Zum ersten Mal in hybrider Veranstaltungsform begrüßte Dr. Christoph Kösters, Manager des Kompetenznetzes und Hauptgeschäftsführer des Verbandes Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL) NRW e. V., rund 70 Entscheider aus Schifffahrt, Häfen, Logistik und der Industrie für die Veranstalter Kompetenznetz Logistik NRW, seinem Trägerverein LOG-IT-Club e. V. und dem VVWL.
Kösters stellte fest, dass die Corona-Pandemie und die damit zusammenhängenden Folgen die Wirtschaft und Logistik schwer getroffen habe: „Lieferketten wurden unterbrochen, Märkte brachen weg und etablierte Wertschöpfungsprozesse könnten unter Resilienzaspekten in Frage gestellt werden.“ Allgemein zeige sich bereits jetzt eine deutliche Intensivierung und Beschleunigung der Notwendigkeit zur Digitalisierung von Prozessen und Geschäftsmodellen in der Logistik. Den nächsten Megatrend, nämlich die Transformation von Logistik und Wirtschaft zu CO2-reduzierten und „grünen“ Prozessen habe die Krise zwar zunächst ein wenig überdeckt, jedoch sei inzwischen durch Corona und seinen Folgen sowie dem „Green Deal“ eher eine Katalysator-Funktion festzustellen. Im Spannungsfeld zwischen Green Deal und Corona-Krise freute sich Kösters auf spannende Vorträge und Diskussionen.
Als langjähriger Kooperationspartner des Forums und Mitglied des Kompetenznetzes Logistik.NRW betonte Burkhard Landers, Präsident der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer Duisburg-Wesel-Kleve zu Duisburg, in seiner Eröffnungsrede ebenfalls die massiven wirtschaftlichen Einbrüche durch Covid-19. Zwar hätten sich einige Konjunkturindikatoren in letzter Zeit erholt, eine Rückkehr zum normalen Geschäft liege aber wohl noch in weiter Ferne. Er hob die Wichtigkeit des Verkehrsträgers Binnenschifffahrt für den Wirtschaftsstandort NRW hervor und konkretisierte drei Gedanken zur Stärkung des Systems Wasserstraße. Die gesamten Vorhaben zur Unterstützung des Systems müssten schneller und zügiger umgesetzt werden; das betreffe sowohl beschlossene Maßnahmen zur Ertüchtigung der Infrastruktur als auch Aufstockungen in personellen Bereichen der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltungen (WSV). Zudem müssten die Kapazitäten im Bereich der Binnenschifffahrt EU-weit erhöht werden, um die Verlagerungspotentiale voll auszuschöpfen. Letztendlich müsse aber auch die Binnenschifffahrt daran denken, durch Innovationen dem umweltfreundlichen Ansatz weiterhin gerecht zu werden, um im Konkurrenzkampf mit anderen Verkehrsträgern auch zukünftig im ökologischen Sinne punkten zu können.
Arndt Klocke, Fraktionsvorsitzender und verkehrspolitischer Sprecher von Bündnis 90 / Die Grünen im Landtag NRW, als Keynote-Speaker der Veranstaltung, zeigte sich parteiübergreifend mit dem Krisenmanagement der Politik in Coronazeiten zufrieden, stellte aber auch fest, wie verwundbar die Welt und Wirtschaft sei. In Bezug auf den Green Deal komme der Verkehrswirtschaft eine Schlüsselrolle zu, gerade auch vor dem Hintergrund, dass der CO2-Ausstoß in den letzten Jahren im Gegensatz zu anderen Branchen leider weiter angestiegen sei. Hier bestünde enormer Nachholbedarf hin zu einer Grünen Logistik. Jahrzehntelang seien die umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene und Binnenschifffahrt insbesondere in der Infrastruktur vernachlässigt worden: „Diese Versäumnisse gilt es jetzt aufzuholen durch umweltgerechte Priorisierung und im fairen Dialog zwischen Umweltschützern und der Wirtschaft – dann sind auch partielle Rheinvertiefungen nicht auszuschließen.“ Gerade in Zeiten von Corona sei aber nicht die Stunde der Maximalforderungen, vielmehr müsse der Weg im Einklang mit den Zielen des Green Deal gegangen werden. Dabei sollten die umweltfreundlichen Verkehrsträger zum Beispiel in Form des Kombinierten Verkehrs politisch vom Bund noch mehr unterstützt werden: „Es bleibt zu hoffen, dass der Green Deal Druck auf den Bund ausübt, der immer noch zu viel in Straßen investiere.“ Zum Thema „alternative Antriebe“ forderte Klocke eine Energiegewinnung komplett aus erneuerbaren Quellen. Ansonsten habe der Klimaschutz nicht gewonnen.
Ralf Busche, Senior Vice President European Site Logistics Operations BASF SE, betonte in seinem Impulsvortrag zum Thema wie wichtig Multimodaler Verkehr, die Binnenschifffahrt und somit der Rhein für den Wirtschaftsstandort Ludwigshafen sei, insbesondere für die eingehenden Mengenströme: „Der Rhein ist die Lebensader für BASF“. Deswegen stehe der Klimaschutz und die Sicherung der Wasserstraßeninfrastruktur weit oben auf der Agenda. Rohstoffausfälle wie im Niedrigwasserjahr 2018, die zu massiven Produktionsausfällen und -engpässen geführt hätten und nachhaltig Kunden verärgerten, könne man sich nicht leisten. BASF sei deshalb selbst aktiv geworden und habe nicht auf die Logistik oder Politik gewartet, um eine Reihe von Resilienz-Maßnahmen für kritische Niedrigwasserereignisse prophylaktisch zu treffen. Hervorzuheben seien die Entwicklung eines Frühwarnsystems, das es ermöglicht, eine 6-Wochen-Pegelprognose zu erstellen. Das sorgt für mehr Planungssicherheit in dem Sinne, dass Niedrigwasserrisiken frühzeitig erkannt werden und notwendige Kompensationsmaßnahmen eingeleitet werden können. Es seien Time-Charter-Verträge mit besserer Traglast bei niedrigem Wasserstand abgeschlossen sowie ein tiefgangoptimiertes Binnenschiff entwickelt worden. Zudem habe man alternative Verkehrskonzepte insbesondere für den Bahntransport ausgearbeitet. Letztendlich stellte Busche aber auch fest, dass sowohl die Industrie als auch die Logistik hinsichtlich der klimabedingten Herausforderungen dringend die Unterstützung der Politik bedarf. In diesem Sinne erfolgte im Zusammenschluss mit der Politik die Erstellung des Aktionsplans „Niedrigwasser Rhein“ (8-Punkte-Plan) mit vier Handlungsfeldern, insbesondere auch zur Abladeoptimierung am Mittel- und Niederrhein, um den Güterverkehr auf dem Rhein sicherer und zuverlässiger zu machen.
In der ersten Podiumsrunde diskutierten neben Klocke und Busche auch Heinrich Kerstgens, Managing Director Contargo GmbH & Co. KG unter der Moderation von Sebastian Reimann, Chefredakteur der Deutschen Verkehrs-Zeitung DVZ. Kerstgens unterstrich noch einmal den immensen infrastrukturellen Nachholbedarf im System Wasserstraße und dass hier die Verabschiedung von Aktions- und Masterplänen nur ein erster Schritt sei, aber die Umsetzung der Inhalte noch Jahrzehnte dauern würde. Für kurzfristige Erfolge müsse nun flexibel gehandelt werden, zum Beispiel sollten starre Verladungszeiten aufgebrochen und der Umschlag mittels Digitalisierung optimiert werden. Das begrüßte auch Busche. In vielen Häfen fehlten nach Meinung von Kerstgens noch die digitale Infrastruktur (Glasfaser) für schnelles Internet. Nicht selten seien daher Logistiker gezwungen, selbst aktiv zu werden. Klocke betonte im Trialog nochmals die Wichtigkeit einer Priorisierung und die Beschleunigung der Verfahren. Geld sei ausreichend vorhanden, es müssten jetzt aber sinnvolle und umweltgerechte Schwerpunkte in den Verkehrsnetzen gesetzt werden.
v.l.: Dr. Christoph Kösters, Dr. Jan Zeese, André Ventker, Niels Anspach, Dr. Werner Reh und Sebastian Reimann
Nach einer kurzen Netzwerkpause trafen sich zur zweiten Podiumsdiskussion unter dem Motto „Praktische Beiträge und Lösungen in Zeiten von Green Deal und Coronakrise“ Niels Anspach, Supply Manager NWE, BP Europa SE; Dr. Werner Reh, stellvertretender Sprecher Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. – AK Verkehr; André Ventker, Geschäftsführer Engemann u. Co. Int. Spedition GmbH sowie Dr. Jan Zeese, Geschäftsführer neska Schiffahrts- und Speditionskontor GmbH.
Angesprochen auf die Coronakrise bestätigten die Diskutanten die damit einhergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten, finanziellen Engpässe und mehr oder weniger starken Umsatzeinbußen. Ventker stellte fest, dass der dynamische Verlauf der Pandemie und der aus ihr folgenden Wirtschaftskrise derzeit ein wirtschaftliches Handeln über mehr als einen Monat praktisch unmöglich mache.
Zeese erklärte, dass in der Krise für die neska Group sicherlich von Vorteil sei, dass sie über eine große Angebotspalette verschiedener logistischer Dienstleistungen an zahlreichen Standorten verfügt und den Transport verschiedener Güterarten anbietet, so dass sich kein einheitlich schlechtes Bild ergebe. Es erfolge daher auch keine Abkehr von mittelfristigen Zielen und Strategien. Die Wirtschaft würde nach der Krise wieder wachsen. Richtig sei aber auch, dass in der Binnenschifffahrt eine Abkehr vom Massengut festzustellen sei und insbesondere in nächster Zeit mit Augenmaß und im Sinne einer Grünen Logistik investiert werden müsse. Künftige Vorgaben der Politik zur Umsetzung des Green Deal sollten aber in kleinen Schritten erfolgen, um die geschwächte Wirtschaft nicht zu überfordern. Wichtig seien politisch nachvollziehbare und umsetzbare Leitplanken.
Anspach betonte, dass Corona weder für die Kreditwürdigkeit von Kunden noch für den Klimaschutz eine Entschuldigung sein kann. Die Insolvenz gehöre leider zu einem gesunden Wirtschaftssystem dazu. Zudem unterstütze er nach der Krise einen klimafreundlichen Neustart der Wirtschaft: „Das Klima und auch die Beschlüsse (zum Beispiel Paris), die vor der Coronakrise gefasst worden sind, haben sich durch Covid-19 nicht verändert.“ Zur Klimadebatte gebe es keine Alternativen und deshalb sollten die Maßnahmen, die zur Erreichung der ambitionierten Ziele des Green Deal notwendig sind, technologieoffen im Sinne des Umweltschutzes umgesetzt werden. Dennoch sei krisenbedingt momentan nicht die Zeit von Maximalforderungen – wie bereits Arndt Klocke betonte.
Ebenfalls bekräftigte Reh, dass der Green Deal nicht wegen der Corona-Krise in Frage gestellt werden darf: „Der Green Deal ist die große Chance für den Umweltschutz“. Der Weg, der vor Corona eingeschlagen wurde, dürfe jetzt nicht verlassen werden. Zudem vermisse er mehr Kooperation zwischen den Seehäfen, die sich aus Konkurrenzgedanken eher behindern. Zum Thema Planungsverfahren betonte Reh, dass nicht primär die Umweltverbände diese behindern. Eher würden Faktoren wie Personalmangel in der Umsetzung und beschränkt verfügbare Baukapazitäten eine zeitnahe Umsetzung häufig bremsen.
Einigkeit herrschte, dass die Spedition und Logistik bereit ist, auf alternative Antriebe im Sinne eines nachhaltigen Umweltschutzes umzusteigen. Hilfreich für Investitionen und Planungen sei eine vernünftige Versorgungsinfrastruktur, wobei der Unternehmer nach Meinung von André Ventker auch mal ins Risiko gehen müsse. Er stellte ferner fest, dass eine Umstellung auf alternative Antriebe schon allein aus Wettbewerbsgründen notwendig sei, um langfristig am Markt erfolgreich zu sein. Ein Allheilmittel würde es allerdings nach Feststellung von Zeese als Ersatz für den Diesel auch in zwanzig Jahren nicht geben. Je nach Verkehrsträger, Anwendungsbereich oder Betriebsmittel werden verschiedene Anforderungen zu stellen sein und sich ein bestmöglicher alternativer Antrieb bzw. Kraftstoff herauskristallisieren. Anspach bemerkte abschließend, dass bei der Auswahl auf alternative Kraftstoffe neben dem Umweltgedanken auch ökonomische Aspekte zu beachten seien.
Quelle und Foto: VVWL NRW, v.l.: Dr. Christoph Kösters, Dr. Jan Zeese, André Ventker, Niels Anspach, Dr. Werner Reh und Sebastiann Reimann