CAPTN X-Ferry soll Akzeptanz für autonome Verkehre steigern

Verstehen schafft Akzeptanz. Unter dieser Prämisse startet das neue CAPTN-Projekt X-Ferry. Es soll eine grundlegende Technologie erforschen, mit der ein autonomes Schiff seine Manöver selbstständig analysiert und erklärt. An dem interdisziplinären Projekt sind schleswig-holsteinische Hochschulen und Unternehmen aus den Bereichen nautische Systementwicklung, Künstliche Intelligenz (KI) und Mixed Reality beteiligt. Das Projektvolumen beträgt 4,5 Mio. Euro; X-Ferry wird durch das Maritime Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert.

Mit dem kürzlich gestarteten Forschungsvorhaben X-Ferry geht die CAPTN Initiative einen weiteren Schritt in der Verwirklichung ihrer Idee eine Mobilitätskette aus selbstfahrenden, sicheren und sauberen Verkehrsmitteln zu entwickeln. Nach den Projekten Förde Areal, Förde 5G und Flex, die die Basis für die autonome Schifffahrt in Kiel entwickeln, liegt das Augenmerk jetzt auf der Erklärung der technischen Vorgänge und der Kommunikation mit den Nutzerinnen und Nutzern. Zunächst steht weiterhin die Schifffahrt im Fokus. Hier sollen Systeme erforscht werden, die die Akzeptanz von autonomen Verkehrsmitteln steigern.

„Mit CAPTN X-Ferry gehen wir einen großen Schritt in Richtung hochautomatisiertes bzw. autonomes Fahren in der Schifffahrt. Wir versuchen herauszufinden, welche Situationen von Passagieren und Besatzung als erklärungsbedürftig empfunden werden und wie das Schiff diese selbstständig erkennen und erklären kann“, erklärt Prof. Dr. Sven Tomforde von der Arbeitsgruppe Intelligente Systeme der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). „Das soll im ersten Schritt das Verständnis und in einem zweiten Schritt die Bereitschaft erhöhen, das Verkehrsmittel zu nutzen.“ Tomforde leitet das Forschungskonsortium, das aus insgesamt sechs Partnern besteht. Neben den drei Informatik-Arbeitsgruppen Intelligente Systeme, Verteilte Systeme und Zuverlässige Systeme der CAU gehören die Forschungs- und Entwicklungszentrum der Fachhochschule Kiel GmbH (FuE-Zentrum FH Kiel), die Anschütz GmbH, die Vater GmbH, HHVision GmbH & Co KG und die Hochschule Flensburg mit zum Team. Letztere wird sich vor allem mit Bedienkonzepten und Fahrgastakzeptanz beschäftigen.

Auf Basis der an Bord befindlichen Sensorik wie Kameras, Lidar, Radar und Sonar sowie des bisher erlernten Wissens erkennt und bewertet die autonome Fähre selbstständig die aktuelle Situation. Ausgangsbasis sind die vorhandenen Daten und Konzepte aus den CAPTN-Projekten Förde Areal und 5G.  Der elektrisch angetriebene Katamaran MS „Wavelab“ der CAPTN Initiative soll dabei zunächst als Forschungsplattform dienen. Die entwickelten Methoden und Systeme sollen anschließend auf konventionellen, im Einsatz befindlichen Schiffen des assoziierten Partners, der Schlepp- und Fährgesellschaft Kiel (SFK), demonstriert werden.

Die erfassten Umgebungsdaten werden für die Visualisierung aufbereitet. Die Passagiere können somit die selbsttätig ausgeführten Manöver und die dazugehörigen automatisch generierten Erklärungen über zentrale Monitore auf der Fähre verfolgen. Kapitäne und die Steuerleute im Kontrollraum sollen künftig durch Smart Devices das Navigations- und Fahrverhalten des Schiffs verfolgen können und somit einen sicheren Betrieb gewährleisten.

„Für die CAU leistet dieses Projekt einen wichtigen Beitrag zur Ausweitung unserer Forschungskompetenz im Bereich autonomer, intelligenter Systeme“, betont Prof. Dr.-Ing. Eckhard Quandt, Vizepräsident für Forschung, wissenschaftliche Infrastruktur und Transfer. „Der wichtigste Punkt aus Sicht der CAU ist der zu erwartende Multiplikatoreffekt: Die gewonnenen Erkenntnisse sollen die Grundlage für die Einwerbung weiterer Fördermittel und Kompetenzen nicht nur im Bereich der autonomen Schifffahrt, sondern auch im Bereich des anwendungsorientierten maschinellen Lernens, der Verhaltensvorhersage und der Absicherung von autonomen Verkehrsträgern bilden.“

Weltweit gibt es mehrere vergleichbare Initiativen, die sich mit der autonomen Schifffahrt beschäftigen – teilweise auch mit hochautomatisierten Passagierfähren. Die Akzeptanz der Passagiere und des verantwortlichen Personals wurde bisher jedoch nicht berücksichtigt. „CAPTN X-Ferry stellt den Menschen in den Mittelpunkt – ein zentraler Punkt bei der Nutzung autonomer öffentlicher Verkehrsmittel. Damit haben die Erkenntnisse des Projekts eine Wirkung, die über Kiel und die Region hinausgeht“, betont Daniel Sommerstedt. Die Ergebnisse ließen sich auf andere Schiffstypen und Szenarien übertragen. In einem ersten Schritt werde im Projekt eine beispielhafte Übertragung anhand der Daten eines Containerschiffes konzipiert, erläutert der System Engineer Autonomous Navigation bei Anschütz. Weitere mögliche Produktentwicklungen zielen auf neuartige Visualisierungs- und Immersionsumgebungen sowie auf Module für zukünftige interaktive Kontrollzentren für (teil-)autonome Schiffe.

Das autonome Fahren wird auch in der Schifffahrt als Chance gesehen. Zum einen können die Fährgesellschaften und Reeder damit der schwindenden Anzahl an nautischem Personal entgegenwirken. Zum anderen ließen sich so Unfälle reduziert. Eine Untersuchung, die 2021 im Journals of Shipping und Trade veröffentlicht wurde, ergab, dass 85 Prozent der Schiffsunglücke auf menschliches Versagen zurückzuführen sind.

Zudem, so die Hoffnung der Forschenden, könnten sich die Ergebnisse auf weitere hochautomatisierte Mobilitätskonzepte übertragen lassen. Damit ließen sich auch für autonome Züge und Bahnen, Autos und Busse ähnliche Ansätze zur nutzerzentrierten Selbsterklärung verwirklichen, um die Basis für den von der CAPTN Initiative angestrebten vernetzten Ansatz der Mobilitätskette zu bilden.

Die CAU erhält für das Projekt X-Ferry eine Förderung von 1,28 Mio. Euro vom Maritimen Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert. Insgesamt hat das Vorhaben ein Volumen von 4,5 Mio. Euro.

Quelle und Grafik: CAPTN Initiative