Doppelbesatzungen in LKWs sparen Kosten

Ein LKW = ein Fahrer oder eine Fahrerin. Bisher gängige Praxis in der Logistik. Eine neue Studie der KLU zeigt nun, dass Unternehmen Kosten sparen können, wenn sie stattdessen auf einen Mix aus Einzel- und Zweierteams in ihren LKWs setzen. Das gilt auch für Länder mit hohem Lohnniveau – und es muss für die Teamfahrten nicht unbedingt mehr Personal eingestellt werden.

Effektives Flottenmanagement mit möglichst wenig Leerfahrten steht seit langem im Fokus von Wissenschaft und Praxis der Logistik. Ein bisher vernachlässigter Aspekt im Straßentransport: Wie können die vorhandenen Fahrer*innen bestmöglich auf die Fahrzeuge aufgeteilt werden? „Sehr viele Transportunternehmen setzen grundsätzlich nur eine Person pro Fahrzeug ein. Lediglich aus Sicherheitsgründen werden regelmäßig Teams eingesetzt“, sagt Asvin Goel, Professor für Logistik und Supply-Chain-Management an der KLU.

Seine aktuelle Studie untersucht, ob und unter welchen Bedingungen Doppelbesatzungen für LKW effizienter als Einzelfahrer*innen sind. Co- Autoren sind Prof. Thibaut Vidal von der Ingenieurs-Hochschule EPM in Montréal und Dr. Adrianus Leendert Kok, Chefentwickler des niederländischen Software-Unternehmens ORTEC. „Doppelbesatzungen sind vor allem auf langen Strecken im Vorteil“, erklärt Goel. Sie erreichten schneller ihr Ziel, da der LKW seltener aufgrund von vorgeschriebenen Pausenzeiten stehe.

Bisher zögern viele Transportunternehmen, Fahrerteams einzusetzen. Viele Unternehmen befürchten höhere Kosten oder Schwierigkeiten, überhaupt zusätzliche Fahrer*innen zu finden. Zudem fehlt es an geeigneten Tools, um schnell und effektiv den besten Mix zur Aufteilung der Besatzungen zu finden. „Wir haben in unserer Studie einen Lösungsansatz entwickelt, mit dem Routen- und Fahrereinsatzpläne gleichzeitig optimiert werden können“, erklärt Goel. Zum Einsatz kommt dabei ein eigens entwickelter Algorithmus. „Mithilfe des Algorithmus wird dann der effizienteste Routen- und Fahrereinsatzplan identifiziert und festgestellt, ob nur Einzelfahrer, Teams oder ein Mix aus beidem optimal für die geplanten Touren geeignet ist“, sagt Goel.

„In fast allen von uns simulierten Szenarien konnten die Kosten durch den Einsatz von Einzel- und Teambesetzungen signifikant gesenkt werden – auch

bei kurzen Strecken“, erklärt Goel. Da sich Fahrer- und Fahrerinnen bei Doppelbesatzungen abwechseln könnten, seien die Reisezeiten (inkl. aller Pausen und Ruhezeiten) häufig deutlich kürzer als bei Einzelbesatzungen. „Dadurch ist der Personalbedarf auch bei einem Einsatz von Doppelbesatzungen nicht zwangsweise höher“, so Goel.

Innerhalb der Studie wurde der neue Ansatz mit anonymisierten Daten eines Kunden, der bereits die Planungstools von ORTEC nutzt, getestet. Die Daten beinhalten Lieferorte, Verteilzentren und die gewünschten Lieferzeiten. „Obwohl die Prozesse bereits für den Einsatz von Einzelfahrern optimiert waren, konnten wir für diesen Anwendungsfall ein Einsparpotenzial von im Schnitt 0,8 bis 3,5 Prozent der Kosten durch den Einsatz von Teambesatzungen für einen Teil der Fahrzeugflotte nachweisen“, erklärt Goel. Im Rahmen zusätzlicher Testszenarien konnten sogar Einsparungen von im Schnitt 5,6 bis 7,2 Prozent erreicht werden. „Wenn man die typischerweise sehr niedrigen Gewinnmargen im Transportsektor berücksichtigt, können diese Einsparungen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil bedeuten“, sagt Goel.

„Insgesamt unterstreicht unsere Studie, dass eine optimale Fahrereinsatzplanung großes Potenzial für Unternehmen bietet, ihre Kosten zu senken. Es lohnt sich für Unternehmen, den Einsatz von Zweier-Teams nicht mehr grundsätzlich auszuschließen“, sagt Goel. „Selbst wenn sehr hohe Löhne berücksichtig wurden, zeigten unsere Experimente in vielen Fällen geringere Kosten für Fahrerteams.“

Publikation: A. Goel, T. Vidal and A. L. Kok, To team up or not – Single versus team driving in European road freight transport, in: Flexible Services and Manufacturing Journal (forthcoming), https://doi.org/10.1007/s10696-020-09398-0

Die staatlich anerkannte Kühne Logistics University – Wissenschaftliche Hochschule für Logistik und Unternehmensführung (KLU) ist eine private Hochschule mit Sitz in der Hamburger HafenCity. Die Forschung konzentriert sich auf die Schwerpunkte Sustainability, Digital Transformation und Creating Value in den Bereichen Transport, globale Logistik und Supply Chain Management.

Die KLU hat das Promotionsrecht und kann damit als eine von wenigen privaten Hochschulen in Deutschland eigenständig Doktortitel vergeben. Das Ranking der Wirtschaftswoche 2021 weist die KLU im Fach BWL als eine der forschungsstärksten Universitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus. Hinsichtlich der Forschungsleistung pro Professor*in belegt die KLU den 4. Platz in Deutschland und den 8. in der DACH-Region. Im neusten CHE-Hochschulranking erreicht die KLU in allen Hauptkriterien die Höchstbewertung.

Mit einem Bachelor- und drei Masterstudiengängen, einem strukturierten Doktorandenprogramm und einem berufsbegleitenden MBA bietet die KLU ihren 400 Studierenden eine hohe Spezialisierung und exzellente Studienbedingungen. Ein internationales Team von 24 Professorinnen und Professoren unterrichtet auf Englisch. Fach- und Führungskräfte profitieren in offenen und maßgeschneiderten Managementseminaren von der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse auf praktische Fragestellungen.

Quelle und Foto: KLU




Politik braucht mehr Mut für Innovationen

Deutschland und die EU müssen Innovationen schneller in den Markt bringen. Darin waren sich führende Vertreterinnen und Vertreter der Mobilitätswirtschaft und Politik auf der DVF-Veranstaltung zum Thema „Automatisierung des Mobilitätssektors“ einig. DVF-Präsidiumsmitglied Müslüm Yakisan, President DACH Region ALSTOM, setzte sich dabei für mehr Tempo bei der Umsetzung neuer Ideen ein: „Wir müssen schneller liefern, um den Herausforderungen unserer Zeit begegnen zu können. Dafür sind die politischen Ziele zum Klimaschutz mit Maßnahmen und Zeitplänen, klaren Verantwortlichkeiten und einer gesicherten Finanzierung zu hinterlegen.“

Egal ob alternative Antriebe, intelligente Systeme zur Fahrzeugkommunikation oder die digitale automatische Kupplung – alle Innovationen können ihren Nutzen erst mit ihrer Anwendung entfalten. Diese sei durch gezielte Förderungen seitens der EU, des Bundes und der Länder zu beschleunigen, so Yakisan. „Die Bahnindustrie zählt bereits heute zu den saubersten Branchen im Verkehrssektor. Dennoch gehen wir davon aus, dass bis 2035 rund 5.000 Dieselzüge zu ersetzen sind. Hierfür kommen nur alternative, emissionsfreie Lösungen wie Batterie- oder Wasserstoffantriebe in Frage. Gezielte Anreize dafür sind wichtig, damit es Aufgabenträgern in Deutschland leichter fällt, Investitionsentscheidungen in die richtige Richtung zu treffen. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass die Bahnindustrie ihren Beitrag leisten kann, um die europäischen Klimaziele zu erreichen.“

Stefan Muhle, Staatssekretär Digitalisierung Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung, rief Politik und Staat auf, mutiger zu sein und Innovationen umzusetzen. In Deutschland sei die Wirtschaft der Treiber bei der Digitalisierung, weniger der Staat. Die staatlichen Institutionen müssten stärker zusammenarbeiten und die Grundlage für die Digitalisierung, also den Ausbau der digitalen Infrastruktur, vorantreiben.

Viel zu oft würden die EU-Mitgliedstaaten die notwendige Harmonisierung von Regeln auf europäischer Ebene ausbremsen, um ihre nationale Wirtschaft zu stützen, meinte Anna Deparnay-Grunenberg MdEP, Vize-Präsidentin Rail Forum Europe, Mitglied im Ausschuss für Verkehr und Tourismus des Europäischen Parlaments. Beispielgebend sei die fehlende europaweite Ticketbuchung: „Bei der Überarbeitung der Bahnpassagierrechte gab es leider keinen signifikanten Fortschritt. Hier muss die EU nachlegen, damit das Bahnfahren in der EU eine echte Alternative zum Fliegen wird. Dafür brauchen wir einen offenen Austausch und Zugang zu Ticketdaten. Notfalls in Form einer europäischen Buchungsplattform.“

Renata Jungo Brüngger, DVF-Präsidiumsmitglied, Vorstandsmitglied Integrität und Recht Daimler AG, als Vertreterin des Straßenverkehrs erklärte: „Für die erfolgreiche Digitalisierung der Mobilität brauchen wir vor allem zwei Dinge: eine moderne Infrastruktur und einen verbindlichen Rechtsrahmen.“ Hinsichtlich des automatisierten Fahrens seien die technischen Hürden hoch und der rechtliche Rahmen sehr komplex. Häufiger würden mehr die Risiken als die Chancen von Innovationen gesehen, woraus sich restriktive Rahmenbedingungen entwickeln. Gebraucht werde eine Harmonisierung der Regeln in Europa.

Dr. Sigrid Nikutta, Vorstand Güterverkehr, Vorstand Digitalisierung & Technik (kommissarisch), Deutsche Bahn AG, ging davon aus, dass bei der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) zu Jahresende ein technischer Standard europaweit definiert sei. Jetzt komme es darauf an, dass diese neue Technik seitens der EU und der Mitgliedstaaten gefördert werde. Die europäischen Bahnbetreiber könnten die Ausrüstung mit der DAK finanziell alleine nicht stemmen. „Der Güterverkehr auf der Schiene ist unser Ass im Ärmel für mehr Umweltschutz. Mit mehr Gütern auf der Schiene schaffen wir es, die Klimaziele in Europa zu erreichen. Durch die digitale Schiene werden wir deutlich mehr fahren können. Dafür müssen wir (nur) die 450.000 Güterwagen und 17.000 Loks in Europa mit der Digitalen Automatischen Kupplung ausrüsten. Klar ist, diese finanzielle Investition erfordert Europa“, so Nikutta.

Deparnay-Grunenberg bezeichnete die Schiene zum einen als Rückgrat für die Dekarbonisierung im Verkehr, zum anderen als industriepolitische Komponente: „Für ein leistungsfähiges europäisches Eisenbahnnetz ist ein europäisches Zugsicherungs- und Leitsystem unabdingbar. Wir brauchen die nachhaltige Schiene, um die Klimaziele zu erreichen. Leider besteht weiterhin ein nationaler Flickenteppich in Sachen ETCS, weil u. a. Mitgliedsländer europäische Gelder bevorzugt in nationale Umrüstungsprojekte fließen lassen. Für eine Beschleunigung müssen die Mitgliedsländer mehr eigenes Geld in die Hand nehmen. Ebenso müssen der Kommission Instrumente an die Hand gegeben werden, damit europäische Mittel prioritär für ECTS-Lücken im grenzüberschreitenden Bahnnetz eingesetzt werden.“

Zu den Anforderungen an die digitale Infrastruktur im Straßenverkehr sagte Jungo Brüngger: „Damit große Datenmengen zwischen zwei Fahrzeugen sowie über Ländergrenzen hinweg in Echtzeit übermittelt werden können, benötigt es innerhalb der EU einen flächendeckenden Ausbau des 5G-Datennetzes. Außerdem wird das Zusammenspiel aus neuen Technologien und Regulierungen immer komplexer. Hier erhoffen wir uns von der EU juristische und gesellschaftliche Orientierung.“

„Niedersachsen sorgt für Fortschritt im Verkehr. Mit der Entwicklung der Brennstoffzellenzüge wird der Bahnverkehr noch nachhaltiger“, so Staatssekretär Muhle. Außerdem hätten die Menschen Lust auf Technologie und würden gerne vernetzt reisen, weil sie außerdem wüssten, dass damit auch Arbeitsplätze zusammenhängen.

„2018 und 2020 konnten bereits zwei emissionsfreie Wasserstoff-Vorserienzüge mit ihrer Laufruhe, Zuverlässigkeit und Umweltfreundlichkeit die Passagiere in Niedersachsen begeistern. Ab 2022 rollen in und um Bremervörde nun die Serien-Wasserstoffzüge. Ich bin überzeugt, dass dieses Beispiel Schule macht“, freute sich Yakisan und zeigte sich sicher, dass es mit der Digitalisierung und Automatisierung möglich werde, die Infrastruktur besser zu nutzen und damit weniger Energie und Ressourcen zu verbrauchen.

Ein wesentlicher Aspekt bei der Automatisierung sei die Sicherheit, erklärte Jungo Brüngger: „Die Digitalisierung der Mobilität erhöht die Sicherheit und schont die Umwelt. So können digital vernetzte Fahrzeuge in Echtzeit vor Gefahren- und Unfallstellen warnen. Darüber hinaus macht die digitale Vernetzung den Verkehr effizienter und damit umweltfreundlicher, wenn zum Beispiel Staus und hohes Verkehrsaufkommen intelligent umfahren werden.“

Quelle und Video: DVF