Wissings Auftrag an die WSV: „Schneller planen und bauen!“

Die Güterbinnenschifffahrt kann einen elementaren Beitrag zur Versorgungssicherheit der Industrie und der Bevölkerung in Deutschland leisten, zum Beispiel im Hinblick auf den aktuell notwendigen Transport von Steinkohle für die Kraftwerke, um Strom zu erzeugen und so die Gasvorräte in Deutschland zu schonen. Die Schifffahrt ist sich ihrer Rolle in dieser krisenhaften Situation bewusst und wird ihren Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland leisten. Dieses klare Signal hat das Binnenschifffahrtsgewerbe in Berlin in Richtung des Bundesverkehrsministers Dr. Volker Wissing gesandt.

Erforderlich sind aber leistungsfähige Infrastrukturen, um diesem Versorgungsauftrag auch gerecht werden zu können – sei es bei der Versorgungslogistik für die Großindustrie im Chemie-, Stahl und Mineralölsektor, sei es bei Benzinersatztransporten in Richtung Ostdeutschland, wenn Russland die Rohölversorgung über die Druschba-Pipeline einstellt. Nur mit einem stabil ausgebauten und verlässlichen Wasserstraßennetz können die Transporte durch die besonders umweltschonende Binnenschifffahrt sichergestellt werden.

„Wir haben Engpässe und Ausbaubedarf im Wasserstraßennetz, etwa am Rhein, im Kanalnetz oder an der Donau, die dringend beseitigt werden müssen. Wir wissen, dass die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) die Kenntnisse und die Kompetenz besitzt, dies beherzt in Angriff zu nehmen. Hierfür benötigt sie aber entsprechende Finanzmittel und qualifiziertes Personal. Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, die WSV entsprechend auszustatten“, lautete der Appell des BDB-Präsidenten Martin Staats (MSG) an Minister Wissing und die Abgeordneten des deutschen Bundestages. Unerträglich lange Planungs- und Realisierungszeiträume an den Flüssen und Kanälen müssten abgekürzt und die Auftragsvergabe an Planungsbüros der Privatwirtschaft geprüft werden, so Staats weiter.

Bei der Modernisierung der Binnenschiffsflotte sieht sich das Gewerbe auf dem richtigen Weg: „Wir waren in der Vergangenheit nicht faul. Die Branche investiert in die Erneuerung von Motoren und Antrieben, nicht zuletzt auch dank der Förderung durch das Bundesverkehrsministerium. Diesen Weg in Richtung CO2-Freiheit wird das Schifffahrtsgewerbe konsequent weiter beschreiten“, lautete der Dank des Verbandspräsidenten Staats an Minister Wissing.

Allerdings dürfe dieses Bemühen nicht den Blick auf die Realitäten verstellen: „Dieselmotoren werden auch in den kommenden Jahren das Bild der Güterschifffahrt, insbesondere der Großschifffahrt, prägen. Es gibt einige interessante Ansätze zur Abkehr von fossilen Brennstoffen, etwa im Bereich des Wasserstoffs. Es wird aber noch wenigstens fünf bis 10 Jahre dauern, bis diese sich europaweit und in Serienreife verfügbar etabliert haben“, so Staats weiter. Der Aufbau der Versorgungsnetze längs der Flüsse und Kanäle werde von der Schifffahrtsbranche daher mit großem Interesse verfolgt.

Auf der gemeinsamen Veranstaltung der Binnenschifffahrt und der Binnenhäfen in der Belgischen Botschaft in Berlin brach Bundesverkehrsminister Volker Wissing in seiner Rede eine Lanze für die Binnenschifffahrt:

„Leistungsstark, sicher – und emissionsarm. Das sind Eigenschaften, die wir uns für einen modernen Gütertransport wünschen. Und das ist es, was das Binnenschiff – zumindest in weiten Teilen – schon heute auszeichnet. Klar ist jedenfalls: Eine umwelt- und klimafreundliche Logistik ist ohne die Binnenschifffahrt nicht möglich. Damit das Binnenschiff für noch mehr Unternehmen zum Transportmittel der Wahl wird, muss es aber noch effizienter, nachhaltiger und digitaler werden. Das System Schiff-Wasserstraße verfügt über Kapazitätsreserven. Diese müssen wir noch stärker nutzen – und mehr Güterverkehre auf das Güterschiff verlagern. Die Wasserstraße ist zum Beispiel prädestiniert dafür, Güterverkehre auf längeren Distanzen zu übernehmen. Dieses Potenzial müssen wir weiter ausreizen, vor allem um die Straße zu entlasten“, erklärte der Minister den rund 100 Gästen der Veranstaltung und nannte die Großraum- und Schwerlasttransporte als entsprechende Beispiele.

Die Sorgen um den Zustand der Wasserstraßeninfrastruktur bestätigte der Bundesverkehrsminister und kündigte Gegenmaßnahmen an:

„Die Infrastruktur ist in die Jahre gekommen – und viele Erhaltungsinvestitionen wurden in der Vergangenheit aufgeschoben. Das ist kein Zustand, den wir einfach so hinnehmen können. Der Ausfall nur einer dieser Schleusen- oder Wehranlagen könnte verheerende Auswirkungen für das Gewerbe und letztlich auch für die Bürger haben. Schließlich fehlt im Wasserstraßennetz oft eine Umfahrungsmöglichkeit – und Verkehre lassen sich auch nur schwer kurzfristig verlagern. Deshalb hat diese Koalition sich vorgenommen: Wir halten unsere Wasserstraßen, Kanäle und Schleusen in Schuss und machen sie krisen- und klimafest. Wir werden sie noch schneller sanieren und nachhaltiger ausrichten. Außerdem werden wir alles dafür tun, auch im Wasserstraßenbereich die Planungszeiten zu optimieren. Meine Vorgabe an die Wasserstraßenneubauämter der WSV lautet: schneller planen und bauen!“

Quelle: BDB, Foto: Foto: berlin-event-foto.de/ Peter-Paul Weiler




Künstliche Intelligenz für die Oslebshauser Schleuse

Seit mehr als 110 Jahren sichert die Oslebshauser Schleuse den Seegüterumschlag im Industriehafen auf der rechten Weserseite. Regelmäßig wurde die Schleuse baulich an die jeweils veränderten Anforderungen der Schifffahrt angepasst. Jetzt steht die Oslebshauser Schleuse auch beispielhaft für die smarte Digitalisierung der Bremischen Häfen und für eine energietechnische Optimierung.

Zur offiziellen Inbetriebnahme der neuen Schleusentechnik gratulierte Senatorin Dr. Claudia Schilling, den an dem Verbundprojekt beteiligten Unternehmen und Organisationen: „Sie haben mit viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit erreicht, dass an der Oslebshauser Schleuse jetzt beispielhaft gezeigt wird, wie mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz eine hochmoderne Anlagentechnik umgesetzt werden kann. Die Oslebshauser Schleuse steht seit jeher für Zuverlässigkeit. Jetzt steht sie auch für Künstliche Intelligenz und optimale Energieeffizienz. Damit kann sie Vorbild für die technische Aufrüstung weiterer Seeschleusen in Deutschland sein.“ Zugleich sprach die Senatorin ihren ausdrücklichen Dank an das Bundesministerium für Digitales und Verkehr aus, denn durch deren inzwischen mehrfach fortgeschriebenes Förderprogramm IHATEC (Innovative Hafentechnologien) können Projekte wie diese entwickelt und erprobt werden.

Abgeschleuste Hafenbereiche wie der Industriehafen brauchen einen ausreichenden Wasserstand, um sichere nautische Bedingungen zu gewährleisten. Jede Schleusung eines Schiffes führt jedoch zu Wasserverlusten. In Bremerhaven wird dies durch einen Freilaufkanal ausgeglichen. Dies ist in Oslebshausen nicht möglich. Um hier den Wasserverlust auszugleichen, ist eine kosten-, zeit- und energieaufwändige Wasserzufuhr durch Pumpen notwendig.

Mit der Umsetzung des KI-basierten Tide2Use Assistenzsystems wird der Wasserstand im Hafenbecken jetzt energieeffizient ausgeglichen. Durch den intelligenten Einsatz der Binnen- und Außenhäupter kann der Wasserausgleich signifikant erhöht und der Einsatz der Pumpen erheblich reduziert werden. Damit wird es möglich, die Tiden der Weser zu nutzen, um die Wassernachfrage zu bedienen.

Schleusenbedienende haben komplexe Steuerungsprobleme zu bewältigen. Dies wird dadurch erschwert, dass die Ankünfte und Abfahrten der Schiffe vorab häufig nicht genau absehbar sind. Mittels eines KI-basierten Ansatzes, der Agentensysteme und Methoden des maschinellen Lernens („Deep Learning“) und neuronale Netze einsetzt, wurde in Tide2Use ein System erschaffen, das in der Lage ist, die relevanten Faktoren zu berechnen, die die komplexe Situation an der Schleuse beeinflussen. Die Ergebnisse der KI-basierten Berechnungen werden in einem Dashboard zusammengeführt und visualisiert.

In enger Zusammenarbeit mit den NautikerInnen des assoziierten Partners Hansestadt Bremisches Hafenamtes (HBH) wurde ein digitales, unterstützendes Werkzeug entwickelt, das auf die Bedürfnisse der Nutzer Nutzenden abgestimmt ist. Die so bereitgestellten Informationen sollen dieen Schleusenbedienendener bei ihrer Entscheidungsfindung unterstützen, um zusammen mit ihrem eigenen Prozesswissen einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Schleuse Oslebshausen zu leisten. Die seit Beginn dieses Jahres laufende Erprobungsphase hat hierzu sehr gute Ergebnisse geliefert. Durch die natürliche Bewässerung kann eine Energieeinsparung von bis zu 20% pro Vorgang erzielt werden. Je nach Anzahl der Vorgänge liegt die Energieeinsparung bei etwa 170.000 kWh pro Jahr.

Für bremenports bedeutet die intelligente Schleuse nicht nur eine deutliche Ersparnis bei den Unterhaltungskosten. „Die Oslebshauser Schleuse ist zugleich ein hervorragendes Beispiel, für ein anspruchsvolles und gelungenes Digitalisierungsprojekt der Bremischen Häfen“, so bremenports Geschäftsführer Robert Howe. „Zugleich haben die am Projekt beteiligten Partner gemeinsam gezeigt, dass die Bremischen Häfen ein guter Ort für die Entwicklung und Umsetzung innovativer Hafentechnologien sind.“

Niedersachsen Ports (NPorts), der Betreiber der landeseigenen Häfen in Niedersachsen, hat das Projekt Tide2Use über die gesamte Laufzeit als assoziierter Partner begleitet und unterstützt. Durch den kontinuierlichen Austausch mit NPorts konnten auch die spezifischen Anforderungen und Erfahrungen aus dem Seehafen in Emden in das Projekt einfließen. Während in Bremen der Fokus auf der Bewässerung des Industriehafens durch die Schleuse Oslebshausen liegt, untersucht NPorts, inwieweit der Hafen und die Schleusen in Emden künftig auch verstärkt zur Entwässerung des Hinterlandes eingesetzt werden können.

Das Verbundprojekt Tide2Use wurde im Rahmen des von der Bundesregierung aufgelegten Programms IHATEC (Innovative Hafentechnologien) gefördert. Unter Koordination von bremenports waren Aimpulse Intelligent Systems, das Bremer Institut für Produktion und Logistik (BIBA) und Schulz Systemtechnik an dem Projekt beteiligt.

Als Projektträger für das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat der TÜV Rheinland das Projekt begleitet.

Im Industriehafen am rechten Weserufer konzentriert sich rund die Hälfte des Seegüterumschlags der Hafengruppe Bremen-Stadt. An seinen Kajen können nahezu alle Arten von Waren geladen und gelöscht werden – von Baustoffen, Holz und Massengütern über Stahl und Stahlerzeugnisse bis hin zu Containern, Projektladung sowie Fahrzeug- und Anlagenteilen.

Quelle und Foto: bremenports