IHK Schleswig-Holstein zur maritimen Wirtschaft

Big Data, Automatisierung, emissionsfreie Schifffahrt, Häfen 4.0, Offshore-Energie – an Zukunftsfeldern mangelt es der maritimen Wirtschaft nicht. Umso größer ist das Potenzial für Digitalisierung: Gemeinsam mit Unternehmen und Fachleuten hat die IHK Schleswig-Holstein ein Positionspapier zur digitalen Transformation in der maritimen Wirtschaft vorgelegt und es im Rahmen des 3. Maritimen Parlamentarischen Abends vorgestellt.

„Unsere maritime Wirtschaft hat durch die Tradition und ihre große Vielfalt beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft – allerdings nur, wenn wir die Digitalisierung auch ernsthaft vorantreiben. Wir müssen datengetriebene Geschäftsmodelle entwickeln und auch unsere Haltung zum Datenschutz grundlegend ändern, sonst werden wir aus dem Fahrwasser der anderen überhaupt nicht mehr rauskommen“, sagt IHK-Vizepräsident Klaus-Hinrich Vater.

Zwar sei der Investitionswille in den Unternehmen vorhanden, es bedürfe aber der richtigen Rahmenbedingungen und innovativer, unbürokratischer Konzepte, um international nicht abgehängt zu werden. Die Verknüpfung von digitalisierten Daten und die Echtzeitkommunikation auf See und mit dem Land eröffne ganz neue Geschäftsfelder. In der Hafenlogistik verkürze die Digitalisierung Wartezeiten. Echtzeitdaten aus der Meerestechnik und Aquakultur böten die Chance auf neue Erkenntnisse. Vater: „Die Herausforderungen für Schiffbau, maritime Dienstleistungen, Häfen und Verwaltungen sollten wir nicht als Hindernis, sondern als eine Chance betrachten. Glasfaser und Hochleistungsmobilfunk müssen aber zügig ausgebaut werden. Hier brauchen wir eine hohe Investitionsbereitschaft. Die Infrastruktur darf nicht länger das digitale Nadelöhr sein.“

Auch Norbert Brackmann, maritimer Koordinator der Bundesregierung, beschreibt die digitale Infrastruktur als Grundvoraussetzung: „Vernetzung, Big Data, autonome Systeme und Robotik bilden die Basis für Bau, Betrieb und Wartung von Schiffen und maritimer Infrastruktur – onshore und offshore. Der Bund unterstützt mit seinen Förderprogrammen die Digitalisierung – auf See und in den Häfen. Das macht Schiffe und Logistik schneller und effizienter. Und ist gut für unsere Umwelt und das Klima.“ Gleichzeitig wachse die Bedrohung durch Cyberkriminalität. Diese stelle neue Anforderungen an den Sicherheitsrahmen. Brackmann: „Deutschland muss sich deshalb frühzeitig in internationale Abkommen und Standardisierungsprozesse einbringen.“

Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Dr. Bernd Buchholz sieht in der Digitalisierung und den damit verbundenen Innovationen vor allem großes Potenzial: „Erst vor wenigen Tagen durfte ich bei der Hitzler-Werft in Lauenburg den Prototypen eines Offshore-Zubringers besichtigen, der mit einer einzigartigen Technologie den Seegang ausgleichen und damit beispielsweise den Crew-Wechsel auf hoher See auch bei schlechtem Wetter ermöglichen kann. Das ist hochinnovativ, chancenreich und zukunftsträchtig – ebenso wie die jüngste Entwicklung eines autonomen und emissionsfreien Boots auf der Schlei durch ein Schleswiger Start-up“, so Buchholz. Dies seien Themen, die vor allem die Werftenbranche auf ihr Radar nehmen müsse. „Denn auch im Bereich der Schifffahrt werden erneuerbare Energien und intelligente Antriebe eine Schlüsselrolle einnehmen – und genau da können wir vorn mitspielen und wieder auf die Überholspur kommen.“

Besonderer Bedeutung kommt dabei den Häfen als Schnittstellen und Testfeldern zu. „Die Häfen nehmen eine zentrale Rolle in der gesamten Transportkette ein. Das führt dazu, dass sich die Häfen immer mehr zu einer Datendrehscheibe entwickeln“, sagt Prof. Dr. Sebastian Jürgens, Geschäftsführer der Lübecker Hafen-Gesellschaft mbH. Die elektronische Datenkommunikation unter allen Akteuren der Transportkette finde heute nahezu in Echtzeit statt und sei unabdingbar, um die kurzen Umschlags- und Liegezeiten zu ermöglichen. Das trage dazu bei, die Abläufe, Prozesse und Flächennutzung im Hafen zu harmonisieren, neue Geschäftsprozesse in der Transportkette zu etablieren und die Folgeprozesse beim Kunden zu optimieren.

Sowohl beim Bau als auch bei der Konstruktion von Schiffen sei es notwendig, riesige Datenmengen zu bewegen, um Material und Informationen zusammenzubringen, betont Andreas Burmester von der Thyssenkrupp Marine Systems GmbH. „Ohne Digitalisierung würde es heute in Deutschland keinen Marineschiffbau mehr geben. Bei konventioneller Vorgehensweise mit Papier und Bleistift würden Projekte nicht mehr Jahre, sondern Jahrzehnte dauern“, sagt Burmester. Mit zunehmender Veränderung in der Gesellschaft forderten Mitarbeitende mehr Homeoffice. „Das ist heute und in Zukunft nur durch leistungsfähige und sichere IT-Infrastruktur möglich. Insofern handelt es sich um einen echten Wettbewerbsfaktor für Unternehmen aus dem Schiffbau.“

Die maritime Wirtschaft kann neben Schiffbau und Hafenwirtschaft mit vielen weiteren zukunftsweisenden Themen aufwarten. Nele Dageförde, Geschäftsführerin der TransMarTech Schleswig-Holstein GmbH, dazu: „Für mehr Innovationspotential in der maritimen Branche müssen wir erkennen, dass neben den klassischen Kernthemen Mobilität und Logistik die größten Potenziale in den Themen Meeressäuberung, Biomaterialien und Nahrungsmittel aus dem Meer liegen. Hier warten Herausforderungen mit globaler Reichweite darauf, gelöst zu werden. Wenn wir die vorhandenen Kompetenzen aus Wissenschaft und Wirtschaft nutzen und uns für neue Wege der interdisziplinären Zusammenarbeit entscheiden, kann die maritime Wirtschaft in Schleswig-Holstein im internationalen Vergleich eine echte Vorreiterrolle einnehmen.“

Das Forderungspapier der IHK Schleswig-Holstein ist abrufbar unter www.ihk-sh.de/maritime-digitalisierung. Neben Problembeschreibungen sowie Daten, Zahlen und Fakten zur Digitalisierung finden sich darin Trends, aber auch Ideen, Projekte und Forderungen der Wirtschaft.

Quelle: IHK Schleswig-Holstein, Foto: BMWI/ Susanne Eriksson, Norbert Brackmann. Koordinator der Bundesregierung für die Maritime Wirtschaft

 




Mobilitätsstudie zu geräuscharmer Logistik

Die Landesregierung unterstützt die Entwicklung von innovativen Citylogistik-Konzepten für einen nachhaltigen Güter- und Lieferverkehr in Innenstädten. Ziel ist es, Waren möglichst stadtverträglich und verkehrssicher auszuliefern sowie Verkehrsflüsse weiter zu verbessern. Jetzt hat Verkehrsminister Hendrik Wüst MdL einen Zuwendungsbescheid über 506.700 Euro an das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML für eine Mobilitätsstudie zu geräuscharmer Logistik übergeben.

„Wir machen Nordrhein-Westfalen zur Heimat der Mobilität 4.0 und nutzen die Chancen der Digitalisierung“, so Verkehrsminister Hendrik Wüst MdL. „Dank innovativer und nachhaltiger Mobilitätslösungen zur City-Logistik können Lkw mit alternativen Antrieben Geschäfte während Tagesrandzeiten und nachts so beliefern, dass der Verkehr in den Städten besser fließt. Freie Straßen heißt auch mehr Ruhe für Anwohner. Das steigert die Lebensqualität in den Städten. So wird Mobilität besser, sicherer und sauberer.“

Professor Dr. Alex Vastag, Leiter Verkehrslogistik im Fraunhofer IML: „Stadtlogistik muss nicht laut sein. Innovative und nachhaltige Lösungen für geräuscharme Logistik in Innenstädten sind erforderlich und auch realisierbar. Mit der vom Ministerium für Verkehr geförderten Studie wollen wir es erleichtern, freie Räume und freie Zeiten für die Belieferung zu nutzen. Für Unternehmen werden Anreize geschaffen, vermehrt Lkw mit alternativen, umweltschonenderen Antrieben einzusetzen.“

Ein Ziel des bewilligten Projektes ist es, festzulegen, wie Geräuschemissionen bei Liefervorgängen gemessen werden sollen. Dabei werden Musterfälle für eine Belieferung in der Nacht definiert und Realmessungen mit ausgewählten Fahrzeugen durchgeführt. Neben Elektro-Lkw werden auch weitere verfügbare alternative Antriebe wie Gas und Hybrid einbezogen.

Im Ergebnis wird mit Kommunen und Unternehmen in Nordrhein-Westfalen eine Handreichung mit empfohlenen Berechnungsverfahren erstellt. Diese soll das Genehmigungsverfahren in Kommunen vereinfachen und Unternehmen eine Verlagerung von Güterverkehren in Tagesrandzeiten und die Nacht ermöglichen. Während der bereits abgeschlossenen Pilotversuche mit geräuscharmen E-Fahrzeugen und Umschlagsequipment gab es von Anwohnern, Passanten, Kunden sowie dem Filialpersonal durchweg positive Rückmeldungen.

Mehrere Städte in Nordrhein-Westfalen haben großes Interesse am Fraunhofer-Projekt signalisiert. Sie sehen die geräuscharme Logistik in den Tagesrandzeiten als einen wertvollen Baustein für bessere Verkehrs- und Logistikkonzepte und als Möglichkeit, staugeplagte Innenstädte auch in Zukunft effizient und umweltschonend beliefern zu können.

Mittelfristig ist geplant, das Projekt „Geräuscharme Logistik – Systematisierung empfohlener Berechnungsverfahren für die schalltechnische Prognose von geräuscharmen Nutzfahrzeugen und Umschlagsequipment“ auch auf andere Branchen auszuweiten.

Quelle: Ministerium für Verkehr NRW, MV NRW/ Ralph Sondermann