Gemeinsam mit Staatssekretärin im SH-Wirtschaftsministerium Julia Carstens diskutieren die Gäste des Brunsbütteler Industriegesprächs „Spezial“ über den Fachkräftemangel. Dieser stellt die Unternehmen des ChemCoast Parks in vielen Bereichen vor enorme Herausforderungen. Es bedarf einer gemeinsamen Strategie aller handelnden Akteure, um den hohen Fachkräftebedarf am Standort auch zukünftig decken zu können.
Insgesamt hängen vom ChemCoast Park Brunsbüttel 12.500 Arbeitsplätze ab, 4.500 davon befinden sich direkt vor Ort in Brunsbüttel. Damit sind die am Standort ansässigen Unternehmen maßgebliche Arbeitgeber in der Region und darüber hinaus. Bereits seit Jahren ist jedoch auch der wachsende Fachkräftebedarf in aller Munde. Fehlende Arbeitskräfte in vielen Branchen führen dazu, dass offene Stellen zum Teil erst nach längerer Zeit besetzt werden können und auch dann nicht immer mit der gewünschten Qualifikation. Noch bedrohlicher werden die Auswirkungen des Fachkräftemangels angesichts der Tatsache, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den geburtenstarken Babyboomer-Jahrgängen bis Ende des Jahrzehnts in Rente gehen werden. Hinzu kommen diverse Ansiedlungsprojekte von Unternehmen und Werken, die von den bedeutungsvollen Entwicklungen des Industriestandortes zu einem deutschlandweiten Energiehub profitieren wollen. Auch hier entsteht ein zusätzlicher Fach- und Arbeitskräftebedarf. Somit sehen sich auch die Unternehmen des ChemCoast Parks mit enormen Herausforderungen konfrontiert.
Um diese Herausforderungen sowie potenzielle Lösungsansätze gemeinsam zu diskutieren, veranstaltete die Werkleiterrunde des Industriegebietes heute gemeinsam mit ihrem bereits 2016 gegründeten Arbeitskreis „Fachkräftebedarf“ das zweite Brunsbütteler Industriegespräch „Spezial“ unter dem Titel „Fachkräftebedarf – was tun?“ auf dem Gelände der Covestro AG in Brunsbüttel. Als Abwandlung der regulären Brunsbütteler Industriegespräche dienen diese „Spezial“-Veranstaltungen als themenspezifische Diskussionsrunden im kleineren Rahmen. Im August 2022 lud die Werkleiterrunde zuletzt zu einem Austausch über die komplexen Herausforderungen der Energie- und Gaskrise ein. Im Rahmen der diesjährigen Veranstaltung galt es, gemeinsam mit Staatssekretärin Julia Carstens aus dem schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministerium und rund 70 weiteren Gästen, sowohl über die aktuellen Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt zu diskutieren als auch eine gemeinsame Strategie gegen den Fachkräftemangel zu entwickeln. Jürgen Evers, Talent & External Relationship Manager bei der Covestro Deutschland AG sowie Sprecher des Arbeitskreises „Fachkräftebedarf“ der Werkleiterrunde, betont vor diesem Hintergrund: „Es ist keine Zeit mehr für Egoismus. Die Herausforderungen der Gegenwart können wir nur gemeinsam bewältigen.“
Frank Schnabel, Geschäftsführer der Brunsbüttel Ports GmbH / SCHRAMM group sowie Sprecher der Werkleiterrunde des ChemCoast Parks Brunsbüttel, erläutert: „Wir sprechen hier in Brunsbüttel nicht nur von einem Fachkräftemangel, sondern von einem weitgehenden Arbeitskräftemangel. Um die Attraktivität des Standortes für potentielle Arbeitnehmer nachhaltig zu steigern, brauchen wir vor allem verbesserte Rahmenbedingungen, insbesondere im Hinblick auf die Verkehrsinfrastruktur. Das schließt zum einen den jüngst angekündigten Ausbau der B5 zwischen Wilster und Brunsbüttel, und zum anderen auch den Ausbau der Brunsbütteler Schienenanbindung ein, die sowohl für die Stärkung des Personen- als auch des Güterverkehres unerlässlich ist.“
An der Podiumsdiskussion, die von Thomas Bultjer, Leiter der IHK Geschäftsstelle Dithmarschen, moderiert wurde, nahmen neben Staatssekretärin Julia Carstens, Jürgen Evers und Frank Schnabel auch Laura Pooth, Vorsitzende des DGB Nord, und Prof. Dr. Tim Warszta, Professor für Wirtschaftspsychologie und Institutsleiter WinHR an der Fachhochschule Westküste in Heide, teil. Gemeinsam diskutierten die Teilnehmer der Runde über Hintergründe, Herausforderungen und potenzielle Lösungsansätze für den aktuellen Fachkräftemangel. Als Vertreterin der Landesregierung erinnerte Staatssekretärin Julia Carstens an die Fachkräfteinitiative Schleswig-Holstein: „Hier arbeiten wir mit Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft, der Sozialpartner und der Hochschulen daran, einen möglichst großen Anteil der inländischen Potenziale auf dem Arbeitsmarkt auszuschöpfen.“ Es gehe darum, mehr junge Menschen für eine Ausbildung zu begeistern, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen, Ältere länger in Arbeit zu halten oder beispielsweise Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund und Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Carstens: „Weil dies allein aber nicht ausreichen wird, um die Arbeitskräftelücke zu schließen, setzen wir auch verstärkt auf die Erwerbszuwanderung.“ In diesem Zusammenhang werde das „Welcome Center Schleswig-Holstein“ eine wichtige Rolle einnehmen.
Auch die Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung von Fachkräften seien ein elementarer Bestandteil einer erfolgreichen Fachkräfte-Strategie. „Die „fertige“ Fachkraft gibt es in Zukunft immer seltener. Eine Stärkung der Aus- und Weiterbildung ist deshalb das A und O. Viele Jugendliche in Übergangssystemen und eingewanderte Menschen warten nur auf eine Chance. Mit entsprechender Förderung können diese Potenziale leicht gehoben werden. Auch bei der beruflichen Weiterbildung gibt es Verbesserungsbedarf. Es braucht eine Stärkung der Weiterbildungskultur in den Unternehmen ebenso wie die Korrektur der Beratungs- und Förderungsstrukturen. Auf die Gesundheit der vorhandenen und erfahrenen Fachkräfte muss besser geachtet werden. Immer weniger von ihnen schaffen es bis zum regulären Renteneintritt. Mit einem verbesserten Arbeits- und Gesundheitsschutz können mehr Beschäftigte bis zum Ruhestand gesund bleiben,“ führt Laura Pooth aus.
Die Diskussion zeigte ebenfalls auf, dass eine zielführende Strategie zur Lösung des Fachkräftemangels auch diverse Faktoren zur Steigerung der Arbeitgeber- sowie Standort-Attraktivität miteinbeziehen müsse. Dies sei jedoch nicht die alleinige Aufgabe der hier ansässigen Unternehmen, sondern sollte als gemeinsames Projekt verstanden werden. Prof. Dr. Tim Warszta betont: „Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken sind gemeinsame Anstrengungen von Unternehmen und Region erforderlich: Attraktive Arbeitsplätze an einem attraktiven Lebensort können Fachkräfte anziehen.“
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion wurden außerdem relevante Leuchtturmprojekte aus der Region, darunter die Weiterbildungsangebote der VHS Brunsbüttel, die Projekte „Moin MINT“ und „Stadtguthaben“ sowie der Elternkompass Digi Bo, vorgestellt. Diese unterstreichen noch einmal deutlich, wie viel schon jetzt in der Praxis von Unternehmen und Institutionen in der Region umgesetzt wird, um dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen.
„Besonders im Hinblick auf die zukünftigen Ansiedlungsprojekte in der Region braucht es bereits jetzt Konzepte und eine gemeinsame Strategie, um Arbeits- und Fachkräfte hier am Standort zu gewinnen und zu binden. Um die Rahmenbedingungen dafür optimal zu gestalten, bedarf es neben den Bemühungen der Unternehmen ebenfalls der tatkräftigen Unterstützung aus der Politik. Nur gemeinsam können wir die Unternehmen des ChemCoast Parks Brunsbüttel als Arbeitgeber auch langfristig attraktiv und wettbewerbsfähig aufstellen,“ fasst Frank Schnabel zusammen.
Quelle und Foto: ChemCoast Park Brunsbüttel, die Podiumsteilnehmer des Brunsbütteler Industriegespräch „Spezial“ unter dem Titel „Fachkräftebedarf – was tun?“ Es diskutierten (v.l.n.r): Thomas Bultjer, Leiter der IHK Geschäftsstelle Dithmarschen, DR. Tim Warszta, Professor für Wirtschaftspsychologie und Institutsleiter WinHR an der Fachhochschule Westküste, Laura Pooth, Vorsitzende des DGB Nord, Julia Carstens, Staatssekretärin im SH-Wirtschaftsministerium, Frank Schnabel, Geschäftsführer der Brunsbüttel Ports GmbH / SCHRAMM group und Jürgen Evers, Talent & External Relationship Manager bei der Covestro Deutschland AG.