Innovation führt Hafen in neue Epoche

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In der Regel sprudelt der RDM-Campus in Rotterdam nur so vor Innovation. Bei der Innovation Expo 2018 wurde dieser Effekt jedoch um ein Vielfaches verstärkt. Unternehmen und Institutionen aus den gesamten Niederlanden präsentierten auf der Heijplaat ihre Ideen zur Verbesserung des Lebensraums. Der Rotterdamer Hafen spielt dabei eine Vorreiterrolle. „Wir können aus zwei Optionen wählen: entweder machen wir mit oder wir verlieren unsere Position.“’

Die Innovation Expo ist das Event der Behörden, bei dem Unternehmen, Bildungseinrichtungen und zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Innovationen der Öffentlichkeit vorstellen. In und rundum die RDM Onderzeebootloods (Unterseeboot-Halle) standen Dutzende von Innovationen – von Drohnen bis zu Cargobikes und von 3D-Druckern bis hin zu Treibstoffzellen – alle hatten ein gemeinsames Ziel: die Verbesserung des Lebensraums. Ein wichtiges Element dieser Lebensumwelt ist der Rotterdamer Hafen. Das verdeutlicht der Generaldirektor des Hafenbetriebs Rotterdam Allard Castelein in seinem Hauptvortrag. „Mittels des niederländischen Klimagesetzes hat sich der Staat verpflichtet, die Kohlendioxid-Emissionen im Jahre 2030 um 49 Prozent zu senken. Das Hafengebiet ist für nicht weniger als 20 Prozent dieser Emissionen verantwortlich. Sollte es uns nicht gelingen, diese Emissionen erfolgreich zu senken, werden die Niederlande niemals in der Lage sein, diese Zielsetzungen vor 2030 umzusetzen.“

Innovationen sind somit erforderlich – auch im Hafen. „Es kann wohl sein, dass wir in verschiedenen Branchen Marktführer sind und dem Europäischen Wirtschaftsforum zufolge über die weltweit beste Infrastruktur verfügen, doch auf unseren Lorbeeren dürfen wir uns nicht ausruhen“, warnt Castelein. „Uns steht ein epochaler Wandel bevor. In diesem neuen Zeitalter geht es um Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Diese zwei Entwicklungen sind für unser Fortbestehen von grundlegender Bedeutung. Als Hafen können wir uns zwischen zwei Optionen entscheiden: entweder können wir uns beteiligen oder nichts tun, und damit in Zukunft unsere Position verlieren.“

Allein kann der Hafenbetrieb Rotterdam jedoch nicht innovieren. Dazu braucht er Unternehmen, Bildungseinrichtungen und andere Partner. Der Hafenbetrieb Rotterdam kann jedoch ein Ökosystem schaffen, in dem neue Innovationen zustande kommen und sich Startups zu voller Reife entwickeln können. Ein solches Ökosystem gibt es im Innovation Dock in der Halle neben dem RDM Unterseebootschuppen „Innovation bedeutet, dass man seine Hausaufgaben machen muss und keine Angst davor haben darf, Fortschritte zu machen. Hier arbeiten intelligente Menschen an intelligenten Lösungen und wird eine Vielzahl an Schritten unternommen. Hier sprudelt es nur so vor Energie“, äußert sich Castelein.

Innerhalb des Themas Digitalisierung zählt das autonome Fahren zu Wasser zu einer der wichtigsten Prioritäten. Bei der Innovation Expo 2018 war viel Interesse an dem neuen Floating Lab zu verzeichnen – einem umgebauten Patrouillenboot, das den Hafen digital darstellt. Die digitale Karte stellt eine Bedingung dafür dar, dass in Zukunft unbemannte Schiffe von der Nordsee zum gewünschten Kai manövrieren können. „Was es bei der Luftfahrt schon viele Jahre gibt, muss doch auch für die Schifffahrt möglich sein. Wir tragen mit dem Floating Lab dazu bei, einen „digital twin“ (digitaler Zwilling) von unserem Hafen zu bauen“, erläutert Castelein.

Das Floating Lab ist mit zwei Stereokameras und sechs 360 °-Kameras ausgestattet. Die Bilder dieser Kameras werden gemeinsam mit anderen Daten, wie Fahrtgeschwindigkeit, Strömungsgeschwindigkeit, Informationen zu den Wetterbedingungen und Gezeiten gespeichert. Andere Partner – wie Studenten der Hochschule Den Haag können diese Bilder und Daten dazu verwenden, ein digitales Modell des Hafens zu erstellen. Ton van der Weele vom Hafenbetrieb Rotterdam tritt für das Floating Lab als eine der treibenden Kräfte auf. Das autonome Fahren zu Wasser hat, seiner Ansicht nach, nur Vorteile. „75 Prozent der Zwischenfälle zu Wasser sind auf eine menschliche Ursache zurückzuführen. Wenn wir diese eliminieren können, indem wir autonom fahren, tragen wir wesentlich zur Erhöhung der Sicherheit in der Schifffahrt bei. Zudem ist es zunehmend schwieriger, Schiffsbesatzungsmitglieder zu finden.

Abgesehen von Hochschulen und Universitäten nutzt ebenfalls das Startup-Unternehmen Captain AI die Daten des Floating Lab. „Wir nutzen diese Daten, um mit Hilfe unseres Investors VStep ein Simulationsmodell zu bauen. Dieses Simulationsmodell benutzen wir dann zum Testen der Algorithmen, die für das unbemannte Fahren eines Schiffes erforderlich sind. Auf diese Weise können wir Tausende von Szenarien durchspielen, bevor wir einen Algorithmus in der Praxis testen. Die Sicherheit darf dabei natürlich nicht gefährdet werden“, unterstreicht Gerard Kruisheer. Der Gründer von Captain AI führt an, dass das autonome Fahren zu Wasser ein ganzes Stück schwieriger ist als beispielsweise das autonome Fahren auf der Straße. „Wer in seinem Auto auf die Bremse tritt, weiß genau, wann das Fahrzeug stillsteht. Das aber gilt nicht für ein Schiff. Dazu benötigen wir komplexere Algorithmen.“

Sicherheit ist einer der Gründe dafür, dass gerade der Hafenbetrieb Rotterdam die Daten für das autonome Fahren sammelt und zur Verfügung stellt. „An mehreren Standorten werden Untersuchungen zum autonomen Fahren zu Wasser durchgeführt, dann jedoch ohne Kooperation mit Hafenbetrieben oder anderen Instanzen. Das führt zu so genannten Black-Box-Lösungen, die niemals funktionieren werden. Denn wie können wir überhaupt gewährleisten, dass die Algorithmen in dieser Black Box sicher sind?“ So lautet die offen gestellte Frage von Programm-Manager Harmen van Dorsser vom Hafenbetrieb Rotterdam. „Zudem: Das autonome Fahren zu Wasser ist ebenfalls für den Hafenbetrieb selbst interessant. In diesem Zusammenhang kann man an das Fernlöschen von Bränden oder das Inspizieren von Kais anhand unbemannter Fahrzeuge denken.“

Abgesehen von der Digitalisierung ist Nachhaltigkeit die andere wichtige Priorität des Innovationsprogramms. Im Falle des Rotterdamer Hafens bedeutet dies tatsächlich einen Wechsel hin zu anderen Energieressourcen. „Der Hafen ist zu 60 Prozent von fossilen Brennstoffen abhängig. Und dabei geht es nicht nur um die Schifffahrt und den Straßenverkehr, sondern ebenfalls um die Chemie- und Öl-Industrie im Hafengebiet“, erklärt Peter Mollema, Strategie-Berater beim Hafenbetrieb Rotterdam. „Ungefähr sieben Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen hängen mit dem Gütertransport zusammen. Die Schifffahrt ist dabei für fast drei Prozent verantwortlich, was dem Emissionsprozentsatz von ganz Deutschland entspricht.“

Mollema leitet bei der Innovation Expo 2018 einen Workshop zum Thema „Befreiung der Schifffahrt von CO2-Emissionen“. „Es ist zu erwarten, dass die Kohlendioxid-Emissionen der Schifffahrt um 50 bis 250 Prozent steigen. Wenn wir nichts unternehmen, beläuft sich der weltweite Ausstoß in Kürze auf 17 Prozent. Wir müssen daher JETZT etwas unternehmen“, stellt Mollema klar. Was können Seehäfen in diesem Zusammenhang tun? Genau das ist die zentrale Frage, die zu einem Dilemma führt. „Müssen wir Schiffen, die für eine starke Verschmutzung sorgen, die Zufahrt verweigern? Das ist ziemlich kompliziert. Einerseits: Wenn wir höhere Anforderungen stellen, kann das zu einer Schwächung unserer Wettbewerbsposition führen. Andererseits: Wenn wir zu einem früheren Zeitpunkt die Innovation vorantreiben, können wir gegenüber der Konkurrenz einen Vorsprung aufbauen.“

Mehrere Dutzend Teilnehmer am Workshop veranstalteten ein Brainstorming zu den möglichen Maßnahmen. Diesbezüglich scheint eine Sache klar zu sein: Am besten kann Rotterdam gemeinsam mit den anderen Häfen vorgehen. Mollema schließt sich dieser Schlussfolgerung an. „Das können wir nicht allein schaffen. Wir haben mit Hamburg, Antwerpen, Barcelona, Long Beach, Los Angeles und Vancouver vereinbart, gemeinsam vorzugehen. Inzwischen haben sehr viele weitere Häfen wissen lassen, sich uns anschließen zu wollen. Auch sprechen wir mit Häfen in China, wie beispielsweise Shanghai.“

Mollema nennt eine Reihe von Maßnahmen. Der Hafenbetrieb Rotterdam investiert beispielsweise in nachhaltige Energie und LED-Beleuchtung im Hafen und nutzt seinen Einfluss, Vereinbarungen im IMO-Zusammenhang zu treffen. Der Hafen setzt sich dafür ein, das operative Geschäft im Hafen effizienter zu gestalten und untersucht die Möglichkeiten, Schiffe mit nachhaltig erzeugtem Strom zu versehen, so dass sie ihre Generatoren abstellen können. Mollema sagt dazu: „Nur mit der Ergreifung von operationellen Maßnahmen erreichen wir jedoch nicht mehr als die Hälfte der erforderlichen Kohlendioxid-Reduzierung. Wir müssen zudem auf alternative Brennstoffe setzen. Die für LNG (Flüssiggas) geltenden Rechtsvorschriften und die dazugehörige Infrastruktur sind jetzt in Ordnung, und das macht ebenfalls den Weg für Bio-LNG frei. Wir nehmen jedoch auch andere Biokraftstoffe, synthetische Brennstoffe und Wasserstoff unter die Lupe.“

Quelle: Port of Rotterdam, Video: YouTube

 

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