Jahresauftakt der NRW-Logistik

Das Kompetenznetz Logistik.NRW, getragen vom LOG-IT Club e. V. und dem Verband Verkehrswirtschaft und Logistik NRW e. V. (NRW), begrüßte in den Räumen der IHK zu Dortmund zum traditionellen Jahresauftakt die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen Mona Neubaur und ca. 100 Gäste aus der NRW-Logistikwelt. Mona Neubaur nahm zugleich die Ehrung der Sieger (Kindergärten und Kitas) des vom Kompetenznetz zusammen mit den NRW-Industrie- und Handelskammern ausgerichteten Ideenwettbewerbs „LogistiKids 2022“ vor.

Frank Oelschläger, Präsident des Log-IT-Club und Geschäftsführender Gesellschafter GILOG Ges. für innovative Logistik mbH, sieht 2023 wie 2022 als ein Jahr der Herausforderungen. NRW sei zwar ein TOP-Logistikstandort, gerade bei den Aufgaben Bereitstellung hinreichender Flächen und hinreichender Infrastrukturkapazitäten, insbesondere Instandsetzung und Engpassbeseitigung, wachse der Druck und sei Handlungsbedarf. Der Sektor Logistik sei absolut bereit für die energetische Transformation. Es müsse aber mehr Tempo in Bezug auf ein skalierbares Angebot von Lkw und vor Allem die Schaffung der notwendigen Versorgungsinfrastrukturen und grünen Energien kommen.

Anja Fischer, Vizepräsidentin der IHK zu Dortmund und Geschäftsführende Gesellschafterin der TRD-Reisen Fischer GmbH & Co. KG, wies auf den Stellenwert der Logistik im Kammerbezirk Dortmund und auf die aktuellen Potentiale hin z.B. durch das Projekt „Multi-Hub“ auf den alten Rangierflächen in Hamm/Westf. Nicht zuletzt mit den bedeutenden Forschungseinrichtungen an der TU Dortmund und den ebenfalls in Dortmund beheimateten Fraunhofer Institut IML biete man mit der Logistikbranche ein Schlüsselelement bei der energetischen Transformation der Wirtschaft. Die Logistik bleibe ein spannendes Betätigungsfeld, hoffentlich, so Anja Fischer, auch mit mehr weiblicher Präsenz.

Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, betonte die in Deutschland führende Rolle Nordrhein-Westfalens als Logistikstandort. Die Logistik habe in den beiden Krisen der letzten Jahre, COVID und Ukraine-Krieg überzeugend ihre Systemrelevanz für ein funktionierendes Gemeinwesen und die Wirtschaft bewiesen. Sie äußerte Respekt und ein Kompliment für diese Leistung. Die schon vor dem Kriegsausbruch am 24.02. begonnenen Energieverknappung und -Verteuerung sei für die Branche eine große unternehmerische Herausforderung. Mona Neubaur verwies an dieser Stelle an die „aktuell recht gut funktionierende“ Energiepreisbremse des Bundes und die vom Land NRW vorgesehene Unterstützung durch „Härtefellregelungen“ in Höhe von 100 Mio. €. Dennoch blieben die Rahmenbedingungen schwierig, auch mittelfristig blieben die Energiepreise deutlich über dem Vor-Ukraine-Krieg-Niveau.  Als Landesregierung NRW tue man auch einiges für die Unternehmen in der energetischen Transformation, zu nennen seien als Beispiele die verschiedenen Wasserstoff-Projekte, etwa HyTruck, an dem das Kompetenznetz Logistik und der VVWL aktiv beteiligt sind. Mana Neubaur hob hier positiv das Engagement der beteiligten Firmen hervor. So gehe es hier zurzeit um die Definition eines Tankstellennetzes in NRW für diese alternativen Energien.

Voraussetzung für das Ziel eines klimaneutralen Industrielandes NRW sei, dass dies ein Industrieland bleibe. Die Transformation der NRW-Industrie sei eine große Aufgabe, sie erfordere in den folgenden Jahren enorme Investitionen. Auch das Land NRW werde hier seinen Beitrag leisten (z. B. Fördergelder für die Wasserstoff-Umstellung bei thyssenkrupp Steel). Wichtig seien auch die Erschließung der Potentiale von PV-Anlagen auf den vielen Dächern von Logistikanlagen. In Bezug auf die energetische Transformation fordert sie die Logistik und ihre Unternehmen auf, dem Land konkrete „Lücken“ in Bezug auf Versorgung, Infrastruktur und Rahmenbedingungen zu benennen.

Ein wesentlicher rund für die heute vielfach maroden Verkehrsinfrastrukturen sei, so Mona Neubaur, dass in den vergangenen beiden Jahrzehnten zu wenig getan wurde. Die Lehre hieraus sei, dass der Staat Verantwortung für Infrastrukturen, Energien und schnelle Kommunikationsnetze übernehmen müsse und investitionsbereit zu sein habe.

Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Henke, Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund, entwarf ein beeindruckendes Bild vom Supply Chain Management der Zukunft. Die Digitalisierung umfasse alle Wirtschaftszweige. „Alles was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert“, so Prof. Henke laute das Leitbild der kommenden Jahre. So ermögliche die Digitalisierung „konsumzentrierte Lieferketten“, gerade hierbei habe Amazon schon einen großen Vorsprung. Die Krisen unserer Zeit würden zur Normalität. Die globalen Lieferketten seien verflochten und verwundbar, wie gerade die jüngsten Erfahrungen zeigten.  Prof. Henke listete hierzu viele festgestellte Folgen auf, die globalen Auswirkungen der aktuellen Krisen werden aber gerade erst erforscht bzw. das komplette Ausmaß der Auswirkungen steht noch nicht fest. Grundsätzlich gelte, es brauche ein neue Risk-Management. Noch mehr als bisher brache es eine umfassende, übergreifende Supply Chain Strategie (end-to-end). Der Lieferketten-Fokus liege nicht mehr länger auf der Kostenminimierung, sondern zumindest zugleich auf Resilienz, Flexibilität und Nachhaltigkeit, so Prof. Henke. Auf Basis der Krisenerfahrungen gelte es die Wertschöpfungsnetzwerke neu zu planen (Stichworte: Global und regional, Diversifizierung, Transparenz, neues Gleichgewicht Kosten und Bestand). Insgesamt seien Digitalisierung und Automation ein wichtiger Faktor und gelte es hier viel zu investieren. Prof. Henke skizzierte an dieser Stelle das strategische Leitbild und die Zukunftsperspektive der „Silicon Economy“, des Ecosystems künstlicher Intelligenz.

Peter Abelmann, Manager Kompetenznetz Logistik.NRW und Geschäftsführer des LOG-IT Clubs e.V., stellte den jüngsten „NRW-Logistikindex“ vor. Das aktuelle Geschäftsklima sei „nicht so positiv“. Nur noch 21% in NRW befragte Logistiker erwarteten eine günstigere Geschäftsentwicklung für 2023 als in 2022., 84% gehen von weiter steigenden Kosten aus 86% von steigenden Preisen. 62% gehen von einer gleichbleibenden, 23% von einer steigenden Beschäftigungsentwicklung aus.

Zu den Perspektiven 2023 befragt vom Moderator Dr. Christoph Kösters, Manager Kompetenznetz Logistik NRW und Hauptgeschäftsführer des VVWL NRW e.V.,  waren sich die drei Praktiker Ralf Düster, Vorstand Setlog AG, Frank Oelschläger, Geschäftsführender Gesellschafter Gilog Ges. für innovative Logistik mbH, und Norbert Redemann, Geschäftsführer der Norbert Redemann Spedition KG, einig: Es gibt einige Unsicherheiten, die Hoffnungen auf eine nicht so große und langanhaltende Rezession sind da, insgesamt heißt es nach einem bewegten aber wirtschaftlich durchaus noch guten Jahr 2022 „auf Sicht  zu fahren“. Die energetische Transformation ist eines der Mega-Themen 2023, auch der Fachkräftemangel und Strategien dagegen bleiben “top“ im neuen Jahr. Ralf Düster sieht bei den internationalen Lieferketten ein Nebeneinander von „Regional“- oder „Friend“ Shoring mit bestehenden globalen Lieferkettenstrukturen, aber kein Ablösen des letztgenannten. Frank Oelschläger stellt in seinem Kundenkreis auch schon in der Praxis entsprechende Tendenzen fest. Ralf Düster sieht dies – noch – nicht im Segment Textilien, schließlich seien dann auch noch z.B. Fachkräfte-Themen zu lösen. Hinsichtlich der Asien-Lieferketten seien durchaus gewisse Quellverlagerungen, z.B. von China zu anderen südosteuropäischen Ländern und damit diesbezüglichen Änderungen in den Ketten zu erwarten.

Die Digitalisierung bleibe trotz aller anderen Herausforderungen weiterhin ein Dauerthema. Und weiterhin investitionsintensiv, so alle drei Unternehmer. Die aktuellen Stellenabbauten auch bei digitalen Speditionen wie Flexport sieht Ralf Düster neben der allgemeinen wirtschaftlichen Lage auch darin begründet, dass inzwischen insbesondere größere Logistikunternehmen in Sachen Digitalisierung viel „aufgeholt“ haben.

Bezugnehmend auf das vom Wirtschaftsministerium NRW veröffentlichte „Handlungskonzept schwerer Straßengüterverkehr“ betonte Norbert Redemann, Ziele – 80.000 schwere Lkw mit alternativen Antrieben(Strom oder H2) bis 2030 – seien das eine, die noch fehlenden Voraussetzungen wie unzureichende Versorgungsinfrastruktur für Strom und H2, die noch nicht absehbare Deckung des gesamten großen Bedarfs an grüner Energie und die noch mengenmäßig wie standortbezogen noch fehlende ausreichende Anzahl von z. B. Schnelladestationen an den Standorten und den BAB-Parkplätzend das Andere. Die von Ministerin Mona Neubaur angesprochenen Potentiale für PV-Anlagen auf Logistik-Dächern nahm Frank Oelschläger gerne auf, er verwies unter anderem auf die schon zwei Jahre Initiative „PV in Handel und Logistik“ des Wirtschaftsministeriums NRW und NRW4Climate, zusammen mit Handelsverband NRW, VVWL und Kompetenznetz Logistik.NRW. Einige Logistiker haben hier schon Anlagen geschaffen, die Investitionsbereitschaft ist weiterhin da. Hier gelte es wie schon damals formuliert noch einige Verbesserungen in den Rahmenbedingungen und Regularien zu erreichen.

Quelle: Logistik.NRW, Foto: IHK zu Dortmund / Stephan Schütze