Hafenbahnen könnten Verlagerungsziel erreichen

Die VDV-Arbeitsgemeinschaft Eisenbahnen öffentlicher Häfen (EöH), der Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen (BöB) und der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) appelieren an die Bundesregierung, sich für das Erreichen der Klimaschutzziele verstärkt den bestehenden Engpässen bei der bundeseigenen Bahn-Infrastruktur im Zulauf der Häfen zuzuwenden und den Neu- und Ausbau der Hafenbahninfrastrukturen zu fördern. In einem gemeinsamen Positionspapier unterbreiten die Hafenbahnen konkrete Vorschläge.

Wir identifizieren uns mit dem Ziel der Verkehrswende und der damit verbundenen Umsetzung einer nachhaltigen Verkehrsverlagerung auf den Umweltverbund Wasser und Schiene. Dafür müssen wir bestehende Wachstumspotenziale heben. Wir haben daher konsequenterweise vereinbart, bei den Bahnverkehren über die Häfen einen nachhaltigen Modal-Split zu erreichen, der über dem bundesweiten Verlagerungsziel von 25 Prozent bis 2030 liegt“, so Carsten Strähle, Geschäftsführer des Hafens Stuttgart und Vorsitzender der EöH. ZDS, BöB und EöH benennen im Positionspapier 16 Handlungsfelder rund um das Thema Ausbau, Förderungen, Bürokratieabbau und gesamtheitliche Betrachtung der Hafen Logistik in Deutschland.

„Bei Häfen denkt man zunächst an Wasser und Schiffe, dabei betreiben wir hocheffiziente trimodale Logistikzentren, die die Verkehrsträger Wasser, Straße und Schiene verknüpfen. In den deutschen Häfen werden insgesamt 2.000 Kilometer Schienenstrecke befahren und bewirtschaftet – und einige Hafenbetriebe betreiben eigene, europaweit tätige Eisenbahnverkehrsunternehmen“, so ZDS-Hauptgeschäftsführer Daniel Hosseus bei der Vorstellung des Papieres. Das Schienengüterfernverkehrsnetzförderungsgesetz (SGFFG) sei dabei ein wesentliches Förderinstrument für die nachhaltige Logistik. „Keine Frage, die Gesetzesänderung des SGFFG im Juli 2021 stärkt das Schienennetz in den Häfen. Doch es herrscht Unklarheit, ob die so wichtigen Investitionen in Neu- und Ausbauten ebenfalls förderfähig sind, denn hier fehlt eine ausdrückliche Erwähnung.“ Hier sind Bund, Eisenbahn-Bundesamt und Länder aufgefordert, die Auslegung des anwendbaren Rechts klarzustellen und im zweiten Schritt die Förderung an den Bedarf anzupassen.

Das Thema Schienengüterverkehr über die Häfen müsse, das zeigt das zweite Handlungsfeld des Positionspapiers, beim Bund viel stärker auf die Agenda, wenn er seine ehrgeizigen Klimaschutzziele für den Verkehrssektor bis 2030 erreichen will. In den vorgelagerten bundeseigenen Eisenbahninfrastrukturen bestehen Engpässe, die sich nachteilig auf die Bedienung der Häfen durch die Verkehrsunternehmen auswirken und somit die Kapazität der Schiene spürbar verringern. Diese könnten nach Einschätzung der Verbände mit vergleichsweise geringem finanziellem Aufwand behoben werden. BöB-Geschäftsführer Marcel Lohbeck: „Die DB Netz AG hat für die kleinen und mittleren Maßnahmen derzeit kein passendes Finanzierungsinstrument, sie kann über Investitionen in geeignete Maßnahmen keine direkten Mehreinnahmen generieren – für die Nutzer und das Gesamtsystem sind diese aber existenziell. Der Bund ist für Deutschland die Klimaschutzziele eingegangen – darum wäre es hilfreich, wenn er die Eisenbahninfrastruktur auch an diesen Stellen ertüchtigt, um die damit verbundenen Potenziale an zusätzlichem Güterverehr auf der klimafreundlichen Schiene zu nutzen.“

Die Verbände unterstützen die möglichst schnelle und wirkungsvolle Einführung des Deutschlandtaktes. Allerdings wird hier in der aktuellen Umsetzung das Risiko gesehen, dass der Schienengüterverkehr nicht ausreichend Berücksichtigung findet: „Ziel muss es sein, mehr Verkehre über die Schiene auf dem Weg vom und zum Hafen abzuwickeln. Wenn jedoch die Güterbahnen keine gleichberechtigte Berücksichtigung bei den Taktfahrplänen im Rahmen des Deutschlandtaktes finden, wird das übergeordnete Ziel nicht erreicht werden können“, so Strähle. „Die neue Bundesregierung muss sich auch fragen lassen, warum sie den klimafreundlichen Schienengüterverkehr über die geltende Trassenpreisförderung zwar richtigerweise fördert, aber nur für bundeseigene Schienenwege und somit nicht fürs gesamte Eisenbahnnetz in Deutschland“

Das Positionspapier „Schienenpolitische Vorschläge der deutschen See- und Binnenhäfen für eine erfolgreiche Verkehrswende“ ist auf vdv.de/positionenhinterlegt. Es setzt auf dem Masterplan Schienenverkehr der Bundesregierung und dem aktuellen vom VDV in Auftrag gegebenen Gutachten zum Schienengüterverkehr in Deutschland bis 2030 von Roland Berger auf, das hierverknüpft ist.

Die 53 in der VDV-Arbeitsgemeinschaft Eisenbahn öffentlicher Häfen (EöH) organisierten See- und Binnenhäfen zählen zu den Umschlagsstärksten ihrer Branche. Laut Marktuntersuchung 2020 der Bundesnetzagentur sind mehr als 130 Hafenstandorte an das deutsche Eisenbahnnetz angebunden. Wenn man die zwei Millionen Güterwagen, die in den deutschen Häfen jährlich bewegt werden, hintereinander aufstellt, würde dieser Zug einmal um die Erde reichen. Die See- und Binnenhäfen erzeugen eine erhebliche Wertschöpfung für die deutsche Volkswirtschaft: Die direkten jährlichen Effekte der hafenabhängigen Wirtschaft belaufen sich auf über 2,8 Milliarden Euro, auf die erweiterte hafenabhängigen Wirtschaft über 9,7 Mrd. Euro und die gesamtwirtschaftliche Effekte der erweiterten hafenabhängigen Wirtschaft über 25,6 Milliarden Euro. Die Wertschöpfung der hafenabhängigen Industrie beläuft sich auf 127,7 Milliarden Euro.

Quelle: VDV, BÖB und ZDS, Foto: RheinCargo