Digitalisierung vorantreiben

Bei der Jahresauftaktveranstaltung des Deutschen Verkehrsforums hat Agnes Heftberger, DVF-Präsidiumsmitglied, Mitglied der Geschäftsführung, IBM Deutschland GmbH (Foto), gefordert, dass Deutschland bei der Digitalisierung des Verkehrssektors aus dem Projektstadium endlich zur breiten Umsetzung kommen müsse.

Heftberger: „In der öffentlichen Wahrnehmung findet die Innovation für intelligente Mobilität im Ausland statt. Der Eindruck täuscht, vieles davon ist Made in Germany. Deutschland ist in vielen Entwicklungsbereichen Vorreiter. Wir sind nur leider in Deutschland keine Umsetzungsweltmeister bei der Digitalisierung des Verkehrssektors. Das muss sich ändern! Dafür brauchen wir jetzt einen Digitalpakt für Mobilität, der die Finanzierung sicherstellt und alle Partner zur Umsetzung verpflichtet.“

Die Bausteine für die Digitalwende im Mobilitätsbereich seien vorhanden. Allerdings hapere es nicht nur an der Umsetzung, sondern auch an den Grundlagen dafür, wie beim mobilen Datennetz. Laut Heftberger muss zumindest ein flächendeckendes 4G Netz aufgebaut werden. „Ferner braucht es eine Datenverfügbarkeit in ausreichender Qualität. Und beim Rechtsrahmen ist leider auch noch Nachholbedarf: So kann es nicht sein, dass die Zulassung der digitalen Abrechnung von Ladesäulen in kommunalen Eichämtern hängen bleibt. Vor allem müssen wir die Akzeptanz bei den Menschen für digitale Lösungen erreichen. Bei der Umsetzung müssen alle an einem Strang ziehen!“

„Der Einsatz des europäischen Zugbeeinflussungssystems ETCS auf der Neubaustrecke München-Berlin, das Projekt „Digitale S-Bahn Hamburg“ oder das volldigitalisierte Service-Center beim Rhein-Ruhr-Express zeigen, wie die Digitalisierung der Schieneninfrastruktur das Zugfahren pünktlicher, zuverlässiger und insgesamt besser macht“, erklärte Andre Rodenbeck, CEO Rail Infrastructur, Siemens Mobility GmbH. Die Technologien seien also vorhanden – jetzt müsse man gemeinsam die weitere Umsetzung angehen. „Wenn wir das Projekt „Digitale Schiene Deutschland“ konsequent vorantreiben und alle Partner an einem gemeinsamen Zielbild eng zusammenarbeiten, können wir diese spürbaren Verbesserungen schnell auf allen Strecken erreichen. Nicht zuletzt können wir dadurch auch international Vorreiter werden und Impulse für Wachstum und Beschäftigung setzen.“

Heftberger: „Der Vorteil der Digitalisierung ist, dass die Projekte sofort konjunkturell wirken, bereits kurz- bis mittelfristig Effizienzvorteile schaffen und keine Planungs- und Genehmigungskapazitäten benötigen. Im Gegenteil: Die knappen Ressourcen in den Unternehmen und Behörden werden eher entlastet. Damit sind Digitalisierungsmaßnahmen im Mobilitätssektor konjunkturell und strukturell die ideale Ergänzung zu den ebenso dringend notwendigen Infrastrukturinvestitionen. Deutschland darf diese Konjunktur- und Wachstumschancen nicht durch Untätigkeit verspielen.“

Aus Sicht von Christa Koenen, Vorsitzende der Geschäftsführung, DB Systel GmbH, zahlt die Digitalisierung auch auf den Klimaschutz ein: „Ohne eine flächendeckende Digitalisierung werden wir unsere ehrgeizigen Ziele im Kampf gegen Klimawandel und Verkehrskollaps nicht erreichen können.“

Anne Grünkorn, Geschäftsführerin LogPay Mobility Services GmbH: „Durch digitale Verkaufskanäle wie Online-Ticketshops und vor allem ÖPNV-Apps können die Verbraucher bequem und einfach ihr Ticket oder Abo kaufen, das heißt, kein Anstehen in Schlangen vor Verkaufsstellen oder vor Automaten. Da heute kaum noch jemand ohne Smartphone sein Haus verlässt, hat man so sein Ticket immer bei sich. Was noch in der ÖPNV-Branche fehlt, ist eine stärkere Vernetzung zwischen den Regionen und den urbanen Räumen in Deutschland und das Angebot eines überschaubaren Ticket- und Tarifsortiments über alle digitalen Verkaufskanäle. Nach dem Motto: Weniger ist mehr. Das kostet auch weniger IT-Aufwand. Wichtig bei digitalen Verkaufsprozessen ist ein sicherer Bezahlprozess mit einem breiten Angebot an Zahlarten und hier ist Sicherheit gegen Datenklau und für Betrugsprävention sowohl für Verbraucher als auch für die Mobilitätsanbieter ein wesentlicher Parameter.“

Dem stimmte Stefan Gelbhaar MdB, verkehrspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN zu, auch er wünschte sich einen durchgehenden Fahrschein für die Nutzung des ÖPNV deutschlandweit: „Smart Ticketing über die 16 Bundesländer hinweg mit ihren vielen unterschiedlichen Verbundsystemen und Tarifstrukturen wäre eine echte Verbesserung für die Kunden und würde auch mehr Menschen zum ÖPNV führen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Bund aktiv werden und die Beteiligten an einen Tisch holen.“

Der Leiter der Abteilung Digitale Gesellschaft im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Dr. Tobias Miethaner, war der Meinung, dass Deutschland ganz gut im Bereich der intelligenten Mobilität aufgestellt sei. Mit dem Personenbeförderungsgesetz habe Deutschland etwa einen Rahmen für neue Mobilitätsdienste vorgelegt. Vor allem im Bereich des autonomen Fahrens sei Deutschland mit der Entwicklung eines entsprechenden Gesetzesrahmens weltweit an der Spitze. Miethander betonte: „Neue Technologien benötigen die Akzeptanz durch die Bürger*innen. Hier sind wir gemeinsam als politische Entscheidungsträger und Industrie gefordert, die Menschen von neuen technologischen Lösungen zu überzeugen. Wir müssen den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Wichtig sind der gesellschaftliche Dialog und die Bürgerbeteiligung bei digitalen Projekten. Wir wollen deshalb neue Technologien attraktiv für die Mobilitätsdienstleister machen, indem wir Anreize schaffen: Wir setzen zügig den nötigen Rechtsrahmen und unterstützen, wo erforderlich, durch Förderprojekte und Reallabore.“

Dr.-Ing. Michael Benz, geschäftsführender Gesellschafter, Benz + Walter GmbH, sagte, dass Innovationen, die sich heutzutage vor allem im Bereich der Digitalisierung abspielten, unbürokratisch und schnell unterstützt werden sollten. „Darüber hinaus sollten wir in Aus- und Weiterbildung investieren und die so dringend benötigte Infrastruktur schaffen. Ein wesentliches Erfolgskriterium der Unternehmen des Silicon Valley ist der Leitsatz „Fail fast, fail often“. Als alte Ingenieursnation müssen wir daher auch Fehler zulassen und verstehen, dass diese nützlich für den Erfolg einer digitalen Lösung sind. Aber nur, wenn schnell nachgebessert wird.“

Ähnlich sah den Unterschied bei der Entwicklungs- und Vermarktungsmentalität Johann Jungwirth, Vice President, Mobility-as-a-Service, Mobileye, An Intel Company. So sei man im Silicon Valley oder in Israel mutiger und kalkuliere Scheitern ein. Auch würde nicht so lange gewartet, bis das Produkt eine hundertprozentige Reife habe, sondern man probiere die Produkte schneller aus. Jungwirth lobte den deutschen Gesetzesrahmen für das autonome Fahren und betonte den Vorteil von autonom fahrenden Autos. 94 Prozent der Unfälle seien auf menschliches Versagen oder Fehlverhalten zurückzuführen – mit einer neuen Technologie lasse sich deren Zahl drastisch reduzieren.

„Digitalisierung und neue Technik können viele Verkehrstote verhindern, entsprechende Technologien müssen rasch eingeführt werden. Allerdings müssen wir transparent erklären, warum wir etwas machen, was der Nutzen ist. So können wir Herzen und Verstand gewinnen und für Akzeptanz sorgen“, sagte der Bundestagsabgeordnete Gelbhaar.

Die öffentliche Hand habe genügend Spielraum, neue innovative Lösungen umzusetzen, so Benz. Die Herausforderungen lägen aber an anderen Stellen. So habe die öffentliche Hand kaum Ressourcen, entsprechende Mittel abzurufen. „Einerseits besteht nicht genügend Wissen darüber, wie man die Mittel abruft, andererseits beschäftigt man sich zu wenig mit Innovationen, da die Mitarbeiter immer tief im Tagesgeschäft stecken. Dazu kommt, dass kommunale Unternehmen oftmals den geforderten Eigenanteil bei solchen Projekten nicht aufbringen können.“

Quelle: Deutsches Verkehrsforum, Foto: IBM