„Es besteht erheblicher Instandhaltungsbedarf“

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1.130 km Autobahnen, 683 km Hochgeschwindigkeitsstrecke Schiene, 77,5 Millionen Tonnen Güterumschlag der Häfen von Wesel bis Bonn und fast 40 Millionen Passagiere an den Flughäfen Düsseldorf, Köln und Weeze pro Jahr. Die Zahlen zeigen: Die Metropolregion Rheinland ist ein international bedeutsamer Wirtschaftsstandort, der von starken Ziel-, Quell- und Transitströmen geprägt ist. IHK-Hauptgeschäftsführer Gregor Berghausen (IHK Düsseldorf) und Michael F. Bayer (IHK Aachen) haben jetzt stellvertretend für die IHK-Initiative Rheinland das „Verkehrsleitbild Rheinland 2023“ vorgestellt. Ihr Fazit: Es besteht erheblicher Instandhaltungsbedarf, um den bundesweit so wichtigen Wirtschaftsstandort zu stärken.

In folgenden Feldern besteht für die IHKs im Rheinland Handlungsbedarf:

Verkehrswege nachhaltig finanzieren und Planungskapazitäten aufbauen
Das Rheinland ist eine zentrale Logistikdrehscheibe und benötigt eine für den zukünftigen Bedarf ausgebaute Verkehrsinfrastruktur. Dafür sind ausreichende Finanzmittel und Planungskapazitäten nötig. Im Kontext einer nachhaltigen Finanzierung von Verkehrswegen gilt es zudem, auch die steigenden Baukosten zu berücksichtigen. „Unsere Verkehrswege sind seit Jahren chronisch unterfinanziert. Addiert man die fehlenden Finanzmittel der Jahre 2012 bis 2023, ergibt sich eine Finanzierungslücke von mehr als 45 Milliarden Euro. Die Budgets müssen angesichts der maroden Infrastruktur deutlich aufgestockt und primär für deren Erhalt und Ausbau genutzt werden“, sagt Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der IHK Aachen. Zusätzlich sehe das IIR-Verkehrsleitbild vor, ausreichende Planungskapazitäten aufzubauen. „Der Fachkräftemangel setzt auch unserer Infrastruktur zu. In NRW fehlen etwa zahlreiche Ingenieurinnen und Ingenieure, die für Planungen und Baubegleitungen unabdingbar sind, oder Juristinnen und Juristen, die sich um die Auftragsvergabe kümmern“, so Bayer weiter. Eine Attraktivierung der Arbeitsplätze innerhalb der Planungsbehörden sei daher eine weitere wichtige Maßnahme. Bei Entscheidungen darüber, in welche Projekte investiert wird, solle außerdem die verkehrliche Dringlichkeit und der volkswirtschaftliche Nutzen im Mittelpunkt stehen.

Verfall der Infrastruktur stoppen – schneller planen, genehmigen und bauen
Schon heute sind die Straßen regelmäßig überlastet und das Rheinland führt seit Jahren den traurigen Rekord der Stauregion Nr. 1 in Deutschland an. Bereits der Infrastruktur-Zustandsbericht der IIR aus dem Jahr 2016 zeigt, dass etwa ein Fünftel der Bundesautobahnen und ein Drittel der Bundesstraßen in einem schlechten baulichen Zustand sind. „Der Ausbau unserer Infrastruktur dauert meist mehrere Jahrzehnte. Die rheinländischen IHKs fordern deshalb, Planungsverfahren deutlich zu verschlanken, zu entbürokratisieren und zu beschleunigen. Wir benötigen mindestens eine Halbierung der Planungs-, Genehmigungs- und Bauzeiten. Um das zu erreichen, müsste die Verwaltung verbindliche Fristen für die Bearbeitung der Anträge einhalten und bei umfangreicheren Genehmigungsverfahren eine interne Termin- und Projektsteuerung etablieren“, erklärt Bayer.

Handlungsbedarf beim System Wasserstraße und dem Verkehrsträger Schiene
Nordrhein-Westfalen ist Binnenschiffsland Nr. 1 in Deutschland. 80 Prozent der Binnenfahrschiffe fahren über den Rhein und mehr als die Hälfte des Güterumschlags auf der Wasserstraße findet in NRW statt. Das sind rund 110 Millionen Tonnen im Jahr, was der Ladekapazität von ca. 4,5 Millionen Lkw entspricht. „Neben der Tatsache, dass die Binnenschifffahrt wesentlich dazu beiträgt, den Transport von Gütern auf den Straßen zu reduzieren, ist das System Wasserstraße für die regionale Industrie ein wesentlicher Standortfaktor“, sagt Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf. Das Rekordniedrigwasser im Sommer 2022 habe beispielsweise gezeigt, wie stark die Branche auf eine funktionierende Wasserstraßeninfrastruktur, leistungsfähige Häfen und trimodale Hinterlandanbindungen angewiesen sei. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Metropolregion Rheinland langfristig sicherstellen zu können, gilt es deshalb, das System Wasserstraße zu stärken und sich gezielt für die Klima-Resilienz des Rheins einzusetzen. „Dafür müssen entsprechende Investitionen getätigt werden. Außerdem sollte das Land die landesbedeutsamen Häfen nach Wasserstraßen-, Hafen- und Logistikkonzept NRW für die industrie- und logistikaffinen Nutzungen sichern und vor entgegenstehenden Interessen schützen“, so Berghausen weiter.

Ähnliches gelte für den Verkehrsträger Schiene. „Auch hier müssen die Kapazitäten gezielt erweitert werden, um Waren effizient in unserer Region transportieren zu können“, erklärt der Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf. Das IIR-Verkehrsleitbild sieht deshalb vor, den für die Wirtschaft wichtigen Bau der dritten Gleise zwischen Oberhausen und Emmerich sowie zwischen Aachen und Köln zu beschleunigen, um die Anbindung des Rheinlands an die ZARA-Häfen (Zeebrügge, Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam) zu verbessern. „Durch ein geeignetes Baustellenmanagement muss außerdem gewährleistet werden, dass wichtige Standorte während der Baumaßnahmen nicht vollständig vom Schienennetz abgeschnitten werden“, so Berghausen abschließend.

Flughafenstandorte sichern und entwickeln
Das Rheinland ist in besonderem Maße international verflochten und exportorientiert. „Die vorhandenen Flughäfen – speziell Düsseldorf und Köln/Bonn – bieten exportorientierten Unternehmen schnelle Geschäfts- und Frachtflugverbindungen. Es gilt deshalb, die Flughäfen als wichtige Standortfaktoren zu stärken und den aus ihnen resultierenden Wettbewerbsvorteil der Region maximal auszuschöpfen“, so Gregor Berghausen. „Die Flughäfen brauchen Entwicklungsmöglichkeiten durch eine an die Runway-Kapazität angepasste Genehmigung in Düsseldorf und einen Fortbestand der Nachtflugregelung in Köln/Bonn über 2030 hinaus. Um auch die Transformation und Dekarbonisierung des Luftverkehrs gleichermaßen vorantreiben zu können, ist es wichtig, Forschungseinrichtungen weiterzuentwickeln – dazu bedarf es zusätzlich entsprechender Entwicklungsflächen.“

Erreichbarkeit der Innenstädte sichern – Betriebliche Mobilität fördern
Auch die Erreichbarkeit der Innenstädte gilt es zu sichern, z. B. durch die Förderung betrieblicher Mobilität. „Innenstädte sind Zentren des Handels, der Dienstleistungen, der Kultur, des Wohnens und der Freizeit. Hinzu kommt: Sie befinden sich derzeit in einem starken Wandel“, so Gregor Berghausen. „Unsere Innenstädte müssen langfristig gut erreichbar sein, denn eine starke Wirtschaft in urbanen Räumen floriert, wo der Verkehr stadtverträglich und umweltfreundlich gedacht wird“. Ebenso wichtig ist es, neue Mobilitätsformen mit bewährten Verkehrsträgern in Einklang zu bringen. „Wenn die Angebote auf einheitlichen Plattformen so kombiniert werden, dass sie für Interessenten komfortabel gebucht werden können, lassen sich multimodale Mobilitätsketten umsetzen, die sich positiv auf die Gesamtmobilität auswirken“, erläutert Berghausen. Flächen an den Hauptverkehrsachsen sind zudem hervorragend für die Ausweisung von Gewerbe- und Industriestandorten geeignet, denn insbesondere für den Güterverkehr mit seinen komplexen Logistikketten sind diese Flächen ein ausschlaggebendes Wettbewerbs- und Ansiedlungskriterium.

Eine leistungsfähige H2-Pipeline-Infrastruktur aufbauen
Im „Verkehrsleitbild Rheinland 2023“ adressiert die IIR auch das Zukunftsthema Wasserstoff. Der klimaneutrale Umbau der Wirtschaft ist eine enorme technische, finanzielle und zeitliche Herausforderung – und emissionsfreier Wasserstoff wird dabei insbesondere für die Industrie eine Schlüsselrolle einnehmen. „Die enormen Mengen an Wasserstoff, die für die Transformation unserer Wirtschaft benötigt werden, können nicht nur im Rheinland produziert werden. Wichtige Partner werden Belgien und die Niederlande mit ihren Häfen Antwerpen und Rotterdam als Wasserstoffdrehscheiben für die Metropolregion Rheinland sein. Deshalb ist es notwendig, unser Wasserstoffnetz mit Anschluss an die beiden Nachbarländer schnell und unbürokratisch aufzubauen“, so Michael F. Bayer abschließend.

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„Das Rheinland ist eine zentrale Logistikdrehscheibe und benötigt eine für den zukünftigen Bedarf ausgebaute Verkehrsinfrastruktur. Dafür sind ausreichende Finanzmittel und Planungskapazitäten nötig“, erklärt ürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein. „Für den Rhein-Kreis Neuss spielt der Neusser Hafen nicht zuletzt im Rahmen des Strukturwandels eine große Rolle und muss entsprechend weiterentwickelt werden – vor allem mit Blick auf die Schieneninfrastruktur“, sagt Steinmetz. So müsse die Hafenbrücke „Erftsprung“ ebenso realisiert werden wie der Ausbau der Weissenberger Kurve zwischen Haupt- und Güterbahnhof. Zudem ist sowohl für den Güter- als auch für den Personenverkehr die Realisierung einer durchgängig zweigleisigen, elektrifizierten Revierbahn zwischen Neuss und Aachen ein wichtiges Projekt. Die Trasse schafft eine Schienenanbindung zwischen den ZARA-Häfen und der Rheinschiene sowie ein zusätzliches Schienenpersonennahverkehrs-Angebot für die Pendler im Rheinischen Revier. Ebenso würde eine Optimierung der S 12 mit Verlängerung bis Kerpen-Horrem, über Bergheim, Bedburg, Grevenbroich, Neuss bis Düsseldorf für eine durchgehende Verbindung durch das Rheinische Revier sorgen, bei der die Gäste nicht umsteigen müssten.

Bei der Straßeninfrastruktur würde der Ausbau der A 57 vom Autobahnkreuz Meerbusch bis zum Autobahnkreuz Kamp-Lintfort sowie zwischen Neuss-Süd und Köln-Nord für eine durchgehende Stärkung der wichtigsten linksrheinischen Verbindung zwischen Köln über Neuss bis zur A 40 im Ruhrgebiet sorgen. Für die Stärkung der Binnenschifffahrt fordern die IHKs eine Optimierung der Fahrrinne zwischen Duisburg und Stürzelberg. „Nur so kann die wichtigste Wasserstraße Deutschlands verlässlich genutzt und die Anbindung an den Hafen verbessert werden.“

Der Präsident der Niederrheinischen IHK, Werner Schaurte-Küppers: „Unsere Straßen sind in einem schlimmen Zustand. Wir müssen den Verfall stoppen. Denn eine gute Erreichbarkeit ist für unsere Unternehmen und die Mitarbeiter wichtig. Das ‚Verkehrsleitbild Rheinland 2023‘ zeigt, wie es geht. Bei den Planungen und Genehmigungen müssen wir schneller werden. Es kann nicht sein, dass die Planung und Genehmigung viel mehr Zeit in Anspruch nehmen als der Bau selbst. Das gilt besonders, wenn eine Brücke nur ersetzt werden soll. Wir fordern, dann auf die Planfeststellungsverfahren zu verzichten. Gerade in Duisburg könnte uns das helfen. Die A59-Brücke über den Hafen muss bis spätestens 2029 erneuert sein. Wir haben also nur noch sechs Jahre Zeit. Allein das Planverfahren für die marode Uerdinger Brücke in Krefeld soll acht Jahre dauern. Das muss einfacher gehen, die Zeit drängt.“
Qulle: IHK Düsseldorf, IHK Mittlerer Niederrhein, Niederrheinische IHK zu Duisburg, Wesel, Kleve, Foto: NDH

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