NetzwerkForum SchifffahrtHafenLogistik

image_pdfimage_print

In hybrider Veranstaltungsform begrüßte Dr. Christoph Kösters, Manager des Kompetenz­netzes und Hauptgeschäftsführer des Verbandes Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL) NRW e.V. rund 70 Entscheider aus Schifffahrt, Häfen, Logistik und der Industrie für die Veranstalter Kompetenznetz Logistik NRW, seinem Träger­verein LOG-IT Club e.V. und dem VVWL. Er stellte fest, dass seit mehr als einem Jahr die Corona-Krise die Gesellschaft und globale Wirtschaft erheblich beeinträchtigt.

Im NetzwerkForum sollten nunmehr Lösungsansätze konkretisiert werden, wie sich die Logistik künftig resilienter aufstellen kann. Es sei aber auch festzustellen, dass die Logistik in der Krise Systemrelevanz bewiesen hat und viele Lieferketten trotz aller exogenen Schocks insgesamt im Wesentlichen funktionierten. Dr. Kösters wies aber auch darauf hin, dass Resilienz und Robustheit maritimer Logistiklieferketten in Zeiten des Klimawandels angewiesen seien auf entsprechende Umfeld- und Rahmenbedingungen: „Zu diesen entsprechenden „Settings“ gehören Faktoren wie leistungsfähige und resiliente Verkehrs- und digitale Infrastrukturen, hinreichende Versorgungsinfrastrukturen für dekarbonisierte Carrier und auch das ausreichend skalierte Angebot von alternativen Antriebstechnologien“. Hier sei noch viel zu tun.

Als langjähriger Kooperationspartner des Forums und Mitglied des Kompetenznetzes Logis­tik.NRW stellte Frau Susanne Convent-Schramm, Vizepräsidentin der Niederrheinischen In­dustrie- und Handelskammer Duisburg-Wesel-Kleve zu Duisburg in ihrer Eröffnungsrede ebenfalls fest, dass die Folgen der Pandemie, aber auch andere Ereignisse, wie z. B. die Ha­varie der Ever Given, noch lange spürbar sein werden. Susanne Convent-Schramm formulierte drei Gedanken für eine erfolgreiche künftige maritime Logistik. See- wie auch Binnenhäfen müss­ten ihre Kapazitäten besser nutzen und innovative Lösungen vorantreiben. Hierzu gehöre es auch, die Abläufe in den Europäischen Seehäfen und Hinterlandverkehren dringend zu optimieren. Zudem sei durch gezielte Förderprogramme, wie z. B. die Modernisierung von Binnen­schiffen, die Leistungsfähigkeit des Systems Wasserstraße zu sichern. „Eine wichtige Lessons to Learn ist es, die Ausbildung im Sinne des Systems Wasserstraße zu intensivieren“, benannte Susanne Convent-Schramm einen dritten Aspekt.

Professor Dr. Burkhard Lemper, Vorsitzender der Geschäftsführung des ISL Institut für See­verkehrswirtschaft und Logistik, analysierte, welche Auswirkungen die Krise auf die Märkte und die Leistungsfähigkeit der Logistik und Industrie gehabt hat und skizzierte zukünftige Sze­narien. Er stellte eingangs fest, dass sich bereits vor Corona das wirtschaftliche Wachstum konjunkturbedingt verlangsamte. Die Coronakrise bewirkte dann zunächst deutliche Mengen­einbrüche, die in eine schnelle Erholung und bereits im Spätsommer 2020 in ein leichtes Wachstum mündeten. Damit war im ersten Coronajahr letztlich nur ein geringer Mengenrück­gang von rund -1 % zu verzeichnen. Am stärksten aus der Krise herausgekommen seien er­wartungsgemäß China und Nordamerika. Für die Zukunft wird insbesondere für 2021 ein star­ker Zuwachs im Containerumschlag von bis zu 10 % prognostiziert, der aber in den Folgejahren moderater ausfallen werde. Aufgrund des zu erwartenden Wachstums würden sich die derzeit schon bestehenden Kapazitäts-Engpässe bei Containerschiffen intensivieren und Fracht­raten weiter auf einem hohen Niveau verbleiben. Eine Normalisierung der Containermärkte sei nicht vor Mitte 2022 zu erwarten. Mit Inbetriebnahme der vielen Neubaubestellungen 2023/24 sei ab diesem Zeitpunkt wieder eine Entwicklung zu Schiffsraum-Überkapazitäten nicht auszuschließen.

Dr. Herbert Eichelkraut, Geschäftsführer Technik Hüttenwerke Krupp-Mannesmann GmbH (HKM), betonte in seinem Impulsvortrag, dass neben den Folgen der Corona- und Wirtschaftskrise für die HKM die Transformation, d.h. der Weg zu einer nachhaltigen Stahlerzeugung, die größte Herausforde­rung für die Zukunft bedeute. Hier stehe man in der Stahlindustrie vor der größten Transformationsperiode seit Jahrzehnten. HKM habe das Ziel, bereits bis 2025 die Emissionen um 30 % zu verringern, um mit einer Wasserstoff-Nachhaltigkeitsstrategie bis 2045 weitestgehend kli­maneutral zu sein. Damit werde Wasserstoff letztendlich die wesentliche Rolle in der Transfor­mation spielen: „Für den größten Stahlstandort Europas wird hierzu ca. 1 Mio. t Wasserstoff pro Jahr benötigt“. In diesem Zusammenhang betonte Dr. Eichelkraut, dass für den Prozess der Transformation die HKM auf eine zuverlässige Logistik und insbesondere auf die Binnenschiff­fahrt angewiesen sei. Hierzu führte er aus: „Eine gelungene Transformation der kompletten logistischen Anwendung ist notwendig, um den Standort weiter sicher mit Rohstoffen versorgen zu können.“ Ebenfalls sei entscheidend, die Auswirkungen des Klimawandels auf die logisti­sche Anbindung durch den Ausbau und die Sicherung der Wasserstraßeninfrastruktur so gering wie möglich zu halten.

In einem anschließenden Trialog diskutierte neben Professor Dr. Burkhard Lemper und Dr. Herbert Eichelkraut auch Michael Viefers, Mitglied des Vorstandes Rhenus SE und Co. KG unter der Moderation von Sebastian Reimann, Chefredakteur der Deutschen Verkehrs-Zeitung DVZ. Michael Viefers stellte fest, dass auch für die Logistik die energetische Transformation eine starke Herausforderung sei. Derzeit sei es für jeglichen Verkehrsträger schwierig, in Bezug auf die Art der nachhaltigen Antriebstechnologie Investitionsentscheidungen zu treffen. Es fehle weiterhin eine verlässliche Strategie der Politik, nicht zuletzt in Bezug auf den regulatorischen und infrastrukturellen Rahmen und seien die Anschaffungskosten und die Kraftstoffpreise für alternative Antriebslösungen weiterhin sehr hoch. Dr. Eichelkraut sieht etwa beim Wasserstoff in 5 bis 6 Jahren Preise von 4,50 bis 2,50 € / Liter als durchaus machbar an. Er bestätigte zudem aus Verladersicht das schwierige Umfeld für Investitionen vor dem Hintergrund noch weitgehend feh­lender Infrastruktur. Bei der Antriebsart bestehe nach Ansicht von Herrn Professor Lemper zudem weiterhin, insbesondere für die Binnenschifffahrt, noch Klärungsbedarf (Wasserstoff, LNG, Methanol, Ammoniak etc.). Michael Viefers betonte, dass durch die Dekarbonisierung gerade für die Schifffahrt Märkte wegbrechen (Kohle, Montangüter) und neue aufzubauen seien.

Beim Thema resilientere Lieferketten durch eine Abkehr von der Globalisierung gab Michael Viefers zu bedenken, dass hierdurch eine Verteuerung einiger Produkte entstehen könnte. Zudem sei der nationale Fachkräftemangel weiterhin ein großes Thema. Dr. Lemper stellte auf Nachfrage zum Thema expansive Geschäftspolitik der Container-Reedereien fest, dass diese aufgrund der großen Nach­frage derzeit nicht nur in neue Containerschiffe investieren, sondern vertikal Logistikdienstleis­tungen im Hinterland anbieten und damit versuchen, Speditionen zu verdrängen. Herr Viefers gab hierzu zu bedenken, dass diese Geschäftsideen nicht neu seien und in der Vergangenheit immer wieder mal zu beobachten waren.

Einig waren sich alle Diskussionsteilnehmer, dass aktuell die Lieferkettenengpässe deutlich spürbar seien und sich dies in den Frachtraten nachhaltig niederschlage. Dr. Herbert Eichelkraut räumte ein, dass man derzeit auch Probleme bei der Kundenbelieferung habe.

Die zweite Podiumsdiskussion des Forums stand unter dem Motto „Aus der Krise 2020/2021 Plus: Strategien und konkrete Aufgaben für Wirtschaft, Branche und Politik“. Hier diskutierten Steffen Bauer, Chief Executive Officer HGK Shipping GmbH, Gerd Deimel, Geschäftsführer der c2i Consulting to Infrastructure, Emile Hoogsteden, Vice President Port of Rotterdam, und Robert Howe, Geschäftsführer bremenports GmbH & Co. KG.

Angesprochen auf die Corona- und Wirtschaftskrise 2020/21 bestätigten die Diskutanten eine grundsätzlich positive Entwicklung in den letzten Monaten. Robert Howe stellte bei den bremenports einen deutlichen Zuwachs in 2021 fest. Steffen Bauer betonte, dass für die grundsätzlich positive Einschätzung neben eigenen Stärken auch die guten politischen Rahmenbedingungen in der Krise, wie z. B. die Kurzarbeit, gesorgt haben. Das sei mit Blick zu anderen Ländern in der EU nicht selbstverständlich. Dem gegenüber kritisierte jedoch Gerd Deimel, dass das politische Krisenmanage­ment länderübergreifend nicht so gut funktioniert habe und es an den Grenzen immer wieder Engpässe gab. Dennoch betonte Emile Hoogsteden, dass insbesondere die Politik in Belgien, den Niederlanden und Deutschland die Logistik als systemrelevant anerkannt habe und damit im Wesentlichen den Güterverkehr und die internationalen Lieferketten in Europa geschützt hat. Das sei eine wichtige Entscheidung für Gesamteuropa gewesen.

Die Diskutanten waren sich einig, dass eine gemeinsame EU-weite Strategie eine Grundvo­raussetzung für Planungssicherheit und Resilienz der Logistik im Hinblick auf pandemiebedingte interna­tionale Krisen ist. Genauso müsse aber auch bei den anderen wichtigen Zukunftsthemen wie dem Klimawandel und der damit einhergehenden Verkehrswende z. B. bei der Wasserstofflogistik EU-weit zusammengearbeitet werden. Es verbiete sich ein nationales Denken.

Ebenfalls für eine international vertikale Zusammenarbeit warb Emile Hoogsteden beim schon vor Corona drängenden Problem Optimierung / Wartezeiten in den Seehäfen. Als guten Lösungsansatz thematisierte er hierfür eine Verstärkung der Digitalisierung und Vernetzung der jeweiligen Verkehrsträger hin bis zu einem Datenaustausch in Echtzeit. Kontrovers wurde zur Entlastung der Seehäfen die Errichtung von Hinterlandhubs diskutiert. Hierdurch würde zwar eine Entzerrung stattfinden, gleichzeitig könnte sich aber der Transport durch weitere Umschlagsprozesse verteuern. Steffen Bauer sieht in Bezug auf eine resilientere maritime Logistik auch noch Potentiale in der Binnenschifffahrt (freiwerdende Kapazitäten durch energetische Transformation) und in der Flächennutzung (z.B. freiwerdende Noch-Bulk-Umschlagflächen in Häfen).

Einigkeit bestand auch bei den beiden Hafenmanagern Robert Howe und Emile Hoogsteden zum Schluss der Diskussion darin, dass neben einer vernünftigen Vernetzung der Verkehrsträger die großen Seehäfen in Deutschland und den Niederlanden im Sinne einer schnelleren digitalen Abwicklung der Verkehrs- und Umschlagsprozesse kooperieren sollten.

Quelle und Foto: VVWL, v.l.n.r.: Dr. Christoph Kösters, Gerd Deimel, Steffen Bauer, Emile Hoogsteden, Robert Howe, Sebastian Reimann

Schreibe einen Kommentar