Digitalisierung macht die Seefahrt umweltfreundlicher

Ende 2018 wurden die Richtlinien für die Umsetzung des Klimaabkommens von Paris festgelegt. Die internationale Seefahrt kann einen wichtigen Beitrag zur Wende in Richtung nachhaltigerer Wirtschaft leisten. Über die Entwicklung neuer Schiffstypen mit innovativer Antriebstechnologie hinaus, kann auch mit der bestehenden Flotte viel für die Umwelt getan werden. Die Digitalisierung spielt dabei eine Schlüsselrolle.

Ende 2015 haben in Paris 195 Länder vereinbart, die Erderwärmung auf höchstens 2 Grad Celsius, am besten jedoch auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Das erfordert eine starke Reduzierung der Treibhausgase. Industrieunternehmen signalisieren, die nationalen Behörden bei der Umsetzung der Klimaziele unterstützen zu wollen. Shell kündigte zum Beispiel vor Kurzem an, die Boni des Topmanagements an konkrete Klimaziele koppeln zu wollen. Umweltschutz ist damit nicht nur eine ethische Fragestellung, sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Auf fossilen Brennstoffen basierende Industriezweige haben keine Zukunft mehr. Investoren merken, dass ihre Risiken steigen, wenn die Klimaveränderung außer Kontrolle gerät.

Auch der Rotterdamer Industriekomplex, der jährlich für ca. 30 Megatonnen CO2-Ausstoß verantwortlich ist, wird an den Klimazielen ausgerichtet. Der Hafenbetrieb arbeitet mit seinen Partnern auf eine CO2-neutrale Industrielandschaft hin. Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hat an dem Energiewendeplan „In drei Schritten zu einem nachhaltigen Industriecluster Rotterdam“ mitgearbeitet. „Bei der Industrie setzen wir unter anderem auf Biomasse, Windenergie und CO2-Lagerung im Meeresboden“, erklärt Alan Dirks, Leiter von Environmental Management beim Hafenbetrieb. „In diesen Bereichen können wir relativ schnell viel CO2 einsparen. Außerdem stimulieren wir mit Incentives nachhaltige Schifffahrt in unserem Hafen und arbeiten mit anderen Häfen an einer saubereren Schifffahrt zusammen.“

Die Seefahrt ist auch ein großer Verursacher von Treibhausgasen. Die Schiffe, die von anderen Häfen aus nach Rotterdam kommen und von Rotterdam aus zu anderen Häfen weiterfahren, stoßen jährlich gemeinsam ungefähr 23 Megatonnen CO2 aus. Die Internationale Maritime Organisation (IMO) strebt eine Halbierung des CO2-Ausstoßes der Seefahrt im Jahr 2050 an. Unter anderem sauberere Kraftstoffe und neue Schiffsentwürfe mit innovativer Antriebstechnologie sollen es mit ermöglichen. Kurzfristig haben LNG (Flüssiggas) und Biokraftstoffe positiven Einfluss auf die Luftqualität. Die Wasserstofftechnologie birgt viele Möglichkeiten, ist jedoch vorläufig noch Zukunftsmusik. Auch mit der bestehenden Flotte kann man nach Meinung von Dirks noch viele Umweltverbesserungen erreichen. Die Digitalisierung spielt dabei eine Schlüsselrolle.

Rinske van der Meer, Beraterin für die Geschäftspolitik, koordiniert beim Hafenbetrieb die Entwicklung von Modellen für die Berechnung, Analyse und Optimierung der Treibhausgasemissionen. Sie sind teilweise an das Pronto-Tool des Hafenbetriebs für Port Call Optimierung gekoppelt. Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Effizienz liegen hierbei auf einer Linie. Van der Meer: „Pronto konzentriert sich auf die Verkürzung der Wartezeiten der Schiffe im Hafen. Das System bietet eine Echtzeitübersicht der verfügbaren Liegeplatz- und Abfertigungskapazität. Wenn im Hafen noch kein Platz ist, können die Schiffe ihre Fahrgeschwindigkeit senken, wodurch sie weniger lange warten müssen. Dies reduziert den Ausstoß während der Reise sowie am Ankerplatz und führt darüber hinaus auch noch zu einer Kraftstoffersparnis.“ Dirks: „Wir geben einen Einblick in Dinge, die vorher eine Black Box darstellten. Mit der richtigen Fahrgeschwindigkeit, abgestimmt auf die Liegeplatz- und Hafenkapazität, erreicht man den Hafen just-in time und spart Hafengebühren. Ist es nicht toll, dass dies auch noch zu einer saubereren Umwelt beiträgt?“

IT-Entwickler Pim Verkerk: „Das CO2-Modul in Pronto kann auf der Grundlage der Route, der Schiffs- und der aktuellen Terminplanung sowie der Fahrgeschwindigkeit den CO2-Ausstoß des Schiffs berechnen. Es vergleicht dies mit der optimalen Geschwindigkeit, die das Schiff hätte haben sollen. Daraus kann man für jeden Schiffsbesuch das Sparpotenzial ableiten. Gegenwärtig können wir bereits zurückrechnen und im Nachhinein berichten, wie die Emissionen waren und wo das Verbesserungspotenzial liegt. Langfristig möchten wir zunehmend mit Vorhersagen arbeiten und mögliche Einsparungen in Echtzeit visualisieren.“ Schiffe werden nicht immer ihre Fahrgeschwindigkeit senken, um einen Hafen just-in-time zu erreichen. Eine Reparatur kann einen Grund darstellen, warum man gerade etwas früher ankommen möchte. Darüber hinaus sind Schiffe oft vertraglich verpflichtet, möglichst schnell von einem Hafen zum anderen zu fahren. Aus diesen Gründen schauen sich die Berater des Hafenbetriebs gemeinsam mit der IMO die Materie auch vom vertraglichen Standpunkt aus an. Dirks: „Es wird erst dann wirklich funktionieren, wenn effizienteres Fahren für alle Glieder der Kette attraktiver ist. Das zu realisieren braucht Zeit, aber wir sind auf dem richtigen Weg.“

Über den CO2-Ausstoß hinaus zeigt Pronto auch den Stickstoffausstoß der Seeschiffe. Er trägt in hohem Maße zur Überdüngung des Naturgebiets bei. Van der Meer: „Vor allem an der Küste entlang ist der Einfluss groß. Wenn Schiffe im Rotterdamer Ankergebiet zu lange liegen müssen, hat es sofort einen Einfluss auf die örtliche Umwelt.“ Der Hafenbetrieb hofft, mit den Umweltinstrumenten bei Pronto auch die Bereitschaft der Marktpartner zu steigern, um Informationen noch aktiver zu teilen. Van der Meer: „Je mehr Einblick alle Kettenglieder in die gegenseitigen Aktivitäten haben, desto stärker wird die Kette. An der Optimierung der Port Calls sind sehr viele Partner beteiligt. Das Teilen der Daten ist aus diversen Gründen noch keine Selbstverständlichkeit. Die Einsicht in den Kraftstoffverbrauch und die Emissionen kann dazu führen, dass die Schwelle niedriger wird. Der Markt weiß, dass dies wichtig ist und dass es in den kommenden Jahren noch an Wichtigkeit gewinnen wird.“

Quelle: Port of Rotterdam, Grafik: Pronto