung durch Vernetzung in Echtzeit. Der Technikkonzern bietet seinen Kunden Condition Monitoring aus der Ferne mit Unterstützung von „Augmented Reality“. Weitaus anspruchsvoller dürfte aber die Einführung der Brennstoffenzellentechnik in der Schifffahrt sein, die Mikko Lepistö, Director of Software and Automation Operations in seinem Vortrag „How to cope with disruptive markets“ angekündigt hat.
Bereits etabliert ist dagegen der „Digital Twin“. Der „digitale Zwilling“ ist ein virtuelles Schiff, dessen reale Eigenschaften am Computer simuliert werden. Dr. Pierre C. Sames, Director of Maritime Technology bei der Klassifikationsgesellschaft DNV GL, sagte: „Dadurch lässt sich das optimale Schiffsdesign für einen minimalen Kraftstoffverbrauch ermitteln oder die Lebensdauer einzelner Bauteile prognostizieren.“ Dabei gilt: Je besser der Algorithmus und je leistungsfähiger das System, desto exakter die Vorhersagen. Sames prognostiziert: „In Zukunft werden intelligente, selbst lernende Maschinen in der autonomen Schifffahrt zum Einsatz kommen.“

Noch weiter in die Zukunft blickte Kohei Matsuo, Project Director R&D beim National Maritime Research Institute in Japan in seinem Beitrag „A Technology Roadmap to 2050 – a perspective from the Far East“. Er geht davon aus, dass mithilfe von Big Data künftig ultraleichte und extrem widerstandfähige Materialien eingesetzt werden können und dadurch ganz neue Schiffstypen entstehen. Außerdem erwartet Matsuo mehr Flexibilität: „Dank 3D-Druck wird die Produktion nicht länger ortsgebunden bleiben. Jeder kann dann überall Schiffbau betreiben.“

Wenn eines Tages tatsächlich autonome Schiffe auf den Häfen oder Weltmeeren unterwegs sind, müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen stimmen. Wu Sun, Deputy General Manager der Klassifikationsgesellschaft China Classification Society (CCS), zeigte, welche möglichen Auflagen und technischen Sicherheitsanforderungen für solche Schiffe gelten müssen.

Und wie wird die Logistik-Kette der Zukunft aussehen? Christian Roeloffs, Managing Director des Start-ups Container xChange, glaubt, dass die klassischen Allrounder das Nachsehen haben werden. „Gewinner sind dann Spezialisten, die bestimmte Nischen in der Wertschöpfungskette besetzen.“ Gleichzeitig würden Online-Plattformen als Vermittler zwischen Hersteller und Endabnehmer in der Schifffahrt eine immer größere Rolle spielen.

Nick Danese, CEO des Software-Suppliers NDAR, brachte es in der abschließenden Fragerunde auf den Punkt: „Aus meiner 35-jährigen Berufserfahrung kann ich sagen: Der Wille, sich neuen Technologien zu öffnen, wird überschätzt, die Notwendigkeit dazu hingegen deutlich unterschätzt.“ Pierre C. Sames ergänzte: „Diejenigen, die in der Lage sind sich anzupassen und mit anderen Playern auf übergreifenden Systemen zusammenzuarbeiten, werden erfolgreich sein.“

Der vom Fachmagazin HANSA mitorganisierte Maritime Future Summit hat hierzu wichtige Impulse setzen können – und auf der SMM selbst haben die Teilnehmer reichlich Gelegenheit, neue Technologien live zu erleben und Kooperationen einzugehen, mit denen sie sich den Herausforderungen der Zukunft stellen können.

Quelle: Hamburg Messe und Congress GmbH, Foto: Hamburg Messe und Congress/ Nicolas Maack

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