Sorge um den freien Handel

„Wir freuen uns über den steigenden Auftragseingang, gleichzeitig bereiten uns die zunehmenden protektionistischen Tendenzen an vielen Orten der Welt große Sorgen“, so Alexander Nürnberg, Vorstandsvorsitzender VDMA Marine Equipment and Systems anlässlich der Jahresbilanzkonferenz.


Die deutsche Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie mit ihren 63.500 hoch qualifizierten Beschäftigten hat jetzt die Talsohle durchschritten und kann erstmals seit drei Jahren wieder bessere Auftragseingangszahlen verkünden. Für das Jahr 2017 haben die Unternehmen ein Wachstum von 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gemeldet. Die Aussichten für 2018 sind ebenfalls positiv. Trotz des nochmals rückläufigen Umsatzes (10,6 Milliarden Euro, minus 4,4 Prozent) wird für 2018 ein leichtes Wachstum erwartet. Das ist auch dringend notwendig, denn nach der langen Durststrecke gilt es in den Zulieferbetrieben die Balance zwischen Investitionen in die Zukunft und Profitabilität zu halten.
„Unsere Unternehmen sind Teil einer globalen Wertschöpfungskette und wir betreuen unsere Komponenten und Systeme über den gesamten Lebenszyklus des Schiffes hinweg, da sind Zollschranken, Einreisebeschränkungen und komplizierte Exportkontrollen Gift für den gerade wieder anziehenden Markt“, erläutert Dr. Alexander Nürnberg.

„An das Auf und Ab in unseren wichtigsten Exportmärkten sind wir gewöhnt und reagieren darauf so flexibel, wie es uns nur möglich ist. Die zunehmenden Beschränkungen des freien Handels mit den USA, Indien, China, Russland und auch der Türkei gefährden jetzt aber Arbeitsplätze und Wohlstand im In- und auch im Ausland“, so Nürnberg weiter.

Die etablierten Märkte sind derzeit nicht die Treiber des Auftragseingangs. Es gilt vielmehr neue Kunden in Asien sowie im Nahen und Mittleren Osten mit passgenauen Angeboten zu überzeugen. Die Kundenanforderungen steigen dabei mit den digitalen Weiterentwicklungen. Neue Ideen sind durch technische Innovation umzusetzen und gleichzeitig wird die Verfügbarkeit im laufenden Betrieb vertraglich gewährleistet. Das ist Herausforderung und Chance zugleich, denn hier steckt einer der Wettbewerbsvorteile der deutschen maritimen Zulieferer. Gleichzeitig ändern sich mittelfristig die Anforderungen in den etablierten Märkten in Asien. Neben Japan und Südkorea strebt auch China weiter in den Spezialschiffbau, aktuell insbesondere bei Fähren und Kreuzfahrtschiffen für den heimischen Markt. Die europäischen Märkte sind die Treiber für die emissionsarme Schifffahrt.

„Die Klimaziele führen zu neuen Innovationsanforderungen bei den Schiffsantriebssystemen. Verbrauchsoptimierte, konventionelle Motoren werden ergänzt durch Multi-Fuel-Antriebe, gleichzeitig werden Hybrid- Systeme weiterentwickelt, um den Betreibern ökonomisch und ökologisch ein individuelles Lösungsangebot zu unterbreiten“, so Lex Nijsen, Vorstand VDMA Marine Equipment and Systems in Hamburg. Nicht immer sind elektrische Antriebssysteme die optimale Lösung. „Was bei Fähren gut funktioniert, ist bei Übersee-Container-Transporten nicht möglich. Die weitere Etablierung von LNG (Liquid Natural Gas) in der Schifffahrt unterstützen wir und forschen gemeinsam in dem Projekt zur Herstellung und Verwendung synthetisch hergestellter Treibstoffe mit Hilfe von Power-to-X-Verfahren, die langfristig eine Abkehr von fossilen Kraftstoffen ermöglichen.“

Die maritimen Geschäftsfelder sind im Wandel. Zunehmende Umsatzanteile werden mit neuen Service-Angeboten erwirtschaftet, die über die reine Wartung und Reparatur deutlich hinausgehen. Aufgrund des hohen Ertragspotenzials sowie als Differenzierungsmerkmal gegenüber konkurrierenden Herstellern hat der Service großen Einfluss auf den zukünftigen Geschäftserfolg. Die Digitalisierung des Service in der maritimen Zulieferindustrie führt zu großen Veränderungen und Chancen für die Branche. Die umfassende Verfügbarkeit aktuellster Daten aus dem Schiffsbetrieb, die immer leistungsfähigeren Kommunikationslösungen und der Transfer innovativer Verfahren zur Analyse großer Datenmengen führt bei den Unternehmen zur Umsetzung neuer Geschäftsmodelle. Dabei wird die Wertschöpfung durch datenbasierte Dienste zunehmen. In der VDMA-Studie „Digitalisierung des Service in der maritimen Zulieferindustrie“ stellen mehr als 50 Prozent der Unternehmen fest: Datensicherheit, fehlende Fachkräfte und mangelnde Kompetenzen werden als größte Herausforderungen bei der Umsetzung gesehen. Gleichzeitig sehen über 70 Prozent der Unternehmen große Chancen für das eigene Unternehmen, auch wenn sie dabei mit neuen Marktteilnehmern im Wettbewerb stehen könnten. Dazu müssen die Unternehmen jetzt auf einem umkämpften Markt dringend benötigte Spezialisten rekrutieren, mit denen sie die richtigen Stellschrauben bewegen können, um die digitalen Herausforderungen und Chancen zu erkennen und umzusetzen.

Kennzahlen zur Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie in Deutschland
Beschäftigte: 63.500 Mitarbeiter
Umsatz (2017): 10,6 Milliarden Euro (2016: 11,1 Mrd. Euro)
Exportquote: 74 Prozent

Auftragseingänge weltweit gestiegen: Für 2017 im Durchschnitt ein Plus von 2,7 Prozent

Exportmärkte mit unterschiedlichen Entwicklungen: Das europäische Ausland bestätigte seine stabile Rolle als wichtigster Exportmarkt der deutschen Zulieferer (35 % der Exporte). Hintergrund ist die gute Auftragslage führender europäischer Schiffbaubetriebe in ihren jeweiligen Spezialsegmenten, aber auch ein großes Liefervolumen europäischer Hersteller untereinander zur Bildung größerer Systeme und Pakete für den weltweiten Schiffbau. Der langjährige Spitzenreiter Asien folgt mit gut 30 %. Die wichtigsten asiatischen Länder China und Korea verloren im vergangenen Jahr Anteile am Export deutscher Zulieferer: China mit 16 %, Korea mit knapp 8 %, wohingegen das restliche Asien 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 3,5 % auf 6,4 % zulegte. Auch der Handel mit Nordamerika verzeichnete einen Zuwachs auf gut 12 %.

Schiffsneubauaufträge auf niedrigem Niveau: Im ersten Quartal 2018 wurden weltweit 292 Seeschiffe mit 13,7 Mio. BRZ bestellt (I. Quartal 2017: 223 mit 5,0 Mio. BRZ), davon 62 in Südkorea (19), 75 in der VR China (66), 3 in den Philippinen (5), 70 in Japan (28) und 38 in der EU-28 (51), davon 3 in Deutschland (1). Der weltweite Auftragsbestand an Schiffen liegt zum I. Quartal 2018 bei 4.705 (4.840) Einheiten

Quelle und Foto: VDMA AG Marine Equipment and Systems, die Jahrespressekonferenz der Arbeitsgemeinschaft Marine Equipment and Systems im VDMA e.V. zur wirtschaftlichen Situation der Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie