Personalmangel hemmt Güterbahnen

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Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, Branchenverband des öffentlichen Personen- und des Eisenbahnverkehres mit über 640 Mitgliedsunternehmen, legt zur VDV-Jahrestagung in Leipzig die Ergebnisse der 2. Branchenumfrage „Personalbedarf bei den Güterbahnen in Deutschland“ vor.

„Wir erleben bei den Güterbahnen die Wachstumsstory, für die wir hart gearbeitet haben. Doch neben bestimmten politischen Rahmenbedingungen ist es vor allem der Fach- und Arbeitskräftemangel, der zum Hemmschuh für mehr Wachstum wird: Die Güterbahnen könnten bis zu 50 Prozent mehr Aufträge annehmen. Wir sind mitten in der Transformation, umso wichtiger ist es, dass wir uns mit der Politik an den Masterplan Schienengüterverkehr und dessen Aussagen zur Personalbeschaffung und -entwicklung halten. Dabei sind auch Bund und Länder gefordert, etwa bei der verkehrsträgerübergreifenden Gleichstellung der personellen Fördermaßnahmen, bei der Einführung von verpflichtenden Inhalten in der Ausbildung für Speditionskaufleute oder bei der Harmonisierung beruflicher Bildungswege“, so VDV-Vizepräsident Joachim Berends. Die in dieser Form unter den Güterbahnen einmaligen Umfrage mit 38 Unternehmen zeichnet ein klares Bild beim Personalbedarf.

24 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie 2022 aus personellen Gründen ihren Betrieb zeitweilig einschränken mussten. Die größte Herausforderung bei zu besetzenden Stellen sehen die Unternehmen beim Personal für den Fahrbetrieb (40 Prozent), bei gewerblich-technischen Personal (24 Prozent) und bei Ingenieurinnen und Ingenieuren (13 Prozent). Die positive Entwicklung bei den Güterbahnen lässt das zuletzt vorgelegte Gutachten des Bundesverkehrsministeriums in einem fraglichen Licht erscheinen, wonach der Marktanteil bis 2050 auf nur noch 17,3 Prozent im Vergleich zu 2019 sinken wird. „Die Prognose bildet die Lage im Güterverkehrsmarkt nicht ab. Im letzten Jahr stieg trotz widriger Umstände der Modal-Split-Anteil der Güterbahnen gegenüber 2021 um 0,2 Prozentpunkte auf 19,8 Prozent. 2019 waren es noch 18,5 Prozent: Speditionen und die verladende Wirtschaft drängen auf die Schiene, weil sie wissen, dass die Straßen voll und die Lkw-Fahrerkabinen leer sind – und bleiben. Sie wissen auch, dass die Maut für Lkw steigen wird. Entlang der Wertschöpfungskette fragen Händler und Verbraucher zunehmend die Ökobilanz ab – und da möchten die Logistiker klimafreundlichere Antworten geben können. Die Wirtschaft handelt also schon, das sollte auch von der Verkehrspolitik erkannt werden.“ Darüber hinaus weist der VDV darauf hin, dass auch das Potenzial der frühzeitigen Verlagerung vom Lkw auf die Schiene stärker in den Blick genommen werden müsse. „Nehmen wir den Kombinierten Verkehr, der dem Schienengüterverkehr kontinuierlich jährliche Wachstumsraten beschert: In den letzten zehn Jahren legte das Transportvolumen im Kombinierten Verkehr um rund 26 Prozent zu. Allein im Jahr 2021 verzeichnete der KV in Deutschland ein deutliches Plus von jeweils rund zehn Prozent sowohl bei der Verkehrsmenge als auch bei der Verkehrsleistung gegenüber dem Vorjahr. Diese Werte könnten erheblich steigen, wenn wir an die notwendige Aufstockung der Haushaltsmittel auf rund 150 Millionen Euro pro Jahr denken. Dadurch kann die vorliegende Anzahl an Projekten im Bereich Neu- und Ersatzinvestitionen bedarfsgerecht abgearbeitet werden“, so VDV-Vizepräsident Joachim Berends.

Kooperation und Wettbewerb kein Widerspruch
Der Schienengüterverkehr ist eine Branche mit hohem Wettbewerbsdruck, der angesichts der Wachstumsraten bei den Transportmengen erfolgreich ist. „Doch Wettbewerb und Kooperation sind kein Widerspruch: Wir sehen dies erfolgreichbei der VDV-Arbeitgeberinitiative mit derzeit branchenweit über 13.000 freien Stellen, bei der sich die Branche gemeinsam auf dem Bewerbermarkt vermarktet, wir sehen es beim Netzwerk Einzelwagenverkehr mit seinen Musterlösungen und wir werden es noch spürbarer erleben bei dem Thema Digitalisierung von Schnittstellen“, erläutert Berends. Kapazitäten können gemäß VDV stärker geteilt werden: „Wenn Lokführerinnen und Lokführer unerwartet – zum Beispiel durch Verspätungen – frei sind, können diese, wenn sie die Kriterien erfüllen und willens sind, auch an den Wettbewerber ausgeliehen werden.“ So bleibe die Fracht nicht liegen – und das Personal ist wirklich beschäftigt. „Stillstand ist teuer: Züge, die stehen, sind das Schlimmste für alle Unternehmen.“ Der Branchenverband wirbt dafür den unternehmensübergreifenden Einsatz von Fahrpersonal auf der Schiene zu fördern, skalierbar zu machen und digital abzubilden. „Dies alles natürlich unter voller Berücksichtigung aller Sicherheitsvorschriften und notwendigen Zusatzbescheinigungen, die ebenso sauber wie die Qualifikationen im System erstellt und abgelegt werden können. Die Erprobung läuft seit Kurzem. Wir glauben, dass dies auch für andere Unternehmen interessant sein kann“, so Berends.

76 Prozent haben 2022 mehr eingestellt als im Vorjahr

Gemäß „2. Branchenumfrage Güterbahnen“ hat der Personalbedarf in den Verkehrsunternehmen 2022 im Vergleich zu 2021 „zugenommen“ (58 Prozent) oder sogar „stark zugenommen“ (13 Prozent). Mit 76 Prozent hat die große Mehrheit der Unternehmen 2022 im Vergleich zum Vorjahr mehr Personal eingestellt: rund 32 Prozent „bis zu 5 Prozent mehr“, 23,7 Prozent „bis 10 Prozent mehr“, 21 Prozent „mindestens bis 15 Prozent mehr“. 43 Prozent der teilnehmenden Güterbahnen geben an, dass bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Eisenbahnbetrieb –  in erster Linie Lokführer (m/w/d) bis 2030 die meisten Abgänge zu verzeichnen sind. Danach folgen gewerblich-technisches Personal (38 Prozent) und Kaufleute (14 Prozent). 44 Prozent nehmen grundsätzlich ein gesteigertes Interesse der Arbeit in der Branche wahr. 14 Prozent der Unternehmen zählten eine gesteigerte Zahl an Bewerbungen, 43 Prozent sagen „gleichbleibend“. 68 Prozent der Befragten sagen, dass sich die Qualität der Qualifikation bei den Bewerbungen verschlechtert hat, acht Prozent sagen „stark verschlechtert“. Die Vakanzzeiten nachzubesetzender Stellen seien gemäß Bundesagentur für Arbeit für Lokführerinnen und Lokführer zwar nicht mehr so hoch wie zu dem Zwischenhoch aus dem Jahre 2020, aber „weiter viel zu hoch. Es ist auf der anderen Seite so, dass es viel mehr Stellenangebote für Schienenfahrzeugführer gibt, als Arbeitssuchende mit diesem Zielberuf“, so Berends. „Die Zahlen im Personalbereich sind ernüchternd, darum müssen wir sowohl in der Branche als auch seitens der Politik mit verbesserten Rahmenbedingungen für die Güterbahnen – unsere Hausaufgaben machen, um die Zahlen im Markt für die Klimaschutzziele Deutschlands weiter zu verbessern“, so Berends abschließend.

–      Die Ergebnisse der 2. Branchenumfrage „Personalbedarf bei den Güterbahnen in Deutschland“: www.vdv.de/sgvpersonalumfrage

–      Wachstumszahlen aus Zahlen und Fakten 2022, SGKV.

–      Masterplan Schienengüterverkehr auf der Netzpräsenz des BMDV.

Quelle: Verband Deutscher Verkehrsunternehmen

 

 

Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. (VDV)

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