Überregulierung gefährdet Wettbewerbsfähigkeit

DVF

„Die europäischen Regeln werden in den EU-Mitgliedsstaaten mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und im Allgemeinen eher zögerlich umgesetzt. Das liegt zum einen daran, dass der Harmonisierungsprozess im Eisenbahnsektor spät begonnen hat, zum anderen an der unterschiedlichen Interessenslage der Beteiligten“, warnte Dr. Josef Doppelbauer, Executive Director, European Railway Agency (ERA) bei einer Veranstaltung der Parlamentsgruppe Schienenverkehr im Deutschen Bundestag und des Deutschen Verkehrsforums. Die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs sei durch eine Überregulierung gefährdet.

Doppelbauer äußerte gleichzeitig die Hoffnung, dass sich durch die jüngste Einigung beim so genannten 4. Eisenbahnpaket und der damit verbundenen Kompetenzerweiterung der ERA eine bessere Vereinheitlichung des europäischen Zug- und Leitsystems ETCS und seiner Managementkomponente ERTMS durchsetze. Zudem werde sein Haus zukünftig die Sicherheitsbescheinigungen für grenzüberschreitende Zugzulassungen erteilen und deren Anerkennung in allen EU-Mitgliedsstaaten erreichen.

Für eine bessere Wettbewerbssituation des Schienengüterverkehrs setzte sich Martin Burkert MdB, Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur, Vorsitzender der Parlamentsgruppe Schienenverkehr im Deutschen Bundestag, ein. Dies sei angesichts der anstehenden verkehrs- und umweltpolitischen Herausforderungen durch die prognostizierte Zunahme des Güterverkehrs erforderlich und werde nur mit einem höheren Schienengüteranteil zu lösen sein. „Wir brauchen deshalb ein klares politisches Bekenntnis zur Förderung des Schienengüterverkehrs – in Deutschland und Europa.“

Die Bundesregierung sei mit der vollständigen Liberalisierung des deutschen Eisenbahnmarktes seit 1994 sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr Vorreiter in Europa, betonte Enak Ferlemann MdB, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. „Dies bestätigt eindrucksvoll die Zahl von nahezu 400 Eisenbahnunternehmen, die auf dem deutschen Markt vertreten sind.“ so Ferlemann. Gleichzeitig bemängelte Ferlemann, dass auf europäischer Ebene, im Gegensatz zu den anderen Verkehrsträgern, die Liberalisierung der Märkte noch unvollständig sei. Obwohl seit 2007 die europäischen Märkte für den Schienengüterverkehr und seit 2010 für den grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehr geöffnet wurden.

Ein Hemmnis sei derzeit die unterschiedliche Ausprägung und Ausstattung mit dem europäischen Signalsystem in den einzelnen Staaten, verdeutlicht Otto G. Niederhofer, Mitglied des Vorstands, Produktionsgesellschaften Region Central, DB Schenker Rail Deutschland AG. Züge, die nach Schweden fahren, benötigten eine ETCS Ausstattung für eine relativ kurze Strecke in Dänemark. „Loks mit dem dänischen ETCS-System auszustatten, verursacht substantielle Mehrkosten pro Fahrzeug. Damit lässt sich jedoch das Netz eines anderen Mitgliedsstaates der EU, welches ebenfalls mit ETCS ausgestattet ist, zumeist nicht befahren, weil sich die Ausführungen unterscheiden.“ Die Züge müssen mit ETCS umgerüstet werden, wenn sie durchgängig durch Europa unterwegs sein wollen. „Das bedeutet für die Eisenbahnunternehmen immense Investitionssummen, die sie jedoch nicht auf die Preise und am Ende auf den Kunden umlegen können Die Züge müssen mit ETCS umgerüstet werden, wenn sie durchgängig durch Europa unterwegs sein wollen. „Das bedeutet für die Eisenbahnunternehmen immense Investitionssummen, die sie jedoch nicht auf die Preise und am Ende auf den Kunden umlegen können.“ Staatssekretär Ferlemann plädierte für einen gleitenden Übergang zum europäischen Zugleitsystem: In einem ersten Schritt sei notwendig, die Anforderungen entlang der Korridore anzugleichen, auf denen der europäische Schienengüterverkehr verkehre.

Doppelbauer wies in dem Zusammenhang auf eine weitere Zukunftsaufgabe der ERA hin. Neben der Harmonisierung bestehender technischer Vorschriften, solle sie Zukunftstechnologien im Auge behalten. Bei jeder neuen Technologie sei darauf zu achten, zuerst einen Standard zu entwickeln, bevor sie angewandt werde.

Aus Kundensicht schilderte Carsten Hemme, Geschäftsführender Gesellschafter, Paneuropa-Rösch GmbH, die tatsächliche Praxis im Schienengüterverkehr (SGV): „Die aktuelle Pünktlichkeit ist gerade in Hinblick auf den Wettbewerb mit der Straße bedrohlich. Neue Kunden verliert man oftmals wegen der Kombination aus Laufzeit, Planbarkeit, Haftung, Preis direkt wieder an den Wettbewerb auf der Straße.“ Daher brauche der kombinierte Verkehr zwingend stabile Größen mit Planungssicherheit, so Hemme: „Das sind stabile Preise, bessere Infrastruktur, Ersatztrassen in Ballungsgebieten, wie etwa die Rhein-Sieg Strecke, EU-Harmonisierung bei Trassennutzung, Vor- und Nachlaufregelung zu den Terminals, Kabotage und Gewichte.“

Quelle und Foto: DVF