„Wir dürfen die Wettbewerbsfähigkeit Europas nicht durch Alleingänge beim Klimaschutz untergraben, so wie es beispielsweise beim Emissionshandel im europäischen Luftverkehr passiert ist. Zudem muss die EU für einen fairen und einheitlichen Binnenmarkt sorgen, etwa beim Schienenverkehr. Denn noch immer können Züge europaweit nicht einheitlich zugelassen werden, geschweige denn problemlos und ohne Umrüstung von einem EU-Mitgliedsstaat in den anderen fahren“, sagte der DVF-Präsidiumsvorsitzende Dr. Ulrich Nußbaum anlässlich eines Meinungsaustausches zwischen dem Präsidium des Deutschen Verkehrsforums (DVF) und EU-Abgeordneten sowie EU-Kommissionsvertretern in Brüssel.
Ismail Ertug, MdEP, Mitglied des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr, stimmte dem DVF-Präsidenten zu und stellte eine Reihe neuer Regelungen zur Stärkung des europäischen Luftverkehrs in Aussicht: „Wir werden sowohl bei den Luftverkehrsabkommen als auch bei der Überarbeitung der Verordnung 868 zum Thema schädigender Subventionen und unlauterer Preisbildung von Fluggesellschaften aus Drittstaaten eine Balance finden müssen, um unsere europäischen Airlines gegenüber der Konkurrenz aus den Golf und ASEAN Staaten zu stärken. Gleichzeitig müssen wir die Interessen der Flughäfen, unsere Drehkreuze für den internationalen Luftverkehr und damit wirtschaftlich wichtige Standorte berücksichtigen.“
Nußbaum erklärte dazu, dass die internationale Wettbewerbsposition der europäischen Airlines und Flughäfen sich mittlerweile zum Nachteil verändert habe. Die Wachstumsraten der Airlines in Deutschland hinken denen der Fluggesellschaften aus Golfstaaten und der Türkei deutlich hinterher. Daher müsse die EU-Kommission von den EU-Staaten schnellstens ein Mandat für die Verhandlung neuer Luftverkehrsabkommen mit Drittstaaten bekommen, in denen faire Wettbewerbsbedingungen zu verankern sind, etwa hinsichtlich sozialer Standards oder Subventionen. Auch müsse der einheitliche europäische Luftraum endlich durchgesetzt werden.
Zudem sei Nußbaum schwer verständlich, wie das Vorzeigeprojekt des europäischen Zugleit- und Sicherungssystems ETCS dermaßen auseinanderlaufen könne. Die EU-Staaten seien aufgefordert, gemeinsam mit der Europäischen Kommission umgehend zu einem einheitlichen betrieblichen Standard zu finden, sonst werde die Abschottung der jeweiligen Eisenbahnmärkte weiter zementiert. Zudem brauche der Eisenbahnsektor deutlich mehr Unterstützung beim Thema Schienenlärm. Ohne einen wesentlich verbesserten Lärmschutz verliere der Schienenverkehr in Europa seine gesellschaftliche Akzeptanz.
Ertug sagte dazu, dass die EU lautes Rollmaterial ins Visier nehme: „Zum einen sollen die technischen Standards für die maximal erlaubte Lärmentwicklung schrittweise auch für bereits zugelassene Wagen angewendet werden. Zudem kann bereits jetzt solle die Umrüstung auf leisere Kompositbremsen aus Mitteln der Connecting Europe Facility CEF mit bis zu 213 Millionen Euro bis 2020 gefördert werden. Die Nationalstaaten dürfen zusätzlich bis zu maximal 50 Prozent der Investitionssumme fördern. Und als dritte Maßnahme wird die Harmonisierung der lärmabhängigen Trassenpreise vorgeschlagen.“
An dieser Stelle kritisierte Dr. Markus Pieper, MdEP, regionalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, dass die CEF-Mittel teils für den EFSI-Fonds gekürzt wurden. Das CEF-Programm sei das am besten laufende Programm in der EU und überaus wichtig für den europäischen Verkehrsbereich. Vielmehr sollten die Gelder für das CEF erhöht werden, so Pieper.
Vor dem Hintergrund der anstehenden Überarbeitung einer Vielzahl von EU-Vorschriften für den Straßengüterverkehr begrüßte der DVF-Präsidiumsvorsitzende, dass die EU-Kommission eine Zweckbindung der Mauteinnahmen für die Verkehrsinfrastruktur plane. Allerdings warnte er davor, dass der Straßengüterverkehr durch die Einbeziehung der sogenannten externen Kosten z. B. für Lärm, Staus oder Unfälle unverhältnismäßig zu Kasse gebeten werde. Hinsichtlich des deutschen Mindestlohns rief er die EU-Kommission auf, für Klarheit bei der Verfahrensweise zur Abrechnung bei grenzüberschreitenden Verkehr zu sorgen.
Am Herzen lag Nußbaum die Digitalisierung in der Mobilitätswelt. Das müsse man als Chance zur Lösung von Sicherheits- und Umweltproblemen begreifen. Die Verkehrssicherheit könne durch Digitalisierung gesteigert werden – vorsichtige Schätzungen gehen von der Halbierung der Todeszahlen aus. „Die Verkehrstechnologie von Autos und Lkw darf in Europa nicht an den Grenzen halt machen. Automatisierungsfunktionen müssen überall in der EU in gleicher Weise mit einem einheitlichen Rechtsrahmen freigeschaltet werden. Auch hier hat die EU bei der Harmonisierung, bei Standardsetzung und dem Infrastrukturaufbau eine wichtige Aufgabe“, so Nußbaum.
Quelle DVF