Flüssigerdgas als Alternative

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Bei einem Expertengespräch der VTG Aktiengesellschaft (WKN: VTG999) und der Brunsbüttel Ports GmbH wiesen namhafte Vertreter aus Politik und Wirtschaft auf die zukünftige Bedeutung von LNG (Liquefied Natural Gas) im Industrie- und Transportsektor hin.

Sie appellierten daran, die notwendigen Voraussetzungen zur Etablierung des Flüssigerdgases zu schaffen. Ein deutsches LNG-Importterminal ist hierfür zwingend notwendig. Im europäischen Vergleich hat Deutschland Nachholbedarf – das Potenzial ist erkannt.

„LNG: Anspruch und Wirklichkeit – Ein Expertengespräch“ – dies war Titel des heutigen Gesprächs zwischen Ole von Beust (Maritime LNG Plattform), Kurt-Christoph von Knobelsdorff (stellvertretender Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Schleswig-Holstein), Achim Wehrmann (Abteilungsleiter im Bundesverkehrsministerium), Dr. Jochen Wilkens (Geschäftsführer des Verbandes der chemischen Industrie e.V., Landesverband Nord), Dr. Heiko Fischer (Vorsitzender des Vorstandes der VTG AG) und Frank Schnabel (Geschäftsführer der Brunsbüttel Ports GmbH/SCHRAMM group und Sprecher der Werkleiterrunde des ChemCoast Park Brunsbüttel). Sie alle stellten sich den Fragen von Tim-Oliver Frische (leitender Redakteur bei der DVV Media Group) sowie der geladenen Journalisten in Hamburg.

Neben dem Verkehrssektor gewinnt LNG auch im Industriesektor sowie bei energiepolitischen Fragen vermehrt an Bedeutung. „Die derzeitige Erdgasversorgung in Deutschland erfolgt weitestgehend über Pipelines aus den Niederlanden, Norwegen und Russland. Aufgrund zurückgehender Erdgasförderungen in den Niederlanden werden auf absehbare Zeit die Niederlande als Lieferant wegfallen, so dass insbesondere die Abhängigkeit von russischem Erdgas steigen wird. LNG bietet die Möglichkeit pipelineunabhängig große Mengen Erdgas weltweit zu beziehen, wodurch die Abhängigkeit von den derzeitigen Lieferanten sinkt und Preise auf dem Markt frei verhandelbar sind. Genau diese Diversifikation verfolgt auch die EU-Kommission mit ihrer Flüssiggas-Strategie“, erläuterte Kurt-Christoph von Knobelsdorff.

Insbesondere der Industriesektor sieht die langfristigen Vorteile von LNG als Alternative zu Pipelinegas. Zur Belieferung der Industriekunden hat die VTG Aktiengesellschaft gemeinsam mit Chart Ferox a.s., einem Spezialisten für die Entwicklung von Transportbehältern für tiefkalte Flüssigkeiten, einen LNG-Kesselwagen entwickelt und gebaut. „Mit unserem LNG-Wagen bringen wir das umweltfreundliche Flüssigerdgas auf die umweltfreundliche Schiene“, fasste Dr. Heiko Fischer den ökologischen Nutzen der neuen Transportmöglichkeit von LNG zusammen. „So können weit größere Mengen von LNG transportiert werden, was vor allem in der Industrie von Vorteil ist“, ergänzte Dr. Fischer. Der LNG-Kesselwagen der VTG fasst das doppelte Volumen eines LKW und das dreifache Volumen eines LNG-Tankcontainers, ist europaweit einsetzbar und hält das LNG bis zu sechs Wochen tiefkalt.

Dr. Jochen Wilkens erläuterte aus Sicht der energieintensiven Industrie: „Die chemische Industrie an der Unterelbe ist einer der größten Nutzer von Gas. Für unsere Unternehmen ist die Versorgungssicherheit von Erdgas im internationalen Vergleich ein entscheidender Standortfaktor. Wir sehen LNG als wichtigen Teil des zukünftigen deutschen Energiemixes. Unsere norddeutschen Standorte müssen von der Preisentwicklung auf dem LNG-Gasmarkt profitieren können, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Dafür benötigt Deutschland ein eigenes LNG-Importterminal. Insgesamt ist die Sicherstellung einer verlässlichen Energieversorgung ein elementarer Bestandteil einer verantwortungsvollen Industriepolitik.“

Frank Schnabel belegt die Bedeutung des Energiemarktes für die chemische Industrie am Beispiel des Brunsbütteler Chemieclusters mit Zahlen: „Bereits heute beträgt der summierte Erdgasbedarf der Industrie im ChemCoast Park Brunsbüttel rund 800 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Hochrechnungen prognostizieren in den kommenden Jahren einen steigenden Energiebedarf bei Erdgas am Standort”.

Da bereits ein sehr großer Gasverbrauch der regionalen Industrie am Industrie- und Hafenstandort Brunsbüttel gegeben ist und gleichzeitig das Interesse für LNG als alternativen Energieträger und Produktionsgrundstoff steigt, sieht Schnabel Brunsbüttel als idealen Standort für ein LNG-Importterminal. Das derzeitige Konzept für dieses Importterminal basiert auf einer Dreisäulen-Strategie für die gesamte Metropolregion Hamburg: Erstens LNG als alternativer Treibstoff für Schiffe am stark befahrenen Schifffahrtspunkt Elbe/Nord-Ostsee-Kanal und den Landverkehr. Zweitens die regionale, aber auch überregionale Versorgung der Industrie sowie drittens, die Möglichkeit mit LNG die Erdgasbezugsquellen der Bundesrepublik Deutschland weiter zu diversifizieren. Der Brunsbütteler Elbehafen verfügt über ausreichend Tiefgang und sicherheitsrelevante Erfahrungen im Umgang mit flüssigen Energieträgern und Chemikalien, so dass eine verantwortungsvolle Nutzung von LNG vor Ort sicherheitstechnisch gewährleistet ist. Bereits seit Jahren wird LPG (Liquefied Petroleum Gas) umgeschlagen. Ferner sind in Brunsbüttel ausreichend hafennahe verfügbare Freiflächen verfügbar, auf denen LNG-Infrastrukturprojekte realisiert werden können.

„LNG und Brunsbüttel sind eine ideale Kombination, da an keinem anderen Standort die vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten von LNG so vereint werden wie am Industrie- und Hafenstandort Brunsbüttel“, fasste Schnabel zusammen. Insbesondere die Nähe zur Hansestadt ist für Schnabel ausschlaggebend, da das Brunsbütteler Terminal „auch ein Terminal für Hamburg ist“.
Die Planungen in Brunsbüttel werden derweil vorangetrieben. Mit dem Unternehmen Nederlandse Gasunie, das auch zu 50 Prozent Eigentümer des GATE-Terminals in Rotterdam ist, wird in Kürze in einer Absichtserklärung vereinbart, gemeinsam die Möglichkeiten zur Errichtung eines LNG-Importterminals am Standort Brunsbüttel zu prüfen. Die notwendigen Genehmigungen werden im Zuge der weiteren Planungen sorgfältig vorbereitet und durchgeführt.

Insbesondere in der Schifffahrt, aber auch im landseitigen Lkw-Verkehr, steigt die Nachfrage nach LNG als Alternative zu herkömmlichen Treibstoffen. Unter anderem durch die weiter zunehmenden umweltrechtlichen Auflagen in der Seeschifffahrt wird sich LNG nach Meinung der Experten trotz des dauerhaft niedrigen Ölpreises als ein alternativer Treibstoff durchsetzen. Mit LNG sinken im Vergleich zu herkömmlichen Schiffstreibstoffen die Partikel- und Schwefelemissionen um nahezu 100 Prozent, die Stickstoffemissionen um 70 Prozent sowie die Treibhausgasemissionen um 25 Prozent. Der Einsatz von LNG ermöglicht es, die seit Januar 2015 vorgeschriebenen maximalen Schwefeldioxidemissionen von 0,1 Prozent in den SECA-Gebieten in der Nord- und Ostsee (Sulphur Emission Control Area) einzuhalten. „Auch die Schifffahrt wird nicht umhinkommen, sich den gesteigerten Anforderungen des Klimaschutzes und des Gesundheitsschutzes zu stellen“, sagte Ole von Beust. „Ich begrüße, dass immer mehr Reeder Ihrer Verantwortung durch Neu- bzw. Umbau von Schiffen, die mit LNG betrieben werden, gerecht werden. Der Staat muss hier durch Zulassung einer entsprechenden Infrastruktur und der Umstellung der eigenen Schiffe auf LNG-Antrieb  mit guten Beispiel dabei sein“, forderte von Beust.

Was ist LNG

LNG ist Erdgas, das auf -164 bis -161°C heruntergekühlt wird und dadurch in den flüssigen Aggregatzustand wechselt. Da LNG nur etwa ein 600stel des Volumens von Erdgas einnimmt, wird der Transport effizient und stark vereinfacht. Aufgrund dieser Eigenschaften wird LNG weltweit gehandelt und ist in großen Mengen verfügbar.

Quelle und Foto: VTG Aktiengesellschaft und Brunsbüttel Ports GmbH