Rhein ist Lebensader der Wirtschaft

Verkehrsminister Dr. Volker Wissing ist in diesem Jahr Gastgeber der Länderkonferenz Rhein, zu der die Landesverkehrsminister aus Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg sowie der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Steffen Bilger, ins Kurfürstliche Schloss nach Mainz gekommen waren. Für die Niederlande wurde Cora van Nieuwenhuizen, Ministerin für Infrastruktur und Wasserwirtschaft, per Video zugeschaltet. Zum Leitthema „Rheinkorridor trifft Seidenstraße“ berieten Experten aus der Hafen- und Logistikbranche.

„Das Herz der produzierenden Wirtschaft und des Warentransports in Deutschland schlägt entlang des Rheins. Wir brauchen verlässliche Lieferketten und wir brauchen dazu den Rhein als leistungsfähige Wasserstraße“, sagten die Landesverkehrsminister und wiesen mit Nachdruck darauf hin, dass die Infrastrukturprojekte am Rhein zügiger umgesetzt werden müssten. Mit der Neuen Seidenstraße würden sich auch die Warenströme im Rheingebiet verändern. „Dafür sollten wir gut gerüstet sein“, so die Minister. Umso dringlicher sei es, den Rhein als Wasserstraße höchsten europäischen Ranges für die Binnenschifffahrt noch besser nutzbar zu machen.

„Wenn wir Deutschland und Europa als Industriestandort stärken wollen, müssen wir den Infrastrukturprojekten am Rhein schleunigst mehr Aufmerksamkeit widmen, auch aus ökologischer Sicht“, warnten die Landesverkehrsminister. Der Rhein sei eine der bedeutendsten europäischen Verkehrs- und Wirtschaftsachsen. „Wir brauchen den Rhein, um als konkurrenz- und wettbewerbsfähiger Industriestandort weiterhin bestehen zu können.“

Entlang der Rheinachse haben sich die logistischen und die wirtschaftlichen Hotspots in Deutschland entwickelt. Bei vielen Unternehmen ist die Nähe zu den leistungsfähigen Verkehrswegen das entscheidende Kriterium für ihre Zukunftsperspektiven. Der Rheinkorridor sorgt somit für Beschäftigung in unserem Land, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Logistikbranche.

Anrainerländer und Global Player setzten auf die Nähe zum Rhein. Das Niedrigwasser der vergangenen Jahre habe gezeigt, dass Handlungsdruck bestehe. Die schon heute stark frequentierten Straßen- und Schienennetze könnten das weiter steigende Güterverkehrsaufkommen auf dem Rhein-Alpen-Korridor nicht mehr aufnehmen.
Wissing erinnerte an die Abladeoptimierung am Mittelrhein bei St. Goar, die mit einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von über 30 eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte im aktuellen Bundesverkehrswegeplan sei. Er mahnte, dass die Planungen seitens des Bundes hier zu schleppend vorankämen, die Personalstärke bei der WSV des Bundes für eine zügige Umsetzung bei weitem nicht ausreichten.

Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau:

„Wir müssen den Rhein als Transportachse unbedingt im Blick haben und ihn leistungsfähig halten. Sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus ökologischen Gründen. Wir brauchen sichere und zuverlässige Lieferketten zur Versorgung der Unternehmen und der Menschen, wir brauchen eine starke Transportachse für die Wirtschaft und wir können bei steigendem Güterverkehr nicht allein auf Schiene und Lkw setzen“, sagte Wissing. Bereits jetzt sei die Belastung der Bewohner im Mittelrheintal durch Bahnlärm sehr hoch, für eine Alternativtrasse fehle jedoch eine konkrete Realsierungsperspektive. „Die Stärkung der Binnenschifffahrt muss auch aus diesem Grund oberste Priorität haben.“

Hendrik Wüst, Minister für Verkehr, Nordrhein-Westfalen:

„Es muss mit mehr Tempo daran gearbeitet werden, dass der Rhein und die Kanäle mit ihrem großen Transport-Potenzial verlässliche Verkehrswege bleiben. Planung, Baurechtschaffung und Umsetzung für die Sohlstabilisierung sowie die zwingend notwendige Sanierung der Wasserstraßeninfrastrukur generell müssen schneller gehen. Außerdem brauchen wir mehr Verlässlichkeit und Transparenz, was die Zeitpläne der WSV-Projekte angeht. Die Planungs- und Umsetzungsdauer drohen sonst zu seinem Standortrisiko zu werden. Nordrhein-Westfalen investiert in die Erforschung des autonomen Binnenschiffs. Die hieraus gewonnen Erkenntnisse sollten gemeinsam mit den Erkenntnissen vergleichbarer Projekte in anderen Bundesländern und benachbarten Staaten diskutiert werden. So können wir die Digitalisierung schnell voranbringen.“

Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, Hessen:

„Das Binnenschiff ist ein umweltfreundliches Verkehrsmittel. Um die Transportkapazitäten auf dem Rhein auszuschöpfen, ist die Optimierung der Abladetiefe am Nieder- und Mittelrhein zwingend erforderlich. Wenige Untiefen sorgen dort dafür, dass die Schiffe bei Niedrigwasser auf der gesamten Strecke von der Nordsee bis zum Main weniger laden als sie könnten. Es gibt im gesamten Bundesverkehrswegeplan kein anderes Projekt mit einem annähernd so guten Kosten-Nutzen-Verhältnis, und trotzdem nimmt dieses Projekt weiterhin nicht genügend Fahrt auf. Wir brauchen dort endlich mehr Tempo!“

Winfried Hermann, Minister für Verkehr, Baden-Württemberg:

„Der Klimaschutz ist die zentrale Herausforderung für den weltweit vernetzten Verkehrssektor. Die Binnenschifffahrt kann einen großen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten und gleichzeitig die Straßen und überlastete Schienenwege sowie deren Anwohnerinnen und Anwohner entlasten. Um die Binnenschifffahrt zukunftssicher zu machen, müssen die Wasserstraßen, aber auch die Schiffe und ihre Antriebe klimafreundlich modernisiert werden.“

Quelle: Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, Foto: MWVLW-RLP / Jan Hosan




Zweiter Maritimer Parlamentarischer Abend

„Der Nord-Ostsee-Kanal ist und bleibt von größter Bedeutung, vor allem für die deutschen Nordseehäfen und damit für ganz Norddeutschland. Daran ändern auch konjunkturbedingt schwankende Durchfahrten nichts“, sagte Klaus-Hinrich Vater, Präsident der IHK zu Kiel, beim zweiten Maritimen Parlamentarischen Abend der IHK Schleswig-Holstein. Thema: die herausragende wirtschaftliche Bedeutung des NOK für Hamburg und Schleswig-Holstein.


Gäste aus Bundes- und Landespolitik betonten gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft, dass in Zeiten von Routenoptimierung und steigendem Klimabewusstsein die Ertüchtigung und effektive Vermarktung des Kanals von großer Bedeutung sind. Ihre Potenziale behalte die international bedeutende Wasserstraße trotz rückläufiger Schiffsbewegungen, sagte Vater. „Um die Leistungsfähigkeit des Kanals auch zukünftig zu sichern, sind vor allem Investitionen in den Erhalt der Infrastruktur und Maßnahmen zur Fachkräftesicherung nötig“, mahnte er. „Das erfordert jetzt die richtigen Weichenstellungen von Politik und Verwaltung.“

Das bekräftigt Norbert Brackmann, Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft: „Die gerade durch die EU beschlossene Einbeziehung des Seeverkehrs in das System der Abgaben auf Emissionen (ETS) trägt weiter zur hohen Attraktivität des NOK bei. Der Kanal verkürzt nicht nur die Fahrtzeit zwischen Nord- und Ostsee um etwa die Hälfte, sondern trägt direkt zur Kosteneinsparungen bei: Kürzere Fahrtzeiten, geringere Treibstoffkosten, gleichzeitig weniger schädliche Emissionen – das ist gut für das Klima und die Umwelt.“ Der NOK habe auch mehr als 125 Jahre nach seiner Einweihung nichts von seiner Bedeutung eingebüßt. „Damit er seine herausragende Stellung als meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt behält, müssen wir seine Attraktivität erhalten. Dazu gehört eine funktionierende Infrastruktur genauso wie Gebühren, die mit Augenmaß erhoben werden. Die Aussetzung der Befahrensabgabe bis Ende des Jahres ist ein erster richtiger Schritt. Klar ist aber auch, dass weitere Schritte folgen müssen“, macht Brackmann deutlich.

Wirtschaftsminister Dr. Bernd Buchholz sagte: „Der NOK hat eine weite wirtschaftliche Strahlkraft, die über die Ländergrenzen hinaus spürbar ist. Nicht nur die Häfen profitieren vom Kanal, sondern auch die Werften, Zulieferer und Handwerksbetriebe. Und auch das ‚Hinterland‘ spürt die externen Effekte beim Tourismus oder in der Gastronomie. Der NOK ist mittlerweile ein beliebtes Ausflugsziel, um die großen Schiffe aus nächster Nähe zu bestaunen oder auf den Ausflugsschiffen einmal quer durchs Land zu fahren. Deswegen setzen wir uns stetig beim Bund dafür ein, dass die Bauvorhaben und Projekte weiter vorangetrieben werden, um den Kanal noch attraktiver zu gestalten. Dazu gehört der bereits begonnene Neubau der 5. Schleusenkammer Brunsbüttel oder die geplante Vertiefung des NOK.“

Ingo Egloff, Vorstandsmitglied bei Hafen Hamburg Marketing e.V., erläutert die Bedeutung des Kanals für Deutschlands größten Hafen: „Der NOK ist eine der Lebensadern für den Hamburger Hafen. Ohne den NOK hätte Hamburg nicht diese starke Drehscheibenfunktion für den Ostseeraum. Der kurze Weg für die Feederschiffe durch den NOK in die Ostsee und zurück sichert dem Hamburger Hafen die Hub-Funktion und ist neben den guten Hinterlandverbindungen per Eisenbahn einer der wichtigsten Faktoren im Wettbewerb Hamburgs mit den anderen Häfen. Der Hamburger Hafen braucht den NOK.“

Frank Schnabel, Geschäftsführer von Brunsbüttel Ports, unterstrich die Bedeutung der Wasserstraße für die Häfen und Gewerbestandorte: „Der Nord-Ostsee-Kanal ist mit knapp 28.800 Schiffspassagen im Jahr 2019 weiterhin die mit großem Abstand meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Für den Hamburger Hafen hat er eine bedeutende Funktion als Transitwasserstraße zwischen Nord- und Ostsee. Ebenso nimmt der Kanal eine herausragende Bedeutung für die durch ihn verbundenen Häfen und auch für die Industrieunternehmen ein, die über die Kanalhäfen versorgt werden. Ohne einen funktionierenden und erreichbaren Kanal wären sowohl die Häfen als auch die Betriebe, die zahlreiche Industriearbeitsplätze sichern und Wertschöpfung in Schleswig-Holstein generieren, abgeschnitten.“

In der anschließenden Gesprächsrunde vertieften die Teilnehmer die Bedeutung des Kanals: Schwerpunkte lagen auf der Zukunftsperspektive Klimaschutz, der Wasserstraße als Wirtschaftsfaktor für Häfen in der Region, Gewerbegebiete und Tourismuspotenziale. Transporte auf dem Wasser weisen eine deutlich bessere Klimabilanz auf als Transporte an Land. Vor diesem Hintergrund kritisierte IHK-Präsident Vater die Dauer von Infrastrukturvorhaben in Deutschland: „Planung und Genehmigung der aktuellen Elbvertiefung haben 16 Jahre gedauert. Die Instandsetzung der Schleusen am Nord-Ostsee-Kanal und die Verbreiterung der Oststrecke sollen erst 2030 abgeschlossen sein. Wir müssen bei Großprojekten in Deutschland wieder mehr zeitliche Verlässlichkeit erreichen“, forderte er.

Für die Wirtschaft sei der Kanal kein Auslaufmodell. Im Gegenteil: „Wir in Schleswig-Holstein wollen die Antriebswende. Diese wollen wir nicht nur auf der Straße oder der Schiene – wir wollen sie auch auf dem Wasser. Wir entwickeln Technologien, wir haben innovative Werften und wir haben einen Kanal, an dessen Verlauf sich diese alternativen Treibstoffe bunkern und somit die Emissionen verringern lassen,“ entwarf Vater eine Zukunftsvision.

Quelle: IHK Kiel,  Foto: IHK Kiel/ Peter Lühr, v.l.n.r.: Klaus-Hinrich Vater, Präsident IHK Kiel; Norbert Brackmann, Maritimer Koordinator der Bundesregierung; Frank Schnabel, Vorsitzender des Gesamtverbandes Schleswig-Holsteinischer Häfen, Ingo Egloff, Vorstand Hafen Hamburg Marketing