„Knallfrösche an Stelle von Bazooka und Doppelwumms“

Das ausgeprägte Niedrigwasser in den Monaten Juli und August in Verbindung mit der hohen Nachfrage nach Binnenschiffstransporten aufgrund der Energieknappheit oder der enttäuschende Haushaltsbeschluss der Ampel-Koalition für Unterhalt und Ausbau der Wasserstraßen: Die Entwicklungen in den vergangenen Monaten haben den Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e.V. (BDB) dazu veranlasst, unter dem Titel „Versorgung von Wirtschaft und Verbrauchern per Binnenschiff in Krisenzeiten“ einen Parlamentarischen Abend der Binnenschifffahrt in Berlin auszurichten.

Gemeinsam mit Dr. Paul Seger, Schweizerischer Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Berlin, lud der BDB am Abend des 1. Dezember Vertreter aus Politik, Verwaltung, dem Schifffahrtsgewerbe und der verladenden Industrie zu einer angeregten Diskussion in die Schweizer Botschaft ein.

BDB-Präsident Martin Staats (MSG) kritisierte in seiner Rede deutlich die Entscheidung der Ampel-Koalitionäre, den Haushaltsetat für die Bundeswasserstraßen im Jahr 2023, um rund 350 Mio. Euro zu kürzen. Die Möglichkeit, dass bis Juni 2023 maximal 250 Mio. Euro zusätzlich für die Wasserstraßen angemeldet werden können, sofern diese Mittel bei anderen Verkehrsträgern eingespart werden, werte diesen Beschluss aus Sicht des Gewerbes nicht auf: „Was für andere die sogenannte ‚Bazooka‘ oder der ‚Doppelwumms‘ war, hat sich für uns leider nur als ‚Knallfrosch‘ erwiesen“, so Staats. Dabei habe das Binnenschifffahrtsgewerbe seine immense Bedeutung für die Versorgungssicherheit in vielerlei Hinsicht unter Beweis gestellt, auch im Hinblick auf die „solidarity lanes“ der EU. So habe das Gewerbe dafür gesorgt, dass auch seit Kriegsbeginn in der Ukraine Getreidetransporte über die Donau im osteuropäischen Raum aufrechterhalten wurden – nicht ohne Folgen für das westeuropäische Geschäft: „Es sind viele Kapazitäten an Schiffsraum nach Osteuropa verkauft worden, und wir wissen nicht ob und wann diese wieder zurückkehren“, so Staats.

Die Vertreter der verladenden Wirtschaft bestätigten deutlich die Bedeutung und Systemrelevanz des Binnenschiffs für die Versorgungssicherheit der Industriestandorte und der Bevölkerung. Wenn der „nasse Verkehrsträger“ infolge signifikanter Niedrigwasserereignisse und aufgrund der bestehenden Engpässe im Wasserstraßennetz eingeschränkt sei, bedrohe dies die Stahlindustrie und auch den Transformationsprozess hin zu mehr Klimafreundlichkeit, erklärte Markus Micken (Thyssenkrupp Steel Europe AG) im Rahmen der Podiumsdiskussion mit den Bundestagsabgeordneten MdB Jürgen Lenders (FDP), Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestages, MdB Henning Rehbaum (CDU), Sprecher der Parlamentarischen Gruppe Binnenschifffahrt (PGBi) für die CDU/CSU-Fraktion und MdB Mathias Stein (SPD), Koordinator der PGBi, sowie Dörte Maltzahn (Knauf Gips KG) und BDB-Präsident Martin Staats.

„Der Rhein ist die Lebensader für die von uns benötigten Erztransporte. Täglich werden 50.000 t Güter angeliefert, die auch nicht auf andere Verkehrsträger verlagert werden können. Fällt die Wasserstraße als Versorgungsweg aus, ist dies für uns existenzbedrohend“, erklärte Micken. Dörte Maltzahn bekräftigte diese Einschätzung: „Wir brauchen Planungssicherheit, nicht nur im Hinblick auf den Schiffstransport selbst, sondern auch bezüglich der Verladung“.

Die Industrievertreter forderten, dass künftig bei der Entscheidung über Haushaltsmittel nicht mehr nur von Legislaturperiode zu Legislaturperiode, sondern strategisch gedacht wird: „Die Gelder müssen an konkreten Konzepten entlang entwickelt werden. Dabei muss man trimodal denken, denn durch eine Kombination von Verkehrsträgern lässt sich mehr erreichen“, betonte Markus Micken.

Martin Staats äußerte die Befürchtung, dass die jüngst von Bundesverkehrsminister Volker Wissing eingerichtete „Beschleunigungskommission“ für den Ausbau des Mittelrheins keine wirklichen Ergebnisse liefern wird – und kritisierte eine falsche Schwerpunktsetzung: „Die Beschleunigungskommission wird wohl eher ein reines Informationsgremium bleiben. Wir hören, dass die Bundesgartenschau 2029 im Mittelrheintal zu einer weiteren Verzögerung der dringend benötigten Abladeoptimierung führt. Man hat das Gefühl, dass der Wille, die Infrastruktur zu modernisieren, bloß Lippenbekenntnisse sind. Dadurch wird der Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet.“

Quelle: BDB, Foto: Berlin-event-foto.de, in der Schweizerischen Botschaft in Berlin diskutierte die Binnenschifffahrtsbranche mit Vertretern aus Industrie und Politik über die notwendigen Maßnahmen, um auch in Krisenzeiten die Versorgung von Wirtschaft und Verbrauchern per Binnenschiff sicherzustellen. Susanne Landwehr (DVZ), MdB Mathias Stein (SPD), Martin Staats (MSG), MdB Henning Rehbaum (CDU), Dörte Maltzahn (Knauf Gips), Markus Micken (ThyssenKrupp Steel), MdB Jürgen Lenders (FDP)




Hafenwirtschaft Cuxhaven mit neuem Vorstand

Die Hafenwirtschaftgemeinschaft Cuxhaven e.V. (HWG) hat einen neuen Vorstand gewählt. Der neue Vorsitzende ist Cuxport-Geschäftsführer Michael de Reese. Er löst damit seinen Cuxport-Geschäftsführer-Kollegen Hans-Peter Zint ab, der das Amt seit 2015 innehatte und sich nicht erneut zur Wahl stellte.

Stellvertretender Vorsitzender bleibt Arne Ehlers, Geschäftsführer der Schifffahrtsgesellschaft BREB. Neu in den Vorstand gewählt wurden Cornelia Machulez, Geschäftsführerin des gleichnamigen Komplettdienstleisters, Peter Miesner, Geschäftsführer der Cuxhavener Hafen-Entwicklungsgesellschaft, und Claudius Schumacher, Geschäftsführer der Cuxport GmbH.

„Wir danken Hans-Peter Zint für seinen jahrelangen Einsatz für die HWG“, sagt de Reese, der seit drei Jahren der Cuxport-Geschäftsführung angehört. Zint habe es in seiner Funktion als HWG-Vorsitzender immer als seine wichtigste Aufgabe angesehen, das Leistungspotenzial der Hafenwirtschaft voranzutreiben. „Sein Fokus lag auf der Weiterentwicklung des Hafens vor allem für die Windenergie“, fügt der neue Vorstandsvorsitzende hinzu. Auch Cuxhavens Oberbürgermeister Uwe Santjer dankte Zint und lobte dessen Einsatz. Unter Zustimmung der anderen Mitglieder erwähnte er, dass dieser gefühlt immer schon da war.
Cuxhaven habe sich nicht zuletzt auch aufgrund Zints Engagement gut entwickelt, waren sich beide einig. Gerade im Bereich Windenergie nutzen mittlerweile alle namhaften Hersteller den Hafen. Tatsächlich ist es Cuxhaven 2021 gelungen, im Hafen etwa 2,5 Millionen Tonnen umzuschlagen. Laut dem scheidenden HWG-Vorsitzenden, der die Zahlen in der 49. Mitgliederversammlung vorlegte, sind das 17 Prozent mehr als im Vorjahr. Mit 240.000 Tonnen haben der seeseitige Umschlag mit Windenergieanlagen sowie der Fahrzeugumschlag mit 300.000 Tonnen maßgeblich zu diesem Umschlagwachstum beigetragen. Auch der Frachtverkehr zwischen Cuxhaven und Großbritannien ist trotz Brexit stabil geblieben.

Das moderne Tiefwasserterminal Cuxport bietet dank bester Lage und multimodaler Anbindung erstklassige Voraussetzungen für einen schnellen und reibungslosen Umschlag jeglicher Ladung. „Allerdings sind die Häfen der deutschen Nordseeküste an ihrem Kapazitätslimit“, sagte Zint. Es fehlen aktuell Lager- und Umschlagmöglichkeiten, die die Ausbauziele Cuxhavens als Offshore-Hafen ausbremsen könnten. Zint kündigte daher an, dass die HWG den Bau der Liegeplätze fünf bis sieben am Cuxhavener Hafen weiter aktiv vorantreiben werde.

Auch plädierte Zint in seinem letzten Bericht als HWG-Vorsitzender, die Bahnanbindung an den Hafen schnellstmöglich zu elektrifizieren und nicht durch andere Projekte weiter auszubremsen. Viele Kunden würden zunehmend auf die Bahn setzen und auf ihren CO2-Fußabdruck achten. „Es ist mittlerweile ein echter Wettbewerbsnachteil, dass man Cuxhaven nur mit Dieseltraktion erreichen kann“, sagte er. Zint forderte noch einmal Landes- und Bundesebene auf, schnell zu handeln, damit Cuxhaven leistungsfähig und für die On- und Offshoreindustrie attraktiv bleibt. Und Oberbürgermeister Santjer führte aus, dass die Solidaritätsgemeinschaft einen wichtigen Beitrag für die Lebensqualität der Stadt leiste und der Hafen existenziell wichtig sei für die Zukunft von Cuxhaven.

Quelle: Hafengemeinschaft Cuxhaven, Foto: Hafengemeinschaft Cuxhaven | Holger Grabsch




Einladung zum Webinar „Digitalisierung in der Binnenschifffahrt“

Das spc möchte mit einem Webinar an zwei konkreten Beispielen aus der Binnenschifffahrt aufzeigen, wie eine moderne und digitale Binnenschifffahrt schon heute und zukünftig aussieht.

Treffpunkt ist am Montag, 5.  Dezember 2022 von 15:00 Uhr bis 17:00 Uhr, zum Anmeldeformular geht es hier

Ablauf: Begrüßung und Einführung durch Markus Nölke, ShortSeaShipping Inland Waterway Promotion Cente (spc), dann das Thema autonome Binnenschifffahrt mit  Beiträgen der HGK Shipping, Reederei Deymann und  Seafar NV sowie Axel Götze-Rohen, Bargelink GmbH. Es besteht am Ende Gelegenheit für Fragen & Antworten.

Quelle: SPC, Grafik: SPC und Am Lehnhoff-Söns Gruppe




Stille Nacht für stille Helden auf See

Auch 2022 kann jeder und jede bei den Seemannsmissionen in Hamburg als Wichtel oder Weihnachtsmann auf Zeit anheuern: Sie können zeigen, was sie auf ca. 33 x 21 x 15 cm unterbringen können. Denn so groß ist der Standardschuhkarton. Er soll auch 2022 wieder zur Geschenke-Box werden, um Seeleute an Bord zu bescheren. Es muss allerdings keine alte Puschen-Schachtel sein.

Auch jede andere transportable Größe passt auf den „Schlitten“ der Seemannsmissionen, der zu den stillen Helden der See an die Kaimauer fährt: 2021 gingen 1.520 Päckchen zur Bescherung über die Kaikante zu Containerschiffen, Schleppern, Tankern, Hafenbaggern. Möglich machten es feste und ehrenamtliche Mitarbeiter/Innen des Hamburger Seemannsheims am Krayenkamp, des International Seamen´s Clubs Duckdalben, der Seemannsmission Altona sowie der Katholischen Seemannsmission „Stella Maris“.

Jörn Hille, Leiter der von den drei Hamburger Trägervereinen der Seemannsmission getragenen Bordbetreuung: „Manche Crews waren lange nicht mehr Weihnachten daheim, viele bleiben auch dieses Jahr an Bord. Dafür kommen wir zu ihnen. Denn: Seeleute haben ihr Päckchen zu tragen, gerade in Zeiten von Krieg und Corona. Jetzt sollen sie ein besonderes Päckchen bekommen, eins, das Freude macht. Denn alle reden von Lieferketten. Wir auch. Und besonders zu Weihachten. Daher werden wir auch dieses Jahr die Lieferkette umkehren und landseitig abliefern“. Dieses Jahr gab es eine Premiere im Hafen: Die ersten Pakete wurde per „reachstacker“ befördert, dank HHLA. (s. Bilder)

Wer Lust aufs Wichteln für Seeleute hat, kann sofort gestalten, malen, lospacken. Ein Karton wird zur Christmas Container Box 2022.
Buten: Weihnachtlich verpackt. Binnen:

  • Kleidung, wie Socken, Mütze, Handschuhe
  • Süßigkeiten
  • Hygieneartikel wie Deo, Duschgel, Shampoo, Zahnpasta
  • Ein möglichst englischsprachiger Weihnachtsgruß
  • Weihnachtsdekoration

Auf den Schiffen herrschen strenge Sicherheitsauflagen. Daher: Keine echten Kerzen, kein Alkohol, kein Obst. Sonst darf die Phantasie die Vorfreude der Seeleute beflügeln. Nur eins ist fix: Die Box muss bis zum 23.12. auf einem der drei Umschlagplätze abgegeben werden:

  • Deutsche Seemannsmission Hamburg Altona e.V./nahe Fischmarkt, Große Elbstraße 132
  • Deutsche Seemannsmission Hamburg e.V./vis-à-vis vom „Michel“, Krayenkamp 5
  • DUCKDALBEN international seamen´s club, Waltershof, Zellmannstraße 16

Die Bordbetreuung im Hamburg Hafen ist ein Gemeinschaftswerk der drei Trägervereine der Deutschen Seemannsmission in Hamburg. Bei „Bordbesuchen“ haben etwa 40 ehrenamtliche und fest angestellte Bordbetreuer/Innen ein offenes Ohr/ Informatio-nen/ Telefonkarten und mehr dabei. Der Bordbesuch ist häufig der erste Kontakt zur Seemannsmission verbunden mit der Einla-dung in den Club zu kommen. Bilanz 2021: 6.029 Bordbesuche, 33 Prozent mehr als 2020 (4.500). Shopping zur See: 3.038. Und: Die Bordbetreuung ist vielleicht der internationalste Zeitungszusteller: 2021 gingen 54.375 Exemplare auf 174 Schiffe.

Quelle: Bordbetreuung im Hamburger Hafen, Foto: hriedel, schon 2021 gingen 1.520 Päckchen zur Bescherung über die Kaikante zu Containerschiffen, Schleppern, Tankern, Hafenbaggern.




Grünes Ammoniak-Importterminal im Hafen Antwerpen-Brügge

Der Hafen Antwerpen-Brügge festigt seine Stellung innerhalb der europäischen Wasserstoffstrategie. Bis 2027 soll ein neues Importterminal für nachhaltiges Ammoniak entstehen. Um Logistik und Industrie bei der Dekarbonisierung mit dem Import und der Lagerung von grüner Energie und Rohstoffen zu unterstützen, bündeln die Unternehmen Fluxys, Advario Stolthaven Antwerpen und Advario Gas Terminal ihre Stärken und ihr Fachwissen in den Bereichen Logistik, Lagerung und Pipelinetransport. Mitte November stellten sie im Rahmen einer Deutschland-Roadshow des Hafens Antwerpen-Brügge den rund 40 geladenen Gästen relevanter Wirtschaftsbereiche ihr Vorhaben und den konkreten Zeitplan bis zur Inbetriebnahme vor.

Das künftige Terminal im Hafen Antwerpen-Brügge wird Lösungen für die Lagerung sowie den Transport per Bahn und Binnenschiff ins Hinterland bieten. Auch ein direkter Pipeline-Anschluss an Industriestandorte ist möglich. Darüber hinaus werden am Terminal Anlagen zur Rückumwandlung von Ammoniak in Wasserstoff entstehen. Dieser kann dann in das Wasserstoffnetz von Fluxys eingespeist oder auf Lkw verladen werden und so die Versorgung in ganz Nordwesteuropa sicherstellen.

„Deutschland und speziell die Industrie- und Logistikstandorte entlang des Rheins sind für Fluxys und Advario wichtige Zielregionen. Im Rahmen des Events in Mannheim konnten wir mit potenziellen Partnern und künftigen Abnehmern ins Gespräch kommen“, sagten Bart Seliaerts, Strategy and Transformation Lead bei Advario Belgium, und Hadrien Bown, Business Development and M&A bei Fluxys.

Deutschlandrepräsentant des Hafens Antwerpen-Brügge, Elmar Ockenfels, betonte im Rahmen der Veranstaltung die Bedeutung des Projekts: „Wir haben uns seit Jahren der konsequenten Förderung und Umsetzung der Energie-Transition verschrieben. Das neue Ammoniak-Terminal ist ein weiterer wichtiger Schritt in der Energiewende für Belgien und Europa und auf unserem Weg zu Klimaneutralität.“

Der erst kürzlich fusionierte Hafen Antwerpen-Brügge sieht sich in einer Schlüsselrolle für den Import, die lokale Herstellung, die Verarbeitung und den Transport von grünem Wasserstoff und Wasserstoffträgern wie Ammoniak und Methanol ins Binnenland. Möglich wird dies auch durch die gemeinsame Infrastruktur und Synergieeffekte, die sich durch die Fusion der beiden Hafenstandorte ergeben. Abseits des neuen Ammoniak-Terminals sind mehrere weitere Projekte im Bereich Wasserstoffwirtschaft geplant. Bereits ab 2026 sollen so die ersten grünen Wasserstoffmoleküle auf den beiden Hafen-Plattformen ankommen.

Quelle: Hafen Antwerpen-Brügge, Advario, vertreten durch Bart Seliaerts (links im Bild), und Fluxys, vertreten durch Hadrien Bown (rechts im Bild), präsentieren ihre Pläne für ein Ammoniak-Importterminal auf einer Roadshow des Hafens Antwerpen-Brügge in Mannheim




Reedereien bewältigen Herausforderungen

Die deutschen Reedereien trotzen den aktuellen Krisen: Pandemie und Ukrainekrieg beeinträchtigen Lieferketten und Kapazitäten, doch die maritime Schifffahrt bewältigt Prozessstörungen bei Vollauslastung. Parallel investieren die Reeder in Wachstum und Modernisierung, wobei dem Fachkräftemangel eine besondere Bedeutung zukommt. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bewältigung großer Herausforderungen sind nach einem ganzen Jahrzehnt der Krisenbewältigung und Konsolidierung wieder gut: Die maritime Schifffahrt boomt – diese Einschätzung teilen neun von zehn deutschen Reedereien.

Der Aufschwung ist mittlerweile bis zu den kleinsten Schiffseigentümern vorgedrungen, in 93 Prozent der deutschen Hochseereedereien sind alle Schiffe ausgelastet. Auch der Blick in die Zukunft ist von Zuversicht geprägt: Drei von vier Reedern rechnen mit Wachstum. Sorgen bereitet der Branche jedoch der Fachkräftemangel. Zu diesen Ergebnissen kommt die 14. Reederstudie, für die PwC Deutschland 106 Entscheider:innen in deutschen Hochseereedereien zu ihrem Blick auf den Markt und in die Zukunft befragt hat.

Diese positive Entwicklung führt der Experte zum einen auf die Nachholeffekte nach dem pandemischen Handelsstau zurück. Gleichzeitig haben sich aus seiner Sicht die strukturellen Gegebenheiten in der deutschen maritimen Industrie nach den Konsolidierungsmaßnahmen in Folge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 verändert: „Die Nachholeffekte treffen auf eine Unternehmenslandschaft, die eine Dekade aus Krisen und Konsolidierung hinter sich hat.“

Die Schifffahrtsbranche blickt optimistisch in die Zukunft: 74 Prozent rechnen in den kommenden zwölf Monaten mit Wachstum. Zum Vergleich: Im ersten Pandemiejahr 2020 lag der Anteil der Optimisten lediglich bei 33 Prozent. Mit 65 Prozent geht zudem weiterhin ein Großteil der Reeder davon aus, dass das weltweite Ladungsaufkommen in den kommenden fünf Jahren steigen wird (2021: 75 Prozent).

Mit Blick auf die Charterraten scheint das Ende der Fahnenstange erreicht: 62 Prozent rechnen mit einer Stagnation, wenngleich auf hohem Niveau; der hohe Nachholbedarf an weltweiten Transporten nach den ersten beiden Pandemiejahren hat die Fracht- und Charterraten in die Höhe getrieben.

Und auch die Flotten sind in den vergangenen beiden Jahren wieder gewachsen: Pro Reederei werden im Schnitt sieben mehr Schiffe betreut als noch 2020. Mit Blick auf Neukäufe sind die Reeder jedoch vorsichtig: 69 Prozent befürchten, dass die vielen Neubestellungen für Containerschiffe in ein paar Jahren zu Überkapazitäten führen werden.

Die größeren und umsatzstärkeren Reedereien fokussieren sich in ihrer Planung und Umsetzung mehrheitlich auf energieeffiziente und umweltfreundliche Schiffsneubauten. Die Reedereien mit kleineren Flotten und weniger Mitarbeitenden planen eher mit Gebrauchtschiffen.

Folglich geben fast drei Viertel der kleineren Reedereien an, dass es derzeit viel mehr Schiffsneubestellungen gäbe, wenn diese Situation klarer wäre.

In Sachen Personal sind die Reeder ebenfalls auf Wachstumskurs: In den vergangenen zwölf Monaten haben 73 Prozent neue Mitarbeiter:innen eingestellt – und wollen dies auch in naher Zukunft tun. 69 Prozent planen in den kommenden zwölf Monaten mit Neueinstellungen. Entlassungen sind dagegen kaum mehr ein Thema: Nur 13 Prozent haben im vergangenen Jahr Beschäftigte entlassen.

Laut Befragung ist die Personalsituation für mehr als jede zweite Reederei (55 Prozent) aktuell das gravierendste Problem.

Die Corona-Pandemie bleibt ebenfalls eine Herausforderung, auch wenn sich die Reedereien mittlerweile gut auf die Situation eingestellt haben: 93 Prozent der Befragten geben an, dass sie inzwischen nicht mehr so starke Beeinträchtigungen ihrer Geschäftsprozesse durch Corona registrieren wie noch vor ein oder zwei Jahren. Lediglich noch zwölf Prozent sind der Meinung, dass die Mehrzahl der deutschen Container-Reedereien es nach der Corona-Krise nur mit staatlicher Hilfe schafft, weiterzumachen. 2020 befürchteten dies noch 41 Prozent der Befragten.

Laut Befragung haben die Ansteckungen auf den Schiffen in den vergangenen zwölf Monaten sogar zugenommen: 65 Prozent berichten über Infektionen an Bord (2021: 52 Prozent; 2020: 10 Prozent). Aber nur noch eine von drei Reedereien musste über einzelne oder mehrere Schiffe eine Quarantäne verhängen. Im Vorjahr war es mit 46 Prozent noch beinahe jede zweite Reederei. Den Rückgang der Quarantänemaßnahmen für ganze Schiffe wertet Burkhard Sommer als Indiz dafür, dass die Reedereien wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen haben.

Nicht zuletzt hat die anhaltende Invasion Russlands in der Ukraine gravierende Auswirkungen auf die Reedereien: So ist knapp jede:r Zweite (48 Prozent) der Meinung, dass die Geschäftsprozesse im Unternehmen durch den Krieg nachhaltig beeinträchtigt werden. 40 Prozent der Reeder bewerten die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs als eher negativ. 14 Prozent geben hingegen an, dass sie eher positive wirtschaftliche Auswirkungen in ihren Unternehmen spüren. Dazu zählen einzelne Fracht- und Charterratenerhöhungen oder Ertragssteigerungen durch die Verschiebung von Warenströmen. Bei 17 Prozent halten sich die positiven und negativen Folgen die Waage. 29 Prozent der Reeder bemerken derzeit gar keine Auswirkungen des Kriegs auf ihr Geschäft.

Zum Download der Studie geht es hier.

Quelle: PwC Germany, Foto: HHM/ Hasenpusch