Nachhaltige Wärmeversorgung aus dem Hafen

Die nachhaltige Wärmeversorgung von Haushalten in der Region Den Haag und von Unterglasbaubetrieben in der Region Westland auf Grundlage der überschüssige Wärme aus dem Hafen von Rotterdam kommt schneller voran als bisher.

Das niederländische Ministerium für Wirtschaft und Klima gab bekannt, dass die Gasunie die erste Phase eines Haupttransportnetzes für Wärme weiterentwickeln wird, das von der niederländischen Provinz Südholland bereitgestellt werden soll. Die gelieferte Wärme ersetzt die Nutzung von Erdgas in Häusern, Unternehmen und Gewächshäusern. Die erzielte CO2-Reduktion liefert einen bedeutenden Beitrag zur Realisierung der Klimaziele. Die erste Wärme kann voraussichtlich ab 2023 zum Kunden geliefert werden.

Die Gasunie arbeitet an der Entwicklung des Projekts ‚Leitung durch die Mitte’. Dabei handelt es sich um die zentrale Infrastruktur für die Wärmeleitung aus dem Rotterdamer Hafen nach Den Haag, mit einer Abzweigung bei Delft für die Wärmeversorgung der Unterglasbaubetriebe. Außerdem ist die neue Vondelingenplaat-Leitung geplant, um die Restwärme mehrerer Unternehmen aus dem Hafen bereitstellen zu können. Der Hafenbetrieb Rotterdam und die Gasunie arbeiten gemeinsam an dieser Entwicklung.

Diese zentrale Wärmeinfrastruktur wird reguliert und bietet Zugang zu verschiedenen Anbietern von Wärmequellen und Unternehmen, die in den umliegenden Gemeinden Wärme an Haushalte liefern; in diesem Rahmen soll die Gasunie als unabhängiger Wärmetransportnetzbetreiber fungieren. Eneco hat vor einigen Jahren die Initiative zur Entwicklung des Projekts ‚Leitung durch die Mitte’ ergriffen. Das Unternehmen überträgt der Gasunie jetzt diese Tätigkeiten. In der neuen Konstruktion konzentriert sich Eneco auf die finale Bereitstellung von Wärme für Haushalte und Betriebe in der Region Den Haag. Die beteiligten Partner gehen davon aus, dass sie 2020 einen definitiven Investitionsbeschluss fassen können.

Der niederländische Minister für Wirtschaft und Klima Wiebes bezeichnet die Entwicklung eines regionalen Wärmetransportnetzes in der Provinz Südholland in einem Brief an die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments im Hinblick auf langfristige Nachhaltigkeitsziele als vernünftig. Wiebes kündigt eine „aktive Beteiligung des Staates“ an der Realisierung der Hauptinfrastruktur an. Der Staat unterstützt das Projekt noch dieses Jahr mit 15 Mio. € und reserviert 75 Mio. € für den Zeitraum von 2020 bis 2030.

Ulco Vermeulen, Direktor Participations & Business Development bei der Gasunie: „Wärmenetze sind eine unverzichtbare Komponente im nachhaltigen Energiemix 2050. In der Provinz Südholland kann auf diese Weise relativ kurzfristig die CO2-Emission reduziert werden. Die Benennung zum unabhängigen Transportnetzbetreiber schließt an das Interesse an, das die Öffentlichkeit daran hat, dass wir mit unseren Infrastrukturkenntnissen und unserer Erfahrung zu den Klimazielen beitragen. Sie passt perfekt zu unseren Ambitionen, uns zu einem breit orientierten öffentlich zugänglichen Energieinfrastrukturunternehmen weiterzuentwickeln. Außer auf Erdgas und aus Biogas gewonnenem Gas in Erdgasqualität konzentrieren wir uns auch auf den Transport von Wasserstoff, Flüssigerdgas und CO2, wobei die Partner jetzt auch diskriminierungsfreien Zugang zur Lieferung von Wärme erhalten.”

Kees-Jan Rameau, Chief Strategic Growth Officer bei Eneco: „Als ursprünglicher Initiator freuen wir uns darüber, dass unser Projekt so großen Anklang findet. In unserer neuen Rolle als Teilnehmer des Projekts ‚Leitung durch die Mitte’ werden wir unseren Bestandskunden in der Region Den Haag nachhaltige Wärme anbieten. Außerdem arbeiten wir daran, die Anzahl der Kunden in Südholland, die nachhaltige Wärm abnehmen, zu seigern. Das schließt an unsere Bestrebungen an, den Umschwung in den Niederlanden zu fördern.”

Allard Castelein, CEO des Hafenbetriebs Rotterdam: „Um die Industrierestwärme nutzen zu können, brauchen wir neue Infrastruktur. Mit staatlicher Unterstützung setzen wir jetzt einen wichtigen Schritt für die Entwicklung eines regionalen Wärmenetzes. Im Hafen ist ausreichend Wärme verfügbar, um 500.000 Haushalten und eines wesentlichen Teils der Unterglasbaubetriebe versorgen zu können. Damit lässt sich eine jährliche CO2-Reduktion von 2 bis 3 Mio. t realisieren.”

Ein Haupttransportnetz für Wärme ist eine mit warmem Wasser gefüllte Leitung. Sie führt zu zentralen Orten, an denen Wärmeunternehmen die Wärme abnehmen und dann durch ein feineres Leitungssystem zum Kunden liefern.

‚Leitung durch die Mitte’ erhält eine Kapazität von 250 MW und wird damit einen Teil des Wärmebedarfs in den Regionen Westland und Den Haag decken. Der Rotterdamer Hafen verfügt über genug Restwärme, um auch den zukünftig zunehmenden Wärmebedarf decken zu können.

Inzwischen arbeitet die Industrie an einer nachhaltigen Gestaltung der Produktionsprozesse. Auch dabei wird nachhaltige Restwärme freigesetzt, die anschließend zur Beheizung von Haushalten und Unternehmen verwendet werden kann. Da die Industriewärme immer in ausreichendem Umfang verfügbar bleibt, sind Wärmenetze zukunftsbeständig.

Quelle: Port of Rotterdam, Foto: Port of Rotterdam/ Paul Martens

 

 

 




Klimawandel und Standortpolitik

Für die Veranstalter Kompetenznetz Logistik.NRW, seinem Trägerverein LogIT-Club e.V. und dem Verband Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL) NRW e.V. begrüßte Dr. Christoph Kösters, Manager des Kompetenznetzes und Hauptgeschäftsführer des VVWL rund 100 Entscheider aus Schifffahrt, Häfen, Logistik und der Industrie.

Kösters betonte, dass es gerade in Zeiten der umfangreichen Debatten über das Klima und eine „Verkehrswende“ wichtig sei, dass Politik und Wirtschaft sowie Akteure der Logistikwirtschaft und Branchenverbände untereinander das Gespräch suchten und gemeinsam Lösungsvorschläge diskutierten. Den alternativen und umweltfreundlichen Verkehrsträgern Binnenschifffahrt und Schiene komme hierbei eine besondere Rolle zu. „Eine Klimapolitik, die heimische industrielle Wertschöpfung  und Logistikprozesse so erschwert, dass sie hier keine Zukunft haben, würde nur zur Standortverlagerung und in der Gesamt-Klimabilanz zu im Zweifel noch höheren Weltemissionen, etwa an CO2, führen“, mahnte Kösters und forderte nachhaltige Ansätze und deutlich schnellere Umsetzung von Infrastrukturinvestitionen, damit auch in Zukunft NRW und Deutschland ein wettbewerbsfähiger Industrie-und Logistikstandort und zugleich ein Vorreiter in Sachen Klimapolitik sein könne.

Als langjähriger Kooperationspartner des Forums und Mitglied des Kompetenznetzes Logistik.NRW hob Burkhard Landers, Präsident der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer Duisburg-Wesel-Kleve zu Duisburg,  in seiner Eröffnungsrede die große Bedeutung der Schifffahrt und der Logistik hervor: „Unsere hoch spezialisierten Logistik-Dienstleister sind für die Unternehmen der Schlüssel für das Tor zur Welt. Ohne ihren Erfindungsreichtum und die großen Fortschritte, die Effizienz zu steigern, könnten viele Industriebetriebe schon lange nicht mehr in NRW produzieren. Landers ging insbesondere ein auf die Wichtigkeit des Projekts „Sohlenstabilisierung des Rheins zwischen Duisburg und Stürzelberg“ und auf die Notwendigkeit eines Sonderprogramms „Schleusensanierung“ und eines Masterplans für den Umgang mit Niedrigwasser ein. So ginge es nicht an, dass Unternehmen wie evonik Schleusen reparierten, um das Schleusennetz zu nutzen. Insgesamt bestehe zudem die Sorge, dass durch aktuelle Gesetzesvorhaben des Landes erneut Hafen- und Terminalbetreiber einseitig belasten werden.

Als Keynote-Speaker der Veranstaltung des Kompetenznetzes Logistik.NRW unterstrich Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW, wie wichtig es ist, Vorschläge zur Verbesserung des Klimaschutzes  in ihren Wirkungen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu betrachten. Der Klimaschutz habe in NRW schon lange hohe Priorität und werde weiter forciert, um die Ziele des Pariser Klimaüberreinkommens zu erreichen. Die Eindämmung des menschgemachten Klimawandels und die Anpassung an die nicht mehr aufzuhaltenden Klimaänderungen seien die großen Herausforderungen unserer Zeit. Als einen wichtigen Baustein nannte sie möglichst emissionsarme Antriebstechniken aller Verkehrsträger. Die Binnenschifffahrt sei durch Wetterextreme und in der Folge Hoch- sowie Niedrigwasserstände direkt vom Klimawandel betroffen, zugleich aber auch Teil der Lösung. Eine Umrüstung älterer Schiffsaggregate zur Minderung der Emissionen sei ein weiterer Schritt dahin, den Verkehrsträger Binnenschiff noch umweltfreundlicher zu gestalten. Dies stelle gerade für kleinere und mittelständische Unternehmen eine große Herausforderung dar. Das müsse bei der zukünftigen Entwicklung der Fördermöglichkeiten berücksichtigt werden.

In seinem Impulsvortrag „Der Industrie- und Logistikstandort NRW und Nachhaltigkeit“ erklärte Ingo Brauckmann, CEO Business Unit Logistik, thyssenkrupp Steel Europe AG die Pläne seines Unternehmens, die Stahlproduktion künftig beispielsweise durch teilweise Substitution von Kohle durch Wasserstoff und mittels Lichtbogenöfen klimaneutraler zu gestalten. „Wir fühlen uns von der Politik auf allen Ebenen sehr ernst genommen, was auch am Masterplan Binnenschifffahrt deutlich wird – dieser muss jedoch auch umgesetzt werden“, appellierte er an die Verantwortlichen in der Politik. Einen gut dreistelligen Millionenbetrag habe den Konzern das Niedrigwasser im Jahr 2018 gekostet, sagte Brauckmann. Für rund 80 Prozent der Transporte setzt das Unternehmen Bahn und Schiff ein, insbesondere über die zwei eigenen Rheinhäfen. Inzwischen habe man nach den erfahrungen 2018 Vorsorge getroffen: Neue Leichter wurden und werden beschafft, Schiffe umgerüstet und vor allem die Bahnversorgung sichergestellt. „Es gibt aber keine echte Alternative zum Rhein“, so Brauckmann. Nur mit der Bahn lasse sich vor allem die Rohstoffversorgung nicht darstellen.

In der ersten Podiumsrunde diskutierten unter dem Titel „Standortpolitik und maritimer Logistik- und Wirtschaftsstandort NRW: Praxis und Politik im Dialog“ neben Ministerin Ursula Heinen-Esser und Ingo Brauckmann auch Ulrich Reuter (MdL), Sprecher für Binnenschifffahrt, FDP-Landtagsfraktion NRW, sowie Steffen Bauer, Senior Vice President Operations Shipping & Deputy COO, Imperial Logistics International unter der Moderation von Sebastian Reimann, Chefredakteur der Deutschen Verkehrs-Zeitung DVZ. Steffen Bauer betonte, dass aufgrund der begrenzten Ressourcen sehr priorisiert gearbeitet werden müsse. Um Rückverlagerungen vom Binnenschiff auf andere Verkehrsträger zu vermeiden, müsse das Binnenschiff konkurrenzfähig bleiben, beispielsweise infrastrukturseitig durch beschleunigte Baumaßnahmen. Ulrich Reuter betonte, dass trotz der endgültigen Handlungskompetenz des Bundes das Land NRW viel für den Verkehrsträger Binnenschiff getan habe. Hinsichtlich der öffentlichen Diskussion sei das langanhaltende Niedrigwasser – so schlimm es auch für Branche und Industrie war – sehr förderlich für die Aufmerksamkeit für das Thema notwendiger Infrastrukturausbau gewesen. Beide betonten die Wichtigkeit effizienter Zusammenarbeit und den Schulterschluss der Industrie und Verbänden mit der Politik zur Erreichung der ambitionierten Klimaziele.

Nach einer kurzen Netzwerkpause trafen sich zur zweiten Podiumsdiskussion unter dem Motto „Masterpläne Eisenbahn und Binnenschifffahrt – ein Erfolgsmodell?“ Dr. Arndt Glowacki, Director Logistics ESHQ Evonik Technology & Infrastructure GmbH / Vorsitzender Arbeitsgemeinschaft Häfen in Nordrhein-Westfalen des BÖB; Achim Wehrmann, Stv. Abteilungsleiter Wasserstraßen, Schifffahrt im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur; Roberto Spranzi, Vorstand DTG Deutsche Transport-Genossenschaft Binnenschifffahrt eG / Vize-Präsident BdB; Wolfgang Birlin, Geschäftsführer RheinCargo GmbH & Co. KG sowie Werner Spionkowski, Geschäftsführer Ruhrmann Logistik GmbH / Vorsitzender Fachausschuss Binnenhafenlogistik im Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV).

Wolfgang Birlin machte deutlich, dass neben strategischen Masterplänen auch kurzfristige Maßnahmen beispielsweise bei der Darstellung der Berufe in der Binnenschifffahrt dringend erforderlich seien, wobei er die Verbände, aber auch die Unternehmen selbst in der Pflicht sah. Verbesserungen durch Digitalisierung sah er insbesondere hinsichtlich des Kombinierten Verkehrs: „Immer, wenn mehrere Verkehrsträger miteinander arbeiten, beschleunigt ein offener Datenaustausch nicht nur die Prozesse, er sorgt auch gleichzeitig für mehr Sicherheit.“

Dr. Arndt Glowacki lobte den gelungenen Dialog bei der Erstellung des Masterplans, dessen Umsetzung aber auch zeitnah durch die Akteure überprüft werden müsse. Es gelte zudem, den Zwiespalt zwischen Personalmangel und notwendigem Fortschritt zu überbrücken. Die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt arbeite insgesamt gut, aber es fehlen weiterhin zahlreiche Planstellen.

Roberto Spranzi betonte, dass die Straße dringend entlastet werden müsse, hierzu sollten Projekte der Wasserstraße nach dem Ausmaß ihres jeweiligen Nutzens priorisiert werden. Er verwies hierzu auch auf nach Kosten-Nutzen-Bewertung hochprofitable Projekte wie die Sohlenstabilisierungen an Niederrhein und Mittelrhein im Vergleich zu einem Projekt wie dem Elbe-Lübeck-Kanal. Auch digitale Maßnahmen könnten Erleichterungen bringen, wenn beispielsweise bei der Beladung des Binnenschiffs die Schleuse sowie der Kranführer des Empfängers bereits über die Ankunftszeit informiert seien. „Containerverkehre sind ideal für das Binnenschiff. Wegen zu geringer Durchfahrtshöhen von Brücken können die bereits bestehenden Kapazitäten jedoch nicht ausgenutzt werden“, mahnte er das heute noch oft verschenkte Potenzial an. Ebenso bedauerte er, dass die Negativbescheinigung beim Schwerlastverkehr entfallen sei. Dieser Verfahrensschritt habe in der Vergangenheit große Mengen Schwergut auf das Fluss- und Kanalnetz gebracht. Stattdessen würden heute aufgrund der maroden Infrastruktur Lkw hunderte von Umweg-Kilometern fahren.

Werner Spionkowski stellte fest, dass die Verbesserung des Images der gesamten Logistik nunmehr in den Fokus der Öffentlichkeit gestellt werden müsse. Der  Mengenrückgang der Binnenschifffahrt in 2018 sei nicht nur dem extremen Niedrigwasser und den daraufhin erstellten Sicherheitskonzepten der betroffenen Verlader sowie der damit verbundenen Verlagerung auf andere Verkehrsträger geschuldet, vielmehr gebe es einen marktweiten Rückgang bei bestimmten Massengütern, beispielsweise bei der Kohle.

Achim Wehrmann hob hervor, dass sich die Lösungsaspekte der Masterpläne Binnenschifffahrt und Schienengüterverkehr ähnelten. Zur Umsetzung sei eine entsprechende Finanzierung notwendig, hier sei das Parlament bei den haushalterischen Entscheidungen gefragt. Bislang sei das Verhältnis zwischen dem tatsächlichen Bedarf und dem vorhandenen Budget, aber auch zu den tatsächlich planerisch und baulich abrufbaren Mittel in einer Schieflage gewesen. In der Vergangenheit habe es lange Versäumnisse zur Ertüchtigung der Infrastruktur gegeben, mittlerweile habe sich jedoch die politische Sichtweise deutlich geändert und die Planverfahren seien deutlich weniger komplex geworden.

Quelle und Foto: VVWL