Rotterdam bereit sich auf Wasserstoffimport vor

Die ersten Unternehmen im Rotterdamer Hafen bereiten sich intensiv auf die Lagerung, die Verarbeitung und den Durchfluss von Wasserstoff vor. Dieser vielversprechende Energieträger soll Firmen den Übergang zur Klimaneutralität ermöglichen.

Das ist die wichtigste Ergebnis einer Studie über die Entwicklung von Wasserstoffimportterminals in Rotterdam, die vom Hafenbetrieb in Auftrag gegeben wurde. Der Hafenbetrieb hat sich mit zahlreichen Rotterdamer Unternehmen beratschlagt und schließlich verschiedene Forschungsanstalten mit der Durchführung von Teilstudien beauftragt, um die nautischen, sicherheitstechnischen, ökologischen und räumlichen Rahmenbedingungen zu ermitteln.

Der Rotterdamer Hafen verfügt über eine gute Ausgangsposition, um den Wasserstoff zu importieren, umzuschlagen und weiterzuleiten.

  • Die Nachfrage nach diesem relativ sauberen Energieträger wird weiterhin steigen und im Jahr 2050 erwartungsgemäß bei circa 20 Millionen Tonnen liegen, wovon 18 Millionen Tonnen importiert werden.
  • Rotterdam verfügt bereits über Erfahrungen mit dem industriellen Einsatz von Wasserstoff und dem Umschlag von Wasserstoffträgern, wie beispielsweise Ammoniak. Darüber hinaus kennt man sich im Hafen mit dem Umschlag von kalten Energiegasen, wie LNG (Flüssiggas), und Chemikalien, wie Methanol, aus. Diese Kenntnisse sind hilfreich für den Umgang mit den neuen Wasserstoffformen, die erwartet werden: flüssiger Wasserstoff sowie Ammoniak und flüssige organische Wasserstoffträger (Liquid Organic Hydrogen Carriers – LOHC). Die umfangreichen Tanklagerungskapazitäten und die in Rotterdam anwesende Infrastruktur für Wasserstoff(träger) machen den Hafen zu einem besonders attraktiven Standort für den Import. Unternehmen können vorhandene Anlagen für fossile Brennstoffe für Wasserstoff(träger) weiterentwickeln.
  • Alle Hafenbereiche von Pernis bis zur zweiten Maasvlakte verfügen über das nötige Potenzial, um Wasserstoff importieren zu können. Unter Berücksichtigung von räumlichen und sicherheitstechnischen Aspekten sowie aus ökologischer und nautischer Perspektive ist der Wasserstoffimport, abhängig von der Menge, in sämtlichen Hafenbereichen möglich. Vier Unternehmen aus den Sparten Raffinierung, Energie und Tanklagerung bereiten sich aktiv darauf vor, Wasserstoff zu importieren. Sie verfügen allem Anschein nach sowohl über die physischen Kapazitäten als auch über den genehmigten Anlageumfang, um Wasserstoff ab 2025 in verschiedenen Formen zu importieren, zu verarbeiten und zu exportieren. Darüber hinaus treffen mehrere Unternehmen Vorbereitungen, um anhand einer Umstellung ihres Produktportfolios physischen Raum und/oder Umweltraum freizumachen.
  • Der einzigartige nautische Zugang in Rotterdam sorgt dafür, dass die sichere Verschiffung von Wasserstoff nicht gefährdet wird.

Quelle, Foto und Grafik: Port of Rotterdam




5. Sustainable Shipping Conference in Bremen

In Bremen hat am 8. und 9. November die 5. Sustainable Shipping Conference stattgefunden. Expert*innen und rund 145 Gäste aus der maritimen Branche diskutierten Trends, Technikfragen und regulatorische Entwicklungen auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Schifffahrt. Das Maritime Cluster Norddeutschland war als Mitveranstalter an Bord.

Die Trends und Entwicklungen auf den globalen Schifffahrtsmärkten zeigte zum Auftakt Professor Dr. Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik auf. Er skizzierte damit auch den ökonomischen Rahmen, in dem die weitere Dekarbonisierung der Branche stattfinden soll. Dank der aus Sicht der Reedereien zuletzt sehr positiven Entwicklung der Frachtraten, die sich teilweise in kurzer Zeit verachtfacht hätten, und der guten Ergebnisse seien diese Unternehmen heute „in der Lage, Reserven zu bilden und in nachhaltige Technik zu investieren“, unterstrich Lemper in seiner Keynote. Allerdings hätten angesichts der Angebotslücke auch die Neubestellungen von Schiffen seit Herbst 2020 stark und seit diesem Frühjahr sogar „extrem“ angezogen. Ab 2023/24 sei daher mit einer Normalisierung zu rechnen, sogar erneute Überkapazitäten wären dann möglich, warnte Lemper.

Michael Maass von der Kühne+Nagel (AG&Co.) KG gab einen Überblick über die vielfältigen Aktivitäten der zu den weltweit führenden Transportlogistikunternehmen gehörenden Gesellschaft beim Thema Nachhaltigkeit. So könnten Seetransportkunden schon heute über die Plattform Seaexplorer leicht erkennen, „welches der jeweils umweltfreundlichste Dienst für den Transport ihrer Container von A nach B ist“, so Maass. Wegen der aktuellen Engpässe im Containerseetransport seien die Wahlmöglichkeiten aktuell allerdings mitunter eingeschränkt. In Bezug auf CO2-Emissionen setze K+N grundsätzlich auf eine langfristige Strategie und den Dreiklang von „vermeiden, reduzieren, kompensieren“. Maas gab zu Bedenken, dass es „Nachhaltigkeit im Transportwesen nicht umsonst gibt“.

Wolfram Guntermann von der Containerlinienreederei Hapag-Lloyd berichtete über ein Leuchtturmprojekt seines Unternehmens auf dem Weg zur emissionsarmen Schifffahrt, die Umrüstung der „Brussels Express“ für den Betrieb mit flüssigem Erdgas (LNG). Das Schiff mit einer Kapazität von 15.000 TEU sei „das erste Schiff dieser Größenordnung, das auf LNG-Betrieb umgerüstet wurde“. Hapag-Lloyd erwartet von derartigen Umrüstungen eine Reduktion der CO2-Emissionen in der Größenordnung von 15 bis 25 Prozent gegenüber dem Betrieb mit herkömmlichen Brennstoffen. Guntermann wies dabei auch auf die hohen Kosten (30 Mio. Euro) der technisch aufwendigen und anspruchsvollen Umrüstung hin. Die weltweit fünftgrößte Linienreederei hat mittlerweile zwölf große Neubauten bestellt, die mit LNG angetrieben werden können, 17 Schiffe der bestehenden Flotte gelten als LNG-ready, könnten also auf LNG umgerüstet werden.

Dr.-Ing. Ulrich Malchow von der Hamburger Ionada GmbH präsentierte technische Möglichkeiten und erste Pilotprojekte zur Abscheidung von CO2 aus Schiffsabgasen. „Null CO2 Emissionen bis 2050“ sei allein mit alternativen Kraftstoffen nicht zu erreichen. Gerade für die Bestandsflotte könnte die CO2-Abscheidung eine „pragmatische Lösung darstellen“, sagte Malchow. Mit der immer höheren Bepreisung von CO2-Emissionen werde die CO2-Abscheidung für die Schifffahrt künftig „auch zu einem Business Case“.

Sebastian Ebbing vom Verband Deutscher Reeder führte in das Fit-for-55-Gesetzepaket der EU („Green Deal“) ein, das auch erhebliche Folgen für die Schifffahrt impliziert. Die Ziele seien grundsätzlich zu begrüßen, die für die Schifffahrt maßgebende Verordnung zur Nutzung kohlestoffarmer Kraftstoffe im Seeverkehr müsse aber der Praxis teilweise noch angepasst werden. Als eine Herausforderung formulierte Ebbing die Bereitstellung von alternativen Kraftstoffen in ausreichender Menge. Eine andere sei die Verfügbarkeit von Landstrominfrastruktur als Voraussetzung für eine Landstrompflicht. „Hierfür kann nicht das Schiff verantwortlich sein“, betonte Ebbing.

In drei Workshops diskutierten Teilnehmer*innen und Expert*innen intensiv weitere Nachhaltigkeitsthemen, wie das Potenzial von Segeltechnologien, den künftigen Umgang mit Unterwasserschall sowie die Problematik der EU-Taxonomie.

Im Rahmen eines Empfangs des Senats der Freien Hansestadt Bremen hatte am Vorabend Tanja Dalgaard vom dänischen Thinktank Mærsk Mc-Kinney Møller Center for Zero Carbon Shipping in einem Festvortrag die großen Herausforderungen und Lösungsansätze für den Weg in eine dekarbonisierte maritime Branche skizziert.

Im Rahmen der Veranstaltung wurden auch die beiden „greenports-Awards 2021“ der bremischen Häfen durch bremenports-Geschäftsführer Robert Howe verliehen. Die Preise gingen an das niederländische Feederschiff „Freya“ (Kategorie emissionsärmste Schiff) sowie an deren Reederei, die niederländische Holwerda Shipmanagement B.V. (Kategorie Reederei mit emissionsärmster Flotte).

Die 5. Sustainable Shipping Conference fand als Hybridveranstaltung im Haus der Bremischen Bürgerschaft mit rund 85 Teilnehmer*innen vor Ort, für die die 3G-Regeln galten, sowie weiteren 60 Teilnehmer*innen online statt. Veranstalter waren die Senatorin für Wissenschaft und Häfen der Freien Hansestadt Bremen, die Hochschule Bremen sowie das Maritime Cluster Norddeutschland.

Quelle und Foto: Maritimes Cluster Norddeutschland e. V., während der 5. Sustainable Shipping Conference im Haus der Bremischen Bürgschaft 




Kommissionierung zum Anfassen

Am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML ist das »Picking Lab« entstanden, in dem sich verschiedene Kommissioniertechnologien und Warehouse-Management-Systeme (WMS) testen und vergleichen lassen. Davon profitieren Forschung und Industrie gleichermaßen.

Datenbrillen, Pick-by-Voice oder doch die klassische Pickliste mit Scanner? Es gibt viele Möglichkeiten, Kommissioniertätigkeiten durchzuführen. Häufig wissen Unternehmen nicht, welche Technologie sich am besten für ihr Lager eignet. Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IML haben deshalb im Rahmen des »Leistungszentrums Logistik und IT« ein Picking Lab aufgebaut, in dem sich die verschiedenen Varianten testen lassen. Dafür haben sie Fachbodenregale mit verschiedenen Behältern aufgebaut, um realitätsgetreue und standardisierte Testbedingungen zu schaffen.

»In unserem Picking Lab können typische intralogistische Bereiche wie E-Commerce, Kleinteilekommissionierung oder Lastenhandhabung simuliert werden. Wir untersuchen und bewerten die Technologien nach ergonomischen Kriterien und objektiven Leistungskriterien in einem Person-zur-Ware-Kommissioniersetting«, erklärt Dr. Veronika Kretschmer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer IML.

Im Rahmen des Picking Labs arbeitet das Institut mit verschiedenen Unternehmen zusammen: Zu den Partnern zählen der WMS-Anbieter Logistics Reply GmbH, der WMS- und Pick-by-Voice-Anbieter proLogistik GmbH + Co KG, der ePaper- und Pick-by-Light-Anbieter Crosscan GmbH sowie der Anbieter von Lager- und Betriebseinrichtungen BITO-Lagertechnik Bittmann GmbH, der ein ähnliches Testzentrum errichtet hat.

Das Motto des Picking Labs lautet »Technology, Transfer and Training« und verdeutlicht die drei Ziele, die die Forscherinnen und Forscher damit verfolgen. Sie vergleichen dafür beispielsweise klassische Kommissioniertechnologien wie Picklisten, Scanner und Geräte zur mobilen Datenerfassung (MDE) mit modernen wie Datenbrillen, Voice-Systemen oder der Pick-by-Light-Technik. Auch mechanische Assistenzsysteme wie Exoskelette, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter körperlich entlasten und nicht von der eigentlichen Tätigkeit ablenken sollen, werden herstellerunabhängig im Picking Lab getestet. Die Beteiligten planen, in Zusammenarbeit mit der TU Dortmund ein Bewertungsmodell für die unterschiedlichen Kommissioniertechnologien zu erstellen. Daneben evaluieren sie verschiedene Warehouse-Management-Systeme.

Die Ergebnisse der Studien sollen direkt in die Forschung einfließen. Dafür kooperiert das Fraunhofer IML mit dem Lehrstuhl für Förder- und Lagerwesen der TU Dortmund sowie verschiedenen Forschungsinstituten der Region.

Die Unternehmen profitieren ebenfalls vom Picking Lab und den Forschungsergebnissen: Sie können die Entwicklungen der Forschungspartner oder auch Eigenentwicklungen testen und erhalten so eine Entscheidungsgrundlage für die passende Hard- und Software in ihrem Kommissionierlager. Anhand der Ergebnisse können die Unternehmen die Technologien auch gemeinsam mit dem Fraunhofer IML weiterentwickeln. Zudem können die Firmen im Picking Lab Besuchertage oder Workshops vor Ort durchführen oder ihre Produkte ausstellen, um Neukunden zu gewinnen.

Das Projekt läuft im Rahmen des Leistungszentrums Logistik und IT und soll am Fraunhofer IML verstetigt werden. An einer Teilnahme interessierte Unternehmen können sich per E-Mail an veronika.kretschmer@iml.fraunhofer.de wenden. Eine Beteiligung mit Warengütern ist noch bis zum 15. November 2021 möglich. Weitere Informationen: https://twitter.com/LZ_LogIT/status/1457730379335483400

Quelle und Foto: Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML