Vollautomatische Rangierlokomotiven

Der Antrag der JadeWeserPort-Gesellschaften auf Förderung eines Forschungsvorhabens zur Erprobung des vollautomatischen Rangiervorgangs in der Vorstellgruppe im Güterverkehrszentrum (GVZ) von Deutschlands einzigem Container-Tiefwasserhafen JadeWeserPort Wilhelmshaven ist jetzt genehmigt worden. Das Projekt RangierTerminal4.0 wird im Rahmen der Förderrichtlinie Innovative Hafentechnologien (IHATEC) mit insgesamt 2,35 Mio. EURO durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert.

Üblicherweise werden Containerzüge mit einer fahrdrahtlosen Rangierlokomotive in die und auch innerhalb der Terminals bewegt, was ein Umspannen der Triebfahrzeuge notwendig macht und nach der Elektrifizierung der Hauptstrecke Oldenburg – Wilhelmshaven auch im JadeWeserPort Anwendung finden muss. Dieser Vorgang führt zu zusätzlichen logistischen und materiellen Aufwänden. Das betriebliche Regelwerk sieht etwa eine Bremsprobe vor, die wiederum eine vorherige optische Prüfung der Wagen erfordert. Hierfür sind zusätzliche zeitliche und personelle Ressourcen erforderlich. Deshalb bedeuten Umspannungen eine Einschränkung des Durchsatzes der Gleisanlangen. Um den zeitkritischen Rangiervorgang optimal zu gestalten und sowohl mit dem Containerumschlag, als auch der Zuglaufplanung abzustimmen, soll mit dem Projekt RangierTerminal4.0 ein vollautomatisches Rangieren mit einer Lokomotive erprobt und der Bahnbetrieb nach den Anforderungen des Containerumschlags und unter Umweltgesichtspunkten (Emission von Lärm und Schadstoffen) optimiert durchgeführt werden. Zwecks Minimierung des

Dieselverbrauchs werden eine konventionelle Rangierlokomotive, die Gleisanlagen im GVZ und die Managementsoftware angepasst. In der Regel werden die Zugbewegungen im GVZ über das Elektronische Stellwerk (ESTW) weitgehend manuell durchgeführt und sicherungstechnisch abgesichert. Aufgrund der knapp bemessenen Zeit bedeutet dies, dass keine optimale Auslastung der Gleis- und Terminalressourcen generiert wird.

Als entscheidende Teilschritte der Erprobung des vollautomatischen Rangierbetriebs dienen die folgenden Aspekte:

Integration des Bahnbetriebs – Disposition der Zug- und Rangierfahrten anhand der Voranmeldungen der Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) und dem Bedarf der Nutzer der bereits angewendeten Planungssoftware für den Bahnbetrieb, CODIS HASY.

Integration der IT-Systeme auf einer gemeinsamen Plattform – Verknüpfung der Daten für die automatisierte, teilautomatisierte und manuelle Planung der Rangierbewegungen in der Vorstellgruppe des GVZ und auf dem EUROGATE Container Terminal aus den bestehenden IT-Systemen mit entsprechender Dispositionssoftware. Zukünftig automatische Weiterleitung der im Projekt gewonnenen Daten an das CODIS-System des Projektpartners dbh.

Ortung der Rangierlokomotive – Implementierung einer für den Bahnbereich unter Einbindung von Kartendaten der Infrastruktur speziell zugeschnittenen Ortungslösung zur verlässlichen und genauen Bestimmung der Position der Lokomotive und der Containerzüge. Automatische Planung und Durchführung der Fahrten mit Sensorüberwachung des Bereichs vor der Lokomotive.

Optimierung der Prozessabläufe – Mit der Verknüpfung der hafenseitigen Systeme mit den Dispositionssystemen aus dem Bahnbetrieb kann unter Verwendung von positionsgestützter Ortung eine gesamtheitliche Optimierung der Prozessabläufe (Energieeffizienter Einsatz der automatisieren Rangierlokomotive durch Vorabplanung der Fahraufträge, Vermeidung unnötiger Rangierfahrten) erreicht werden.

Durch die Integration des Bahnbetriebs in die Abläufe der Hafenlogistik können ankommende und abgehende Zugfahrten fahrplanmäßig besser erfasst und mit den Prozessen des Containerumschlags synchronisiert werden.

Voraussetzungen für die Entscheidung zugunsten des JadeWeserPort als ideales Untersuchungs- und Erprobungsgebiet für das Forschungsvorhaben waren neben dem nahezu abgeschlossenen Bahnbereich eine geringe topografische Komplexität, homogene Geschwindigkeitsbereiche und einheitliche Zugtypen (nur Container), die sich lediglich in der Länge unterscheiden.

Kurzporträts der Kooperationspartner bei dem Forschungsprojekt RangierTerminal4.0:

Die Westfälische Lokomotiv-Fabrik Reuschling GmbH & Co. KG (WLH), Hattingen, wurde 1914 gegründet und verfügt über langjährige Erfahrungen im Bereich der Schienenfahrzeuge. Das Unternehmen hat sich zum Anbieter ganzheitlicher Lösungen für Schienenfahrzeugbetreiber entwickelt und fungiert innerhalb des Forschungsprojekts als Anbieter für die Entwicklung, Fertigung und Vermarktung der modularen Rangierlokomotive. Die WLH ist regelmäßiger Initiator und Teilnehmer mehrerer nationaler und internationaler Forschungsprojekte.

dbh Logistics IT AG (dbh), Bremen, gehört zu den führenden Unternehmen der Logistik-IT in Deutschland und entwickelt und betreibt Branchenlösungen für Schifffahrt und Hafen, Industrie und Handel sowie Spedition und Logistik. Das Unternehmen ist der Betreiber der Port-Community-Systeme (PCS) für den JadeWeserPort Wilhelmshaven, an die neben dem Terminalbetreiber auch Speditionen, Reedereien, Eisenbahnverkehrs-unternehmen, Zoll, Wasserschutzpolizei sowie große Verlader bzw. Empfänger angebunden sind.

Mit der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm (THN) ist eine der forschungsstärksten Hochschulen der angewandten Wissenschaften in Deutschland Projektpartner. Zu den Leitthemen der Hochschulforschungsstrategie gehören u. a. „Verkehr, Logistik & Mobilität“, „Automation & Produktionstechnik“ sowie „Innovative Dienstleistungen“. Die Forschungsaktivitäten der THN mit dem Schwerpunkt auf einer hohen Transferrate der Ergebnisse in Anwendungen und Dienstleistungen, werden z. B. am Institut für Fahrzeugtechnik Nürnberg (IFZN) und im Labor für mobile Robotik erbracht. Erfahrungen auf dem Gebiet der Automatisierung von Rangieraufgaben liegen u. a. in der Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG vor.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) ist mit über 9.000 Mitarbeitern/innen an 20 Standorten und in 40 Instituten das nationale Forschungszentrum für Luft- und Raumfahrt und die Raumfahrtagentur Deutschlands mit den weiteren Schwerpunkten Energie und Verkehr sowie Sicherheit und Digitalisierung. Das DLR-Institut für Verkehrssystemtechnik (DLR-TS) arbeitet an Technologien, Methoden und Konzepten zur betrieblichen, technischen und wirtschaftlichen Optimierung des Bahnsystems. Ziele sind unter anderem die Erhöhung der betrieblichen Effizienz und Leistungsfähigkeit durch Automatisierung und innovative Informationstechnologien (IKT) sowie die Beibehaltung des hohen Sicherheitsstandards.

Die Container Terminal Wilhelmshaven JadeWeserPort-Marketing GmbH & Co. KG (JWPM) ist als hundertprozentige Tochter des Landes Niedersachsen zuständig für die Errichtung, Unterhaltung und Verwaltung der Basisinfrastruktur des Container-Tiefwasserhafens JadeWeserPort in Wilhelmshaven. Weiterhin hat sie die Aufgaben und Pflichten als Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu erfüllen. Für den landseitigen Umschlag von Bahncontainern befindet sich auf dem Terminalgelände des JadeWeserPort eine von EUROGATE betriebene Umschlagsanlage für den kombinierten Verkehr (KV-Anlage), welche an das öffentliche Schienennetz angeschlossen ist. Hierfür betreibt die JWPM eine 16-gleisige Vorstellgruppe.

Das Forschungsprojekt RangierTerminal4.0 hat eine Laufzeit vom 01.06.2020 bis 31.05.2023 mit einem Investitionsvolumen von ca. 3,5 Mio. EURO. Geprüft wurde die Durchführung des Projektes RangierTerminal4.0 von der TÜV Rheinland Consulting GmbH.

Zum Förderprogramm Innovative Hafentechnologien (IHATEC)
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur fördert die Entwicklung innovativer Technologien, die den Häfen helfen, das Umschlagaufkommen zu bewältigen und Logistikketten zu verbessern. Ziele des Förderprogramms sind unter anderem die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen See- und Binnenhäfen, die Optimierung des Güterumschlags, der Fahrgastdienste in den Häfen und des Zu- und Ablaufverkehrs sowie die Verbesserung der digitalen Infrastruktur.

Quelle: JadeWeserPort, Foto: Lokomotivtyp Westfälische Lokomotiv-Fabrik Reuschling GmbH & Co. KG, Hattingen.