Wertvolle Daten vom Floating Lab

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„Schiffe haben mich schon immer fasziniert. Ich bin entlang des Nieuwe Waterweg aufgewachsen, sie fuhren immer an meinem Fenster vorbei. Dass ich jetzt auf dem Floating Lab arbeite, ist wirklich super. Hier kommt alles zusammen: der Hafen, Technik, Innovation, künstliche Intelligenz und Menschen.“ Ton van der Weele – vom Hafenbetrieb Rotterdam – fährt zum Sammeln von Daten, Daten und nochmals Daten mit Floating Lab durch den Hafen.

Floating Lab ist ein schwimmendes Hightech-Laboratorium, das seit Oktober 2018 durch den Rotterdamer Hafen fährt. Der Hafenbetrieb Rotterdam hat dazu das Reservefahrzeug RPA3 mit cleveren Details wie Kameras, Messgeräten und Sensoren zum Sammeln von Daten ausgestattet. Floating Lab arbeitet gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft, Bildungseinrichtungen und Forschungsinstituten und bietet somit eine Plattform zum Testen von Ideen und der Entwicklung von Smart Shipping.

Aber die gesammelten Daten werden noch für viel mehr Forschung als nur für autonomes Fahren verwendet. Ton van der Weele und Harmen van Dorsser, beide vom Hafenbetrieb Rotterdam, erzählen von Konnektivität, Motormanagement, Verwaltung und der Datenschutz-Grundverordnung.

Harmen van Dorsser, Programmmanager: „Intelligente Schiffe, die vollständig autonom fahren – das ist noch ein Streifen am Horizont. Den Weg dorthin mit dem maritimen Sektor zu erkunden – das ist es, worum es geht. Die Entwicklung von Smart Shipping ermöglicht nämlich bereits jetzt schon einiges. Wenn man ein Schiff in einem Hafengebiet selbstständig oder fernbedienen möchte, muss noch viel passieren. Konnektivität ist dabei beispielsweise ausgesprochen wichtig. Die Verbindung zwischen Schiff und Festland muss in einem Hafengebiet zu 100 % zuverlässig sein. Wenn man ein Schiff fernsteuert und es gibt dabei eine Verzögerung von nur einer Sekunde, kann man bereits gegen etwas gefahren sein. Mit Floating Lab untersuchen wir, wie die 100-%-Konnektivität mit IoT-Technologie im Hafen erreicht werden kann.“

Im maritimen Sektor ist Motormanagement (Geräte, die die Menge und Zusammenstellung des vom Motor benötigten Kraftstoffs regeln) ausschlaggebend für das Verringern der Kosten und nachhaltiges Fahren. Floating Lab forscht in diesem Bereich. Ton van der Weele, Asset-Manager und im Labor tätig: „Bei Floating Lab geht es ums Messen. Dank der Messgeräte und Sensoren können wir messen, dass der Maschinist, beispielswiese bei schwerem Wetter, mehr Gas gibt, um voranzukommen, obwohl das vielleicht gar nicht erforderlich ist. Das wiederum beeinflusst den Kraftstoffverbrauch und den CO2-Ausstoß.

Mit Floating Lab können wir, indem wir messen, lernen, wie viel Gas man tatsächlich geben muss und wie man die Witterungsbedingungen nutzen kann. Weniger Emissionen tragen wiederum zu einer saubereren Luft bei.“
Messen ist auch für die Wartung wichtig. Ton: „Die Schraubenwelle (die zusammen mit dem Motor und der Schraube dafür sorgt, dass sich das Schiff bewegt und fährt) macht ein zitterndes Geräusch. Ein Maschinist kann nach Gefühl an diesem Zittern hören, dass etwas nicht stimmt, weiß aber nicht, wo sich die Störung befindet. Mit Floating Lab führen wir mit den Zitter-Sensoren einen Test an der Schraubenwelle aus. Diese enthalten einen Spezialsensor, der das Zittern registriert.

Stellen Sie sich vor, dass man 100 Mal dieselbe Störung festgestellt hat, dann kann man schneller voraussagen, wo sich ein Defekt befindet und wann die Störung auftreten wird. Man kann damit den Defekt sogar verhindern. Das resultiert in weniger Wartung und das sorgt wiederum für eine größere Einsatzfähigkeit bei niedrigeren Kosten des Schiffs.“
Harmen ergänzt: „Zurzeit befinden wir uns in der Phase des Messens, Analysierens und Lernens. Durch das Analysieren und Registrieren von Daten „lernt“ das System. Die Stärke liegt in seinem Wissen. Es liegt am Markt, die Technologie anzuwenden. Stellen Sie sich vor, dass ein großer Schiffsbauer jedes Schiff mit einem Kästchen ausrüstet, dass derartige Daten sammelt und dem Lieferanten oder Konstrukteur des Motors sendet. Das kann ein enormer finanzieller Impuls für eine solche Firma sein.“

Die Kameras an Bord des RPA3 machen Aufnahmen der Kaianlagen mit ihren vielen Treppen und Pollern im Hafen. Ton: „Wir untersuchen, ob wir diese Bilder für Inspektionen einsetzen können. Wir verhandeln mit einem Unternehmen, das Aufnahmen im Hafen macht, eine Form von Google Streetview, aber dann vom Wasser aus.

Wir sehen uns an, wie wir unsere Kräfte bündeln können. Wir wissen beispielsweise, wie groß der Abstand zwischen den Schwellen einer Treppe sein muss. Das können wir mit Algorithmen in einem Computerprogramm aufzeigen. Genauso wie die Kaimauer aussehen muss. Wenn sich dann darin ein Riss befindet oder eine Stufe an einer Kaitreppe fehlt, erkennt die Software dies. Dann kann man, falls erforderlich, zielgerichtet eine Inspektion einsetzten.“

Floating Lab und die DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung), was haben sie miteinander zu tun? „Nun, sehr viel!“, sagt Ton. „Die DSGVO schützt personenbezogene Daten und das ist prima. Nur sind wir hier jetzt mit einer herausfordernden Situation konfrontiert. Ein Binnenschifffahrtsschiff ist sowohl eine Firma als auch eine Wohnung. Die Daten des Schiffs, die wir mit Floating Lab sammeln, müssen wir deshalb anonymisieren. Dabei geht es beispielsweise um den Namen des Schiffs. Genauso wie bei den Bildern von Google Streetview, auf denen Nummernschilder und Gesichter unscharf sind. Wir möchten ein intelligentes Unschärfe-Tool entwickeln, das wiederum auch nicht zu viele Informationen entfernt.“

Harmen: „Als Hafenbetrieb Rotterdam erfahren wir selbst, wie schwierig diese Materie ist. Da wir als Hafenbehörde auch immer im Einklang mit den Gesetzen zu handeln wünschen, möchten wir dies so sorgfältig wie möglich handhaben. Wir packen dies gemeinsam mit Bildungseinrichtungen an, da es sich dabei einerseits um ein äußerst interessantes Fallbeispiel zur Ausarbeitung für Studenten handelt. Andererseits schafft es bei den Studenten sofort ein Bewusstsein dafür, dass DSGVO-Gesetzgebung Teil der Herausforderung ist, mit der wir konfrontiert sind.“

PortXL ist ein weltweites Innovationsprogramm, das aus einem Netzwerk führender Unternehmen und Experten besteht, mit dem Ziel, innovative Technologien zu beschleunigen. Harmen befindet sich im Dialog mit dem ScaleUp-Unternehmen Keyou, das sich seit 2019 an dem Programm beteiligt. „Dieses Unternehmen richtet sich auf den Umbau von Kraftstoffmotoren in einen Motor, der mit Wasserstoff läuft. Ich schau mir an, ob wir Floating Lab dabei einsetzen können.

Floating Lab muss sich nämlich nicht an Bord der RPA3 befinden, die Technik kann auf jedem Schiff angewendet werden. Und Floating Lab kann so alle Aspekte rund ums Fahren auf Wasserstoffbasis untersuchen. Deshalb sind wir mit den Festmachern (KRVE) im Gespräch, die die Seeschiffe im Hafen vertäuen und auch wieder losmachen. Sie besitzen mehr als 40 gleiche Fahrzeuge, die mit Diesel fahren. Wenn man ein Schiff zu Forschungszwecken umbauen kann, ist dies auch für mehr als 40 möglich, und die Beschleunigung fällt wesentlich größer aus.“

Die Forschungsmöglichkeiten von Floating Lab sind umfassend. Harmen: „Das ist gleichzeitig auch die Herausforderung. Da wir mit unterschiedlichen Parteien Daten sammeln, die aus mehreren Quellen stammen, gibt es viele potentielle Eigentümer. Aber ich merke, dass Floating Lab auch eine Triebfeder ist, ein Gesprächsinitiator. Der Hafenbetrieb Rotterdam hat mit Floating Lab eine besondere Vorreiterrolle eingenommen, das Labor ist ein internationales Aushängeschild für Innovation.“

Ton: „An Bord des Labors hat jeder sein eigenes Fachgebiet und seinen Mehrwert. Mein Hintergrund liegt in der ICT und Technik. Harmen ist eher ein Netzwerker, der Verbindungen zu anderen Parteien herstellt. Wir sind alle unterschiedlich, haben aber dasselbe vor Augen: den intelligenten Hafen.

Für mich ist Floating Lab vor allem eine andere Betrachtungsweise von Problemen. Es ist nicht „entweder oder“, sondern „sowohl als auch“. Manchmal müssen wir improvisieren, aber das gehört zum Innovationsprozess dazu. Um unsere gute Hafenposition zu behalten, muss man auf Innovation und den intelligenten Hafen setzen. Dazu muss man auch junge Leute anziehen. Dies geschieht bei Floating Lab durch die Kooperation mit Bildungseinrichtungen und Start-ups wie Captain AI. Mir macht es sehr viel Spaß, dies zu begleiten.

Mit den von uns gesammelten Daten können wir Anwendungen entwickeln, die wertvoll sind. Ich arbeite seit fünfzehn Jahren beim Hafenbetrieb und die Veränderungen hören einfach nicht auf, diese Dynamik ist wunderbar!

Quelle und Video: Port of Rotterdam

 

 

 

 

 

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